Freistaat oder Königreich?
Wie kam es zum sog. Freistaat Bayern? Einst Herzogtum, dann Fürstenstaat und endlich Königreich – Seit dem Jahr 1180 wurden die bayerischen Lande durch das Haus Wittelsbach regiert.
Die Familie Wittelsbach wirkt bis heute für den Erhalt und die Eigenstaatlichkeit Bayerns, ist auch im sog. Freistaat präsent geblieben, wird geachtet und ist beim Volk beliebt. Kein Groll ist zu spüren zwischen Volk und Königsfamilie. Ein merkwürdiges Verhältnis eines Volkes zu einem Herrschergeschlecht, das es angeblich in einer Revolution verjagt hat. Grund genug, der Frage nachzugehen, wie es dazu kam, daß unser geliebtes bayerisches Vaterland, welches seit dem Jahre 1806 ein gedeihendes Königreich war, zu einem sog. Freistaat wurde.
November 1918.
„Nicht die strukturelle Schwäche der monarchischen Idee, nicht die vermuteten oder tatsächlichen Verfallserscheinungen innerhalb der bayerischen Monarchie und auch nicht die angeblich unüberwindlichen sozialen und gesellschaftlichen Spannungen der Prinzregentenzeit lassen am Ende des Krieges die Revolution siegen. Resignation, Kriegsmüdigkeit und Friedenssehnsucht bestimmen das Bewußtsein, haben eine Stimmung geschaffen, in der dann der Umsturz erfolgreich betrieben werden kann. Auf diesem Hintergrund konnte die Beseitigung der Monarchie unter dem Motto der Kriegsbeendigung erfolgen.“1
Ludwig III. war der erste deutsche Fürst, der im Zuge der Novemberrevolution das Zepter aus der Hand geben mußte. Die These von den Bayern, die ihren Herrscher verjagten, greift zu kurz. Es darf davon ausgegangen werden, daß die von langer Hand geplante Vernichtung des Deutschen Reiches durch ränkeschmiedende Kräfte nicht zufällig zuerst in Bayern zur Vertreibung des legitimen Staatsoberhauptes führte.
Das Selbstbewußtsein und die Autorität des greisen Königs dürfte zum Ende des Krieges bereits gelitten haben. Als junger Mann zog er es vor, Jura, Geschichte und Nationalökonomie zu studieren. In Wirtschafts- und Verkehrsangelegenheiten wurde ihm auch durch seine Zeitgenossen eine hohe Kompetenz bescheinigt. Prinz Ludwig durchlief keinerlei militärische Ausbildung, was untypisch war für einen Wittelsbacher. Folglich hat sich dieses militärische Kompetenzvakuum ab 1914 offenbart. Der König war mit dem Krieg schlichtweg überfordert. Sein Sohn Rupprecht attestierte seinem Vater dann auch eine unrealistische optimistische Sicht auf den Ausgang dieses Waffenganges.
Uneinigkeit zwischen den Häusern.
Ein weiterer Aspekt, warum Bayern hinsichtlich eines Putsches anfällig war, dürfte in den wiederkehrenden Zänkereien zwischen den Vertretern der Häuser Hohenzollern und Wittelsbach zu finden sein. Wenn auch die großdeutsche Orientierung Bayerns außer Frage stand, kam es immer wieder zu Sticheleien und Provokationen zwischen den beiden Königshäusern der größten deutschen Bundesstaaten. So geschehen anläßlich des Kaisergeburtstags im Jahre 1900. Prinzregent Luitpold hatte angeordnet, die bayerischen Staatsgebäude dieses Mal nicht beflaggen zu lassen, sondern nur die Militärgebäude. Daraufhin schäumte Wilhelm II.: „Na warte Wittelsbach! Du sollst noch das Reich achten und kennen lernen!“2und „Die Sache darf nicht durchgelassen werden. Nie wieder darf die Flagge eines Wittelsbachers eines meiner Schiffe verunzieren.“2
Hinter dem humoristischen Aspekt solcher persönlicher Eitelkeiten lassen derlei Eskapaden gewisse Spannungen zwischen den protestantischen Hohenzollern und den katholischen Wittelsbachern durchscheinen. Ein Hebel, der von zersetzenden Kräften zur Spaltung der Deutschen eingesetzt wird.
