Die fränkische Schweiz breitet sich im nordöstlichen Franken zwischen den Städten Baireuth und Erlangen aus und wird von den Vorbergen des Fichtelgebirges gebildet. Sie ist schön, sehr schön, malerisch, wild, romantisch und lieblich in reicher Abwechselung. Thäler, von dem weichsten Wieswachs bedeckt und durchströmt von krystallklaren, schäumenden kleinen Flüssen, eingeengt bald von schönen Waldbergen, bald von Felsen, deren Anblick so wild ist, als kämen sie soeben erst aus dem Kampfe der Natur mit dem Chaos (Urgemisch), in ihrem Innern noch voll jener Höhlen oder unermeßlichen Gewölbe, worin die Urwelt ihre organischen Gebilde für die Forschung späterer Zeiträume aufbewahrte; über dies alles schweben auf himmelhohen Klippen Ritterburg an Ritterburg, Schloß an Schloß, Trümmer an Trümmer: Solches zusammen bildet in einem Umkreise von etwa zehn Meilen die fränkische Schweiz; — ein einziger See der wirklichen würde sie bedecken.
Dieses Kleine Gebirgsland wird begrenzt und durchschnitten durch die drei Flüsse: Rednitz, Wiesent und Aufseeß. Die letztere ergießt sich bei Muggendorf in die Wiesent und diese wieder bei Forchheim in die Rednitz. Die Gebirgsart der Felsen ist ziemlich im großen Umfange dieselbe: sie besteht aus grauem, dichtem Kalksteine, welcher jedoch nicht überall von gleichem Alter zu sein scheint. Innerhalb der Höhlen nämlich ist er von gröberem Korne, so daß er sich bisweilen dem körnigen Kalksteine nähert; die Oberflächen mehrerer Berge dagegen scheinen aus mächtigen Lagern einer spätern Formation zu bestehen, die sich von der vorigen durch mehr Dichtigkeit, ein feines Korn und eine Beimischung von unzähligen Versteinerungen von Seetieren auszeichnen. Überall sind die Felsen auf wunderbare Weise zerklüftet, zertrümmert und zusammengesunken, und in einem Umfang von fünf bis sechs Stunden um Muggendorf, dem Hauptorte der Landschaft, herum, durch viele große und kleinere Höhlen, die zum Teil wenig Ähnlichkeit miteinander haben, unterwölbt.
Das Gebiet der sogenannten fränkischen Schweiz verdankt mehr noch, als der Schönheit seiner Thäler, seiner besonderen Naturbeschaffenheit, den wunderbaren Höhlungen seiner Gebirge einen allgemein verbreiteten Ruf und zog durch letztere schon seit Menschengedenken gelehrte Forscher von nah und fern, selbst aus fremden, weit entlegenen Ländern herbei. Deutsche, französische und englische Naturforscher kamen und untersuchten die Klüfte der Felsen und die Beschaffenheit ihrer unterirdischen Dome. Zahlreiche Reisebeschreibungen verkündeten der Außenwelt die Ergebnisse ihrer Forschungen und schilderten nebenher die Lieblichkeit reizender Thäler, die Biederherzigkeit ihrer Bewohner und die romantischen Ansichten der Felsenburgen. So geschah es, daß Jahr für Jahr der Besuch der Muggendorfer Thäler zunahm, und gegenwärtig wallen in jedem Sommer zahlreiche Scharen Fremder von nah und fern nach dem reizend gelegenen Muggendorf, um von hier aus, so ziemlich dem Mittelpunkte, die Thäler zu durchwandern, die Berge zu erklimmen und in die Höhlen hinabsteigen.
Von Forchheim, kommend, betritt man bei Streitberg die fränkische Schweiz. Über diesem Dorfe erheben sich die Burgtrümmer gleiches Namens, die nur noch in wenigen Überresten die Größe des Schlosses verkünden, welches einst hier stand. Ihnen zur Seite westlich droht der sogenannte hängende Stein, auf den Ort hinabzustürzen, eine Drohung, die seit Jahrtausenden Drohung geblieben, von den Bewohnern des Dorfes kaum mehr beachtet wird. Die schönste Aussicht über das Thal, bewässert von der Wiesent, welche der Rednitz entgegeneilt, und geschmückt mit zahlreichen Ortschaften, auch von den Türmen des Städtchens Ebermannstadt, bietet sich von der Höhe Streitberg dar. Verschiedene Höhlen, eines Besuches würdig, öffnen schon hier ihre mächtigen Wunder dem Wißbegierigen.
Auf dem Wege von hier nach Muggendorf stellt sich die Ruine Neideck dar; sie ruht auf schroffen Felsen und umschließt fast in ihren Höfen noch eine im Gebüsch verborgene Steingrotte, welche tief in den Berg führt. Der angenehme Wiesenpfad leitet uns nach dem nahen Muggendorf, einem ansehnlichen Marktflecken, der in der weitesten Öffnung des Thales liegt, und Raum hat, seine friedlichen und zierlichen Wohnungen auszubreiten. Von hier aus besucht man vier höchst merkwürdige Höhlen: die Rosenmüllers-, Oswalds-, Wunders- und Wißhöhle, so benannt nach den Namen ihrer Entdecker. In jeder dieser unterirdischen Wölbungen treten und die wunderbarsten Tropfsteingebilde entgegen; wir finden Lager fossiler Knochen, so wie große Wasserbecken; ferner den Guckhäll, einen der höchsten Punkte der Gegend, und Ludwigs-Wunderhöhle, deren Räume durch den weißen Überzug (Mondmilch) ihrer Wände ausgezeichnet sind.
