Die Platzierung.
Der Platz für die Halle wurde schon 1810 bei Gelegenheit eines Besuches des Fürsten Taxis gewählt. Im Herzen Deutschlands, nördlich von der ehrwürdigen Karolingerstadt Regensburg, von der Goethe sagt: „Es liegt gar schön, schon die Gegend musste eine Stadt herbeilocken!“, bis zu dem alten Stauf hinab, wo erst Albertus Magnus die geheimnisvollen Gesetze der Naturkräfte zu ergründen strebte, zieht sich eine langgestreckte Hügelkette längs des schönen Donaustromes hin. Eine isoliert sich erhebende Höhe, der Breuberg, sollte das Gebäude tragen. „Groß muss es werden“, schrieb Ludwig an Müller, „nicht bloß kolossal im Raume, Größe muss auch in der Bauart sein, nicht zierlich und hübsch, hohe Einfachheit, verbunden mit Pracht, spreche sein Ganzes aus, würdig werdend dem Zweck!
Feierliche Grundsteinlegung.
Als den schönsten Festtag seiner langen Regierungszeit bezeichnet Ludwig I. selbst den Tag der Grundsteinlegung zur Walhalla bei Regensburg. Am 2. Oktober 1808 hatte der Jüngling an Johannes Müller geschrieben: „Walhalla ist kein Werk für einen Kronprinzen, wäre zu kostspielig; soll ich einst König werden, errichte ich es!“ Seit dieser Zeit aber waren in seinem Auftrag durch Künstlerhand nach und nach die Brustbilder der berühmtesten Deutschen geschaffen worden.
1821 wurde Leo von Klenze mit dem Bauplan betraut. Er entwarf den Riß zu einer Tempelhalle, von einem dorischen Peristyl umzogen, und Ludwig gab seine Einwilligung. Wohl wurden schon damals Wünsche laut, die für die deutsche Walhalla einen Bau in altdeutschen Stil forderten, doch ließ sich nicht ohne Berechtigung entgegnen, ein gotisches Münster sei eben wieder nicht passend zur Aufnahme von Büsten nach antiken Vorbildern. Endlich gedieh der Plan zu Reife.
Am Jahrestag der Leipziger Schlacht 1830 zog eine festlich geschmückte Flottile von Regensburg stromabwärts. Auf beiden Ufern jubelte eine unermäßliche Volksmenge, von der Stadt tönte feierlicher Glockenschall herüber, Böllerschüsse krachten, denen das Echo der Hügel antwortete. Auf der auserwählten Stätte hinter Donaustauf sammelte sich der Kreis der Geladenen. Eduard von Schenk hielt die Festrede, dann machte der König selbst die üblichen drei Hammerschläge. „Möchten in dieser sturmbewegten Zeit,“ sprach er dabei, „fest, wie dieses Baues Steine vereinigt sein werden, alle Deutschen zusammenhalten!“
Von nun an regten sich tausend fleißige Hände am Donaugestade, der königliche Gedanke wurde rasch zur Tat.
Das Bauwerk.
Auch bei diesem Gebäude wurde, wie bei der Glyptothek, den drei Schwesterkünsten Gelegenheit geboten mit vereinten Kräften zu wirken. Durch die Anwendung der Lithochromie im Inneren wurde jene harmonische Pracht erzielt, die auf jeden Beschauer ergreifenden Eindruck ausübt und ihn leicht vergessen macht, daß in der Mischung römischer und griechischer Details in der Halle innere Widersprüche vorliegen. Die Bildwerke in den äußeren Giebeln, die Besiegung der Römer und der Franzosen durch die Deutschen darstellend, gehören zu den bedeutendsten Marmorgruppen, die seit Iktinos’ und Kallikrates’ Zeit überhaupt wieder erstanden. Wie lässt sich ihnen gegenüber am Vorwurf festhalten, Schwanthalers Werke seien nur für den Guss, nicht für den Marmor geschaffen! Mit ihrem Bildner ringen Johann Martin Wagner, der im Saalfries die Entwicklung des deutschen Kulturlebens darstellte, und Christian Rauch durch seine lieblichen Ruhmesgenien um die Palme. Das prächtige eiserne Hängewerk der Decke ist nach Schinkels Idee gefertigt.