Vor dem Hintergrund eines angeschlagenen Herrscherhauses nutzten aufrührerische Kreise um den Revolutionsführer Kurt Eisner die Situation aus. Eisner, der im Januar 1918 wegen Hochverrats inhaftiert und im Oktober wieder freigelassen wurde, gelang es, am 7. November auf der Münchener Theresienwiese, je nach Quelle, zwanzig- bis sechzigtausend Demonstranten zu versammeln. Es handelte sich dabei um eine Kundgebung der Gewerkschaften, der SPD sowie der USPD. Eisner wird nachgesagt, über schier unerschöpfliche finanzielle Ressourcen verfügt zu haben. So soll er zur Durchführung des Putsches im Oktober und November 1918 ca. 165 Millionen Mark (3 Milliarden Euro) ausgegeben haben.
Viele der vor kurzem heimgekehrten kriegsmüden und erschöpften Soldaten schlossen sich den Aufständischen an. Noch in der Nacht vom 7. auf den 8. November flüchtete die Königsfamilie auf Drängen des Innenministers Dandl nach Wildenwarth im Chiemgau.
Exkurs.
Thronverzicht
„Zeit meines Lebens habe ich mit dem Volk und für das Volk gearbeitet. Die Sorge für das Wohl meines geliebten Bayern war stets mein höchstes Streben.
Nachdem ich infolge der Ereignisse der letzten Tage nicht mehr in der Lage bin die Regierung weiterzuführen, stelle ich allen Beamten, Offizieren und Soldaten die Weiterarbeit unter den gegebenen Verhältnissen frei und entbinde sie des mir geleisteten Treueides.“
Anif den 13. November 1918.
Ludwig III
Die sog. Anifer Erklärung vom 13. November 1918 wurde von der neuen Regierung als Thronverzicht interpretiert und als solcher dem bayerischen Volk weisgemacht. „Tatsächlich aber haben weder der König noch andere Mitglieder des Hauses Wittelsbach jemals auf den bayerischen Thron verzichtet.“
Die Entbindung der Beamten von ihrem Eid ermöglichte die Aufrechterhaltung der Verwaltung und verhinderte somit den Ausbruch von Anarchie und Chaos. Bei der Entbindung vom Eid für Soldaten und Offiziere wurde ein mögliches Blutvergießen verhindert.
Die Folgen der Ereignisse.
Anfang November 1918 bildeten sich Soldaten- und Arbeiterräte nach dem Vorbild der sog. Oktoberrevolution in Rußland. Ausgehend von München wurden diese Räte dann auch in zahlreichen weiteren bayerischen Städten gewählt. In der Nacht vom 7. auf den 8. November besetzten die Mitglieder dieser Räte öffentliche Gebäude in München. Am 8. November 1918 waren diese Gremien beteiligt an einer ersten provisorischen Regierung unter Kurt Eisner. In Anbetracht der rasch aufeinander folgenden Ereignisse, darf man von einer im Vorfeld strategisch ausgerichteten Planung ausgehen.
Das leidgeprüfte deutsche Volk wurde in seiner Hoffnung auf friedliche Zeiten nach dem Waffenstillstand und dem Sturz der Monarchien enttäuscht. Hohe Arbeitslosigkeit und Armut führten dazu, daß es immer wieder zu Kundgebungen gegen die neue Regierung kam. So etwa am 7. Januar 1919, als sich viertausend Demonstranten auf der Theresienwiese einfanden mit der Forderung nach einer höheren Arbeitslosenunterstützung. Die Veranstaltung wurde dann von der „Schutzwache“ unter Maschinengewehrfeuer aufgelöst.