Auf einer andern Wanderung erreicht man das Dorf Engelhardsberg, und wendet sich von da aus zum Adlerstein, einem hohen, durch eine Treppe zugänglich gemachten Felsen mit herrlicher Aussicht ringsumher bis zum Fichtelgebirge und über alle hervorragende Plätze und Schlösser der Gegend. Vom Adlerstein geht es wieder nach Engelhardsberg zur Riesenburg. Kein von Menschenhänden getürmter Bau, sondern eine natürliche Felsengruppe mit Klippen und Türmen ist die Riesenburg. Verbindende Brücken, Brüstungen, Pallisaden an gefährlichen Stellen sind innerhalb der Felsen angelegt und verdienen den Dank des Wanderers. Wieder in das Thal hinabgestiegen, gelangen wir zu dem schon in der Ferne gehörten Wasserfall bei dem Zusammenfluß der Aufseeß und Wiesent, Toos genannt, dem Mittelpunkte dreier hier zusammenlaufender Thäler. Wir schlagen das Rabenecker ein. Durch die mannigfachste Abwechselung von Felsentürmen und weichen Matten kürzt sich der Weg, und bald blickt die altersgraue Burg Rabeneck erneut in das Thal hinab. Sie liebt hoch und malerisch auf starken Klippen, ist noch keine Ruine, sondern ein bewohntes Schloß, wie auch das eine halbe Stunde weiter gelegene Rabenstein, wo sich eine bedeutende Sammlung fossiler Knochen findet. Unweit Rabenstein sind einige merkwürdige Höhlen: die König Ludwig-Höhle, in deren großartigem, erhabenem Dome der Boden das mehrere Fuß tiefe Lager einer Erde darbietet, welche aus der Verwesung von Tausenden vorweltlicher Tiere entstanden sein soll; ferner die neuentdeckte große Zoolithenhöhle, voller Merkwürdigkeiten für Geologen, in welcher sich namentlich die Überreste der ungeheuren, urweltlichen Tiere, des Mammuts und des Höhlenbären, vielfältig finden. Von dem letzteren sind bereits über vierzig Schädel aus dieser Höhle zu Tage gefördert worden.
Dem Besuche der merkwürdigen Höhlen, welche in den Umgebungen der alten Burgruine Gailenreuth liegen, muß ein ganzer Tag ausschließlich gewidmet werden. Es gibt viele beschwerliche Dinge auf Erden; der Zugang der Kappshöhle gehört zu diesen. Durch Hilfe eines Seiles muß man sich gegen 16 Meter hinablassen, um den halsförmigen Eingang der Höhle zu gewinnen, der sich spiralförmig in fast senkrechter Richtung noch über 30 Meter in die Tiefe hinabzieht. Ein weites, mit den herrlichsten Tropfsteinfahnen und Wasserfällen verziertes Gewölbe thut sich hier dem staunenden Auge auf. Die Tropfsteinfahnen, welche fast den Boden berühren, geben beim Anschlagen einen hellen Klang. Überall hängen die Fledermäuse von der Gattung Hufeisennase an den Felsen. Leider kann diese schöne Höhle wegen ihrer Tiefe nur mit Hilfe eines Flaschenzuges und eines sehr langen und starken Seiles, und auch da nicht ohne Fährlichkeit befahren werden. Die nicht gar weit entfernte Gailenreuther Zoolithenhöhle ist, nach der neuentdeckten bei Rabenstein, die in jeder Beziehung merkwürdigste. Drei bis vier Etagen wölben sich hier übereinander, und jede dieser Etagen ist in verschiedene Kammern geteilt. Diese Kammern sind angefüllt mit Überresten von Bären, Löwen, Hyänen, Wölfen und Katzen. Acht Nürnberger Metzen großer Zähne wurden zusammengelesen. Welche Menge von Tieren muß hier ihr Grab gefunden haben!
Auf einer anderen Wanderung kommen wir ebenfalls durch das Wiesenthal, in welches die Burg Gailenreuth wie aus einem Verstecke herabblickt. Bald darauf zeigt sich auf schwindelnder Höhe das Schloß Gösweinstein, welches, von unten betrachtet, in der That den Anblick gewährt, als könne es von seinen Klippen in das Thal hinabstürzen. Wir erklimmen den Bergrücken und sind überrascht, auch ein hübsches Städtchen auf dieser Höhe zu finden. Es hat eine Wallfahrtskirche, die stark besucht wird, und ein Kapuzinerkloster. Das gut erhaltene Felsenschloß wird vom Städtchen aus auf einer langen, hölzernen, überdeckten Treppe erstiegen, und so überraschend sein Anblick aus der Ferne war, so entzückend ist die Aussicht von seinem Felsenaltane. Vier Thäler breiten sich tief unten am Fuße des Berges aus. Am Abhange desselben aber sind verschiedene Anlagen, Einsiedeleien und Ruheplätze angebracht. Eine Stunde von Gösweinstein treffen wir auf das Städtchen Pottenstein, welches sich durch seine wahrhaft malerische Lage auszeichnet.
*G. v. Heringen. Geographische Bilder. Darstellung des Wichtigsten und Interessantesten aus der Länder- und Völkerkunde. Nach den besten Quellen bearbeitet und herausgegeben für Lehrer und Lernende, sowie für Freunde der Erdkunde von U. Mauer. Erster Band. Vierzehnte Auflage. Langensalza, Schulbuchhandlung von F. G. L. Greßler. 1889. Seite 246-249.