Für die Auswahl der Namen und Bildnisse, die in die Halle der Verklärten aufgenommen werden sollten, bleiben im allgemeinen die Bestimmungen des Geschichtsschreibers Johannes Müller von Sommer 1807 maßgebend. Während sich damals, nach dem Siege bei Friedland, in der norddeutschen Hauptstadt französische Frivolität breitmachte, die französischen Marschälle in den Palästen unter den Linden residierten und auf dem Exerzierplatz Feuerwerke abgebrannt wurden, die den Ruhmestempel Napoleons im Strahlenglanz erscheinen ließen, in jenen Tagen der tiefsten Erniedrigung Deutschlands hatte der bayerische Prinz den Entschluß gefasst dem deutschen Genius diesen Ehrentempel, seine W a l h a l l a, zu bauen.
„Es macht den Eindruck“, sagt Döllinger, „wie wenn ehedem römische Senatoren dem von der Niederlage bei Kannä heimkehrenden Konsul Varro entgegengingen und ihm dankten, daß er doch am Vaterland nicht verzweifelt habe.“ Schon bei einem früheren Besuch in Berlin (Neujahr 1807) lenkte er seine ersten Schritte zu Schadow um für seine Walhalla eine Büste Friedrichs des Großen im Auftrag zu geben.
Außer bei Schadow bestellte Ludwig dann noch bei Rauch, Tieck und Wichmann Büsten deutscher Geistesheroen. Während selbst die edelsten Patrioten trübe resignierten, hatte Kronprinz Ludwig niemals das Vertrauen verloren auf die geistige Kraft des Volkes, die früher oder später das Vaterland wieder aufrichten, das Gefühl der Zusammengehörigkeit wecken müsse.
Unter dem Eindruck französischer Ketten.
Damals, als der Prinz täglich gezwungen war mit Berthier, Rey und anderen französischen Marschällen in Berührung zu kommen, war das Gedicht entstanden:
„Auf, ihr Teutschen, sprengt die Ketten,
Die ein Korse euch hat angelegt;
Eure Freiheit könnet ihr noch retten,
Teutsche Kraft, sie ruhet unbewegt…“
Auch auf den Wunsch des Prinzen war Johannes Müller eingegangen, „alle diese Männer, nicht gelehrt, ohne alles Zitat, aber mit lebendiger Vorstellung dessen, was jeder war und was zu sein er uns lehrt, aufzuzeichnen“. Doch starb Müller, bevor er den Plan ausgeführt hatte, und Ludwig übernahm nun selbst die Abfassung kurzer biographischer Skizzen über die „W a l h a l l a g e n o s s e n“. Man mag den Stil barock nennen und den einen und anderen Verstoß gegen die Geschichte tadeln, aber man muss der Objektivität des Verfassers Gerechtigkeit widerfahren lassen.
Zwölf Jahre nach der Grundsteinlegung, wieder am Jahrestag des Leipziger Befreiungskampfes, öffneten sich die ehernen Tore des deutschen Ehrentempels. Unter den Klängen des von Stunz komponierten Walhalla-Liedes schritt der König mit großem Gefolge die majestätische Marmortreppe hinan. Das Gelübde, das er vor 35 Jahren nach der Schlacht bei Jena den zürnenden Walküren geleistet, war gelöst.