Die Unzufriedenheit des Volkes nutzten wiederum kommunistische Kräfte aus, um eine Räterepublik nach sowjetischem Vorbild zu fordern. Tatsächlich wurde am 7. April 1919 die „Räterepublik Baiern“ ausgerufen. Selbsternannte „Volksbeauftragte“ wie Gustav Landauer, Erich Mühsam und Ernst Toller gaben den Ton an. Diese Episode endete am 2. Mai 1919 durch militärische Intervention Preußens, Württembergs sowie eines Freikorps.
10.000,- Mark Belohnung
Ein Zitat Landauers verdeutlicht die politische Zerrissenheit dieser Zeit:
„In der ganzen Naturgeschichte kenne ich kein ekelhafteres Lebewesen als die Sozialdemokratische Partei.“
Es sollte nicht unerwähnt bleiben, daß die Räterepublik nur ausgerufen werden konnte in Folge der vorherigen Machtergreifung durch Sozialdemokraten. Der führende Sozialdemokrat, Kurt Eisner, wiederum wurde bereits am 21. Februar 1919 erschossen von Anton Graf von Arco auf Valley.
Nachdem im Sommer 1919 der „Versailler Vertrag“ unter Dach und Fach war, wurde die völkerrechtswidrige britische Hungerblockade gegen das deutsche Volk aufgehoben. Das folgende Verwaltungskonstrukt namens Weimarer Republik führte dann geradewegs innerhalb weniger Jahre zum finanzpolitischen Kollaps durch eine Hyperinflation und somit einer weiteren Verarmung der Deutschen und somit auch der Bayern.
Die katastrophalen politischen und wirtschaftlichen Zustände der 1920er Jahre bereiteten den Nährboden für die Erfolge der Nationalsozialisten. Die zermürbten Deutschen folgten nur allzu gerne den Heilsversprechungen hinsichtlich einer wiedererstarkenden deutschen Nation.
Zwischen 1918 und 1933 gab es immer wieder Bestrebungen hinsichtlich einer Restauration der deutschen Monarchien respektive des Kaiserreichs. Durch geschickte Propaganda der Regierungen nebst angeschlossener Presse wurden derlei Bestrebungen unterbunden. Die Deutschen entschieden sich in demokratischer Wahl für das nationalsozialistische Regime, infolgedessen Deutschland und die Welt in die nächste Katastrophe schlingerte. Innenpolitisch bedeutsam war u.a. das neue Staatsangehörigkeitsgesetz von 1934, in dem zum ersten Mal eine deutsche Staatsangehörigkeit eingeführt wurde.
Fazit
Der sog. Freistaat Bayern ist ein Polit- und Verwaltungskonstrukt, das 1918 in Folge eines politischen Umsturzes „ausgerufen“ wurde. Die aktuell geltende Verfassung dieses Konstruktes wurde auf Anweisung des US-amerikanischen Militärs als Besatzungsmacht 1946 angefertigt und in Kraft gesetzt. Ebenfalls 1946 wurde die französisch besetzte Pfalz durch die französische Besatzungsmacht per Verordnung von Bayern abgetrennt. Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde der Freistaat Bayern als Bundesland in die BRD eingegliedert.
Es handelt sich bei der Bundesrepublik also um ein merkwürdiges Konstrukt, bei dem fundamentale Bestandteile eines souveränen Staatswesens schlicht fehlen.
Sowohl der Bundestag wie das Bundesverfassungsgericht gehen daher von einem Fortbestand des Deutschen Reiches aus. Im Analogschluß bedeutet das, daß das Königreich Bayern ebenfalls weiter fortbesteht.
Wollen wir weiterhin fremdbestimmt sein durch eine Regierung, die fremde Interessen vertritt bzw. durch EU-Kommissare o. ä. regiert werden oder möchten wir wieder selbstbestimmmte Bayern sein, eingebettet in den souveränen Gesamtstaat Deutsches Reich?
Quellen
1) Körner, Hans-Michael: Geschichte des Königreichs Bayern, München 2006, Seite 199 f.
2) Körner, a.a.O., Seite 185.
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