Der Böhmerwald, welcher südlich von Eger beginnt und sich in südöstlicher Richtung noch über die bayerische Grenze hinaus erstreckt, ist ein Mittelgebirge mit welliger Oberfläche und starker Bewaldung.
I. Gliederung.
Durch eine Senke, welche nach dem Städtchen Furth (im Wald) als Further Pforte bezeichnet wird, zerfällt der Böhmerwald in einen südlichen und einen nördlichen Teil. Der südliche Teil wird wieder durch einen bis 10 km breiten Landstreifen geschieden in den Vorderen oder Bayerischen Wald mit den Dreitannenriegel (1200 m) und den Hinteren Wald mit den höchsten Erhebungen des ganzen Gebirgszuges: Arber (1500 m), Rachel (1450 m) und Dreisesselberg. In diesem Teile des Waldes kommt überhaupt dessen gebirgige Natur am entschiedensten zur Geltung. Der nördlich der Further Pforte sich erstreckende Teil heißt der Oberpfälzer Wald. Westlich vom Oberpfälzer Wald Iehnt sich ein schmales Vorland an, durch welches das Gebirge vom fränkischen Jura getrennt wird. Es heißt auch die Oberpfälzische Ebene und ist die nördliche Fortsetzung des Alpenvorlandes. Der südliche Teil des Waldes gehört fast ganz zum Kreise Niederbayern, der nördliche samt seinem Vorlande zur Oberpfalz.
II. Bewässerung.
Die Gewässer des Gebirges gehen teils zur Donau, teils nach Böhmen zur Elbe. Die Wasserscheide bilden der Oberpfälzer und der Hintere Wald. – Die dem Oberpfälzer Walde entspringenden Gewässer werden in der Naab gesammelt, die an der Westgrenze des Gebirges entlang fließt und im allgemeinen eine südliche Richtung einhält. Von rechts empfängt sie die Vils. – Die Abflüsse des Hinteren Waldes werden größtenteils durch den Vorderen Wald gehindert, sich direkt in die Donau zu ergießen. Ein Teil derselben wird von der Ilz gesammelt, die bei Passau in die Donau mündet. Der größere Teil aber sammelt sich im Regen, der erst in der Senke zwischen Vorderem und Hinterem Walde nach Nordwesten fließt, dann aber seine Richtung ändert und durch die Ausläufer des Vorderen Waldes in südlicher Richtung zur Donau geht.
III. Klima.
Das Klima des Böhmerwaldgebirges stimmt mit dem der Alpen ziemlich überein. Nur die Thäler der Naab, des Regen und der Ilz erfreuen sich günstigerer Witterungsverhältnisse. Auch die Niederschläge fallen reichlich, besonders im Vorderen und Hinteren Walde.
IV. Bevölkerung.
Die Bevölkerung sinkt nirgends unter 40-60 E. per qkm trotz der vielfach ungünstigen Erwerbsverhältnisse. Nicht unwichtig ist die Gewinnung von Graphit und Porzellanerde in der Gegend von Passau; doch finden hierdurch nur wenige hundert Menschen den Lebensunterhalt. – Bergbau auf Eisenerze wird nur mehr spärlich betrieben, am stärksten noch in der Gegend von Bodenmais am Fuße des Arber. – Von Industriezweigen hat sich bisher nur einer ansässig gemacht, die seit Jahrhunderten eingeführte Glasfabrikation und Spiegelmanufaktur*, besonders in der Gegend von Regen am Fuße des Arber, sowie bei Vohenstrauß im Oberpfälzer Walde.
Der Haupterwerb ist der landwirtschaftliche; doch herrscht im Bereiche des Oberpfälzer Waldes, wo der Wald mehr gelichtet ist als im Süden, die Feldwirtschaft vor; im südlichen Teile die Waldwirtschaft. Die Bewohner leben übrigens großenteils in ärmlichen Verhältnissen. Im Norden ist der Boden wenig ergiebig und noch dazu sehr zerstückelt, im Süden liegt der Wald fast ganz in den Händen des Staates, so daß die Bevölkerung fast nur vom Taglohn lebt. Besser als im Böhmerwalde gestalten sich die Erwerbsverhältnisse auf dem schmalen Vorlande des Gebirges.
In der Gegend von Amberg und Schwandorf vereinigen sich nämlich Kohlenflöze des Naabgebietes mit reichen Eisenerzlagern des anstoßenden fränkischen Jura. Es sind daher die natürlichen Vorbedingungen für Bergbau und Industrie weit mehr gegeben als in dem angrenzenden Waldgebirge. In der Maximilianshütte, zwischen Regensburg und Schwandorf, hat sich denn auch eine großartige Eisenindustrie entwickelt. Auch der Ackerbau wird durch Boden und Klima mehr begünstigt als im höhergelegenen Walde.
Die Bevölkerung des Gebirges wie des Vorlandes ist, abgesehen vom Sulzbacher Gebiete, dessen Bewohner sich zum Protestantismus bekennen, katholisch.
V. Wohnorte.
Recht unbedeutend sind die Ortschaften des Vorderen, Hinteren und Oberpfälzer Waldes. Der wichtigste Platz ist hier wohl der niederbayerische Markt Zwiesel in der Nähe des Arber mit 3100 Einwohnern. – In der Further Senke liegen die uralten Städtchen Cham am Regen, 3500 E., und Furth (im Wald), 4600 E. – An der Naab: Weiden, 5500 E., und Schwandorf, 4100 E.; beide Orte sind Eisenbahnknotenpunkte. – An der Vils: Amberg, 16000 E. mit einer königlichen Gewehrfabrik und wichtigen Eisenwerken in der Umgebung. – An den Ufern der Vils: Sulzbach, 4700 E. – Mit Ausnahme von Zwiesel liegen all diese genannten Orte in der Oberpfalz.
VI. Verkehrslinien.
In dem Vorlande des Böhmerwaldes läuft eine Eisenbahnlinie von Regensburg über Schwandorf und Weiden nach dem böhmischen Orte Eger; sie vermittelt den Verkehr zwischen dem Alpenvorlande und Norddeutschland. Das Gebirge selbst wird in der Further Senke durch eine von Schwandorf abzweigende Linie durchzogen; auf ihr bewegt sich der Verkehr zwischen der Donau-Hochebene und Böhmen. – Von der südnördlichen Linie gehen noch weitere Linien aus, so Regensburg – Nürnberg, Schwandorf – Nürnberg und Weiden – Bayreuth. Die beiden ersteren durchsetzen den Jura, die letztere zieht in dem Vorlande zwischen Jura und Fichtelgebirge. – Im südlichen Teil des Böhmerwaldes vermittelt die Verbindung mit Böhmen die nach Eisenstein führende Linie.
* Manufaktur (wörtlich: Handarbeit) – Fabrikation überhaupt, insbesonders solche ohne Maschinen.
Quellen:
Geographie f. Volksschulen v. Dr. Michael Geistbeck. Verlag v. R. Oldenbourg.
Abteilung für Schulbücher. Fünfte, durchgesehene Auflage. München. 1890. Erster Teil.
Das Königreich Bayern. Seite 17-19.