Auch bei dieser Feier gab er dem Wunsche Ausdruck, Walhalla solle vor allem zur Stärkung deutschen Sinnes beitragen. Im Jahre 1830 war auch für ein einiges Deutschland kaum mehr als der Grundstein gelegt. Im Laufe der folgenden zwölf Jahre war an dem Bau nicht lässig fortgearbeitet worden, obwohl ein ausschweifender Partikularismus in gleicher Weise wie das Streben nach unbedingter Einheit, das sich zu anarchischer Tendenz verwirrte, die Entwicklung der Einheitsidee schädigte. Aber es waren doch wenigstens die Glieder des deutschen Volkes nicht mehr durch Zollschranken zerrissen und die deutsche Bewegung im Jahre 1840 hatte gezeigt, daß die Widerstandskraft dieser Nation trotz der schwachen Form ihrer Vereinigung nicht mißachtet werden dürfe.
Heiligtum deutscher Ehre.
Ein Herbsttag im Jahre 1870 neigte sich schon zur Küste, als der Verfasser den Eichenwald durchschritt, der die Walhalla auf der Landseite bis zum Gipfel des Berges den Blicken verbirgt, und endlich die herrliche Halle vor sich liegen sah.
„Tretet ein! Auch hier sind Götter.“
Man vergisst die Walhalla nie. Der Kunstkritiker Hermann Riegel, den man nicht der Parteilichkeit für den königlichen Bauherrn oder für den Architekten zeihen wird, gesteht: „Mir ist die Walhalla, deren Lage schon an Ägina erinnert, stets wie ein Tempel des Zeus Pangermanikos erschienen, wie ein wirkliches Heiligtum deutscher Ehre, in dem man Andacht üben kann!“ Welche Erinnerungen werden wach, wenn wir die langen Büstenreihen überblicken! Hier das energische, der Kaiserkrone würdige Haupt Friedrich Barbarossas, dort der herrliche Dürerkopf, der männliche Scharnhorst, der hässliche und doch so anziehende Kant! Die letzten Sonnenstrahlen brachen eben durch das Dachwerk und beleuchteten die Bildnisse Steins und Gneisenaus; allmählich zog sich ihr Schimmer hinüber zu dem ernsten Lutherbild.
„Welch reizendes Bild“.
Trittst du hinaus durch die Erzpforte, welch reizendes Bild! Weithin in der Ebene ein Kranz von Dörfern, deren Namen das altdeutsche Gepräge nicht verleugnen, zu beiden Seiten Hügelgebilde, von Hopfen und Reben überrankt, und mitten in dunklem Forst, vom dämmernden Himmel sich geisterhaft abhebend, die weiße Marmorhalle mit dem hell schimmernden Treppenbau! Das Rauschen der Donau, in der sich schon die Sterne spiegeln, erzählt von alter Macht und Herrlichkeit; die feierliche Stille einer heiligen Einsamkeit lockt in Träume. Zur Walhalla schreiten die Götter auf dem Irisbogen über den Strom. Wie sich Helena und ihre Gespielinnen beim Anblick der Ritterburg, die Phorkyas ihnen zeigt, scheuer Furcht nicht erwehren können, so staunen auch die Schutzgötter Germanias ob der fremdartigen Pracht.
Da blitzen in der nahen Stadt feurige Garben auf! Der Dom, dessen himmelanstrebende Türme der Erbauer Walhallas vollenden half, steht in einem Feuermeer. Die Stadt, in welcher Ludwig der Deutsche begraben liegt, feiert ein deutsches Siegesfest und die Wiedergeburt des Reiches. Das Aufleben der alten nationalen Begeisterung half den deutschen Waffen zum Sieg. Dank den Fürsten, die sich als Träger der nationalen Idee bewährten, ist als schönstes Siegesmal ein starkes, glückliches Deutschland wieder erstanden. Die edlen Wünsche des Gründers des nationalen Heiligtums Walhalla sind damit zur Tat geworden.
Von Karl Theodor von Heigel. Quelle: Lesebuch zur Geschichte Bayerns von Dr. Otto Kronseder 1906, Seite 422-425.