König Karls II. Testament.
Die Blicke aller europäischen Höfe waren auf die spanische Krone gerichtet. Langsam siechte der kinderlose König Karl II. dahin und man fühlte, daß er Thron und Leben bald verlassen werde. Wer der Erbe seiner Reiche werden würde, war die Frage, die alle bewegte. Die Antwort, mochte sie fallen wie immer, musste einen spanischen Erbfolgekrieg nach sich ziehen.
Kaiser Leopold und der König von Frankreich lauerten in gegenseitiger Eifersucht auf den Ausgang. Beide im Geheimen für ihre Zwecke tätig. Kaiser wie König waren mit dem Spanier verschwägert. Beide Fürsten hatten Schwestern von ihm zu Gemahlinen. Da erschien endlich im Oktober 1700 an allen Höfen die Kunde, „König Karl II. habe in einem neuen Testamente Philipp, Herzog von Anjou, den zweiten Sohn des Dauphin von Frankreich (also einen Schwestersohn Max Emanuels) zum Erben seiner Lande ernannt.“ Schon ein Monat darauf endete Karl, der letzte Habsburger in Spanien. Unter lautem Jubel der Spanier zog der neue König Philipp V. in Madrid ein. Zu gleicher Zeit verließ Max Emanuel die Niederlande, die von französischen Truppen besetzt wurden. Er kehrte damit nach 8-jähriger Abwesenheit in sein Vaterland zurück.
Frankreich oder Österreich.
Nun trat der Kaiser Leopold offen als Gegner Frankreichs auf. Er erklärte das Testament des verlebten Königs für ungültig und machte seine Ansprüche auf Spanien geltend. Bei der Entschlossenheit Ludwigs XIV. schien ein Krieg zwischen beiden Mächten unvermeidlich. Es war nun äußerst wichtig, auf welche Seite sich der Kurfürst von Bayern, der in diesem spanischen Erbfolgekrieg voraussichtlich nicht neutral bleiben konnte, hinneigen würde. Beide Parteien ließen es am bayerischen Hofe nicht an Vorstellungen und Bemühungen fehlen.
Für Österreich hatte Max Emanuel in den Türkenkriegen am Rhein und in Italien bereitwillig Blut und Geld geopfert. Er hat dem Kaiserhaus fortwährend die wichtigsten Dienste erbracht ohne je eine Gegenleistung erhalten zu haben. Sogar den versprochenen Brautschatz seiner Gemahlin forderte er bisher noch immer vergebens. Diese eigennützige Politik gegen den Schwiegersohn und treuesten Bundesgenossen, dazu die offenkundige Mißgunst, mit welcher man in Wien damals die Einsetzung des bayerischen Kurprinzen zum Erben Spaniens angesehen hatte, stimmte den Kurfürsten immer kälter gegen Österreich und immer geneigter für Frankreich. Dieses versprach ihm, für den Fall seines Beistandes, sogar die Niederlande.
Der spanische Erbfolgekrieg beginnt.
Im Jahre 1702 brach nun zwischen Frankreich und Österreich der sog. spanische Erbfolgekrieg aus, durch den das Vaterland 11 Jahre lang unendliche Drangsale erlitten hat, und Bayern stand in diesem Kriege auf Seite Frankreichs. Des Kurfürsten Lage war äußerst bedenklich; denn überall sah er sich von Provinzen umschlossen, die strenge zu Österreich hielten. Er sammelte schnell ein ansehnliches Heer, rückte mit diesen nach Schwaben und überrumpelte die Reichsstadt Ulm. Darauf besetzte er die umliegenden Städte. Auf des Kaisers Andringen wurde nun von dem deutschen Reichstage der spanische Erbfolgekrieg zum Reichskrieg erklärt. Somit galt jeder, der wider Österreich stritt, als Feind des Reiches. An die bayerischen Unterthanen erging der kaiserliche Befehl, ihrem abtrünnigen Fürsten nicht mehr beizustehen. Gehorsam und Abgaben sollte sie ihm verweigern.
Doch es wankte keiner. Wohl war durch die bisherigen kostspieligen Unternehmungen Maximilians der Reichthum des Landes erschöpft, die Kassen leer und die Not groß. Aber Treue im Glücke ist nicht hoher Ruhm; erst im Unglück erprobt sich wahre Liebe. Diese wahre Liebe hat Bayerns Volk in den kummervollsten Tagen allzeit am standhaftesten und herrlichsten bewiesen. Alles bewaffnete sich und erwartete in banger Ahnung, aber unerschütterlich dem Fürsten ergeben, das Verhängnis der Zukunft.
Österreich rückt in Bayern ein.
In der Oberpfalz drang zuerst unter tapferem Widerstande der Bayern ein kaiserliches Heer ein; ein anderes kam an der Donau herauf und setzte bei Passau über den Inn. Maximilian kämpfte in mehreren Gefechten siegreich dagegen und vereinigte sich dann bei Tuttlingen an Donau mit einem französischen Hilfskorps, das der Marschall Villars ihm über den Rhein her zuführte.
Eine zweite Armee, die der große Feldherr Vendome befehligte, sollte von Italien aus über die Alpen nach Bayern rücken. Max Emanuel ging sogleich mit etlichen tausend Bayern und Franzosen ins Tirol, eroberte die österreichische Festungen Kuffstein und Rattenberg, nahm die Hauptstadt Innsbruck und besetze glücklich alle Pässe bis zum Brenner, um den Franzosen den Weg durch das Gebirgsland zu öffnen. Da tönten die Sturmglocken auf den Bergen und riefen das kräftige Volk zum Kampfe zusammen. Von steilen Gebirgswänden rollten alsbald Steine und Felsblöcke in die Tiefe hinab, wo das Heer marschierte; hinter Gebüschen und Felsen feuerten geübte Schützen auf die Soldaten und jeder Schuß traf seinen Mann. 3.000 bayerische Krieger waren auf diese Weise in kurzer Zeit zu Grunde gegangen. Das drängte zum Rückzug.
Graf Arko’s heldenmüthiger Tod.
An der Martinswand vorüber führte der Weg durch eine enge Schlucht zwischen Strom und Fels. Noch immer flogen von den Höhen wohlgezielte Kugeln hernieder und streckten manchen Bayer und Franzosen zu Boden. Max Emanuel selbst schwebte in naher Todesgefahr und nur durch seinen Begleiter, den edlen Grafen Ferdinand von Arko, ward er gerettet. Im nahen Gebüsch lauerte ein tirolischer Jäger, mit dem Vorsatze, den Kurfürsten zu erschießen. Da soll der hochherzige Graf, der eben ein viel prächtigeres Gewand trug, als sein Herr, schnell auf die rechte Seite Maximilians geritten sein und den Schützen getäuscht haben, als ob er der Kurfürst wäre. Gleich darauf fiel ein Schuss und Arko, der vermeinte Fürst, stürzte getroffen vom Pferde. Diese heldenmüthige Aufopferung verewigt den Namen des Gefallenen, und ziert ruhmvoll sein Geschlecht für alle Zeiten.
Geschichte von Bayern und der zum Königreiche Bayern gehörigen Provinzen Rheinlandpfalz, Franken und Schwaben, Seite 139-140, in 120 Bildern mit erklärendem Texte, für Schule und Haus. Gezeichnet und herausgegeben von Thomas Driendl, München 1854. Selbstverlag des Herausgebers.