1329. Der Vertrag von Pavia.
Bayern und die Pfalz getrennt.
Wir haben bisher viel vernommen von den Vorgängen im großen deutschen Reiche, von den Wirren und Kämpfen um die Kaiserkrone, von dem Streite zweier hochherziger Fürsten und ihrer Versöhnung. Kehren wir nun wieder zu unserem engeren Vaterlande zurück!
Der Herzog Rudolf von Oberbayern, Ludwigs Bruder, war schon im Jahre 1319 im Ausland gestorben. Seine Söhne Adolf I., Rudolf II. und Ruprecht I. standen während ihrer Minderjährigkeit unter der Vormundschaft ihres Oheims, des Kaisers. Adolf, der älteste, auch der Redliche genannt, verwaltete nach dem Tode seines Vaters die Rheinpfalz, starb aber schon frühzeitig mit Hinterlassung eines Sohnes, Ruprecht II.. Kaiser Ludwig, der edle Fürst, der keinen Groll kannte, behandelte diese Prinzen mit Liebe und Wohlwollen, ohne der Unbilden zu gedenken, die er von ihrem Vater erlitten. Er sorgte, wie die Verhandlungen von Pavia zeigen werden, für die Kinder seines Bruders so warm und väterlich, wie für die eigenen.
Inzwischen hatte der unter französischem Einfluß gewählte Papst Johann XXII. von Avignon aus den Bannfluch gegen Ludwig den Bayern geschleudert und alle Fürsten und Länder, die ihm fernerhin noch treu bleiben würden, mit gleicher Strafe bedroht, weil der Deutsche Kaiser versäumt hätte, sich vom päpstlichen Stuhle in seiner Würde bestätigen zu lassen.
In diesem Kampfe mit dem Papste und seinen Anhängern, in welchem Deutschland an allen Orten, ganz Italien, selbst Frankreich gegen Ludwig aufgewühlt wurde, zeigte dieser in voller Kraft die Größe seines Geistes, der mit seltenem Scharfblicke die Wirren der ränkevollen Zeit durchschaute und über sie siegte.
Im Frühling des Jahres 1327 veranstaltete der Kaiser einen Zug nach Italien. Dort dauerte in den lombardischen Städten Florenz, Pisa und Siena der blutige Parteikampf zwischen den Welfen und Ghibellinen noch fort, nachdem in Deutschland diese Geschlechter längst erloschen waren. Den Ghibellinen zu helfen, die seinen Beistand angerufen, dann sich selber die lombardische und römische Krone zu holen, war des Kaisers Absicht.
In Innsbruck nahm er von Friedrich dem Schönen Abschied, der ihn bis dahin begleitet hatte. Es war ihre letzte Umarmung, denn sie sahen sich nicht wieder. – In Mailand hielt Ludwig prächtigen Einzug und schmückte sein Haupt mit der eisernen Krone Lombardiens, seine Gemahlin Margaretha von Holland mit einer goldenen. Von da wurde der Zug nach Rom fortgesetzt. Doch ehe man die heilige Stadt betrat, ward des Kaisers Sache nochmal von gelehrten Theologen untersucht und für gerecht befunden. Dann zog er in Rom ein und ließ sich hier, wie seine Gemahlin (im Januar 1328) von zwei Bischöfen, die des Papstes Stelle vertraten, feierlich zum römischen Kaiser krönen. Frühzeitig von Hilfsmitteln entblößt, mußte Ludwig seinen Rückzug beginnen, noch ehe das von seinen Gegnern immer neu aufgeregte Italien völlig beruhiget war.
Wohl oft schon mochte der Kaiser, um die Ruhe in seinem eigenen Hause zu erhalten, daran gedacht haben, die Erbfolge-Verhältnisse zwischen ihm und seines Bruders Söhnen endlich zu ordnen. Auf seinem Rückmarsche aus Italien verweilte er längere Zeit in der mailändischen Stadt Pavia. Hier nun gründete Ludwig mit den rudolfischen Prinzen Rudolf II. und Ruprecht I., die beide in seinem Gefolge waren, (der älteste Bruder Adolf war bereits todt) den berühmten Wittelsbachischen Hausvertrag, der von dem Ort seiner Entstehung „der Vertrag von Pavia“ genannt wird. Demgemäß wurden die Erblande von Bayern (mit Ausnahme von Niederbayern, wo noch die Söhne der Herzöge Otto’s III. und Stephan’s I. regierten) derart geteilt, daß die Rheinpfalz mit dem größten Theile des Nordgaues — der von jetzt an die Oberpfalz genannt wurde — an die Söhne Rudolfs und ihre Nachkommen kam, Ludwig aber und seine Nachkommenschaft Oberbayern mit München und einige Besitzungen im Nordgau behielt. Auf daß das Wittelsbachische Hausgut niemals zersplittert würde, ward ferner festgesetzt, daß das beiderseitige Gebiet unveräußerlich sei, d. h. nichts davon an Fremde verkauft oder verschenkt werden dürfe; daß beim Aussterben einer Linie die andere ihr Besitzthum erben und die Kurwürde zwischen beiden wechseln solle.
Durch diesen Vertrag — errichtet zu Pavia den 4. August 1329 und bald darauf von allen Kurfürsten bestätigt — entstanden nun Hauptlinien des Wittelsbacher Regentenstammes, die rudolfische oder pfälzische Linie, deren Stammvater Ludwigs Bruder Rudolf ist, und die ludwigische oder bayerische Linie, die eben den Kaiser Ludwig zum Stammvater hat. Die Pfalz war von nun an von Bayern getrennt und blieb es auch, bis die bayerisch-ludwigische Linie mit dem Kurfürsten Maximilian III. (1777) erlosch und so nach der Bestimmung dieses Vertrags über das wechselseitige Erbrecht die beiden Länder wieder vereinigt wurden.
Eine Scene aus den Verhandlungen in Pavia, die eines der wichtigsten Staatsgrundgesetze von Bayern bilden, ist der Gegenstand des Bildes. Umgeben von mehreren Vornehmen und Adeligen, die als Zeugen des vorgehenden Aktes anwesend sind, sehen wir Ludwig den Bayern an einem Tische sitzen, auf welchem die gefertigte Vertrags-Urkunde niedergelegt ist. Neben ihm stehen seines verstorbenen Bruders Söhne, Rudolf und Ruprecht, von welchen der erstere dem Kaiser eben zur Unterzeichnung des folgenreichen Dokumentes die Feder reicht.
Quelle: Geschichte von Bayern und der zum Königreich Bayern gehörenden Provinzen. Selbstverlag Thomas Driendl, München, 1845, Seite 76.