Frei nach Dr. Hans Reinlein.

Der Deutsche Bruderkrieg.

I. Wilhelm I. 1861-1888.

a) Wilhelm als Prinz.

Jugend.

Wilhelm wurde am 22. März 1797 geboren. In seinen Knabenjahren war der Prinz sehr schwächlich; seine Mutter Luise hatte oft große Sorge um ihn. Die Flucht von Königsberg nach Memel 1807 mitten im kalten Winter hatte seine Gesundheit so sehr angegriffen, daß er noch lange Zeit nachher das Bett hüten mußte. Im Alter von 13 Jahren raubte ihm der Tod die geliebte Mutter; das erschütterte ihn tief. Noch als Greis ehrte er ihr Andenken bei jeder Gelegenheit. Als sein Vater 1813 mit dem Kronprinzen gegen die Franzosen ins Feld rückte, da wäre er gar zu gern mitgegangen, aber der König sagte:„Du bist ja so schwächlich! Du kannst nicht mit!“ Der Prinz mußte sich fügen und blieb zu Hause. Nach der Schlacht bei Leipzig besuchte er seinen Vater im Felde. Alle seine Kameraden waren inzwischen ausgerückt. Das schmerzte ihn. Der König bemerkte es und sagte: „Auch du sollst avancieren.“ „Aber wie kann ich mit Ehren avancieren,“ entgegnete der Prinz, „da ich hinter dem Ofen gesessen, während mein Regiment kämpfte?“Kurze Zeit darauf erhielt er Erlaubnis, mit in den Krieg zu ziehen. Er schloß sich an Blücher an und rückte mit ihm in der Neujahrsnacht von 1813-14 über den Rhein. Überall bewies er seinen Mut und seine Unerschrockenheit.

Als Soldat mit Familienleben.

Nach den Befreiungskriegen widmete sich der Prinz ausschließlich seinen Soldatenpflichten, und als „erster Soldat” des Königs leuchtete er als ein edles Beispiel treuer Pflichterfüllung bald allen voran. Im Jahre 1829 vermählte er sich mit der Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar. In stiller Einfachheit verlebte das prinzliche Paar seine ersten Jahre meistens in Potsdam auf dem Schlosse Babelsberg. Während der Prinz seinen Dienst versah, widmete sich die Prinzessin ganz der Erziehung ihrer beiden Kinder, des nachmaligen Kaisers Friedrich III. und der Prinzessin Luise (jetzt Großherzogin von Baden). Als 1848 in Berlin der Aufruhr wogte, da richtete sich der Haß besonders gegen das Militär und den, der die eigentliche Seele der Armee war, den Prinzen Wilhelm. Der König riet ihm daher, auf einige Zeit nach England zu gehen. Der Prinz folgte diesem Rate. Bald nach seiner Rückkehr übertrug ihm der König den Oberbefehl über die Armee, die mit den Reichstruppen die Ruhe in dem aufrührerischen Baden wieder herstellen sollte. In sechs Wochen hatte der Prinz die Aufgabe gelöst.

b) Wilhelm als König (1861-1888).

Krönung.

Nach dem Tode seines kinderlosen Bruders Friedrich Wilhelms IV. ließ sich Wilhelm in Königsberg zum Könige krönen. Unter ihm erfüllte sich endlich, was des Volkes „Wunsch und Sehnen“ war. Im Verein mit willensstarken Männern wie Bismarck, Roon und Moltke wurde endlich das Deutsche Reich unter einem Kaiser wieder geeint (1871).

Sorge für das Heer.

Der König sah ein, daß Preußen nur mit Hilfe einer starken Armee eine achtunggebietende Stelle einnehmen könne. Die vorhandene genügte ihm aber nicht. Er war der Ansicht, daß sie nicht nur vergrößert werden müsse, sondern auch einer Verbesserung dringend bedürftig sei. Vor allem war es ihm um allgemeine Durchführung der Wehrpflicht, um Innehaltung einer dreijährigen Dienstzeit und Verkürzung der Landwehrpflicht zu tun. Bei dieser Neubildung des Heeres fand er an seinem Kriegsminister von Roon und dem Leiter des Generalstabes von Moltke vorzügliche Berater. Da aber diese geplante Neubildung der Armee bedeutende Kosten verursachte, so wollte der Landtag die erforderlichen Geldmittel dazu nicht bewilligen. Jetzt berief der König den bisherigen Gesandten in Paris, von Bismarck-Schönhausen, zum Ministerpräsidenten. Dieser erklärte, daß die deutsche Frage nicht durch Reden, sondern nur durch Blut und Eisen gelöst werden könne. Deshalb aber müßte jeder Vaterlandsfreund auch das Mittel zu diesem Zweck, die Neubildung der Armee, gutheißen. Da er aber kein Verständnis bei den Abgeordneten fand, so wurde die Umgestaltung des Heeres schließlich ohne Zustimmung des Landtags durchgeführt. Bismarck hoffte, daß die Zukunft ihm recht geben würde.

c) Der Deutsch-Dänische Krieg 1864.

Die Herzogtümer Schleswig und Holstein hatten früher ein eigenes Herrscherhaus. Als dieses aber im 15. Jahrhundert ausstarb, wählten sich die Schleswig-Holsteiner den König von Dänemark zu ihrem Herzoge. Er mußte ihnen in einem Vertrage die Zusicherung geben, daß die Herzogtümer niemals Dänemark einverleibt werden sollten. Als aber 1863 ein neuer König den dänischen Thron bestieg, erklärte er Schleswig für eine dänische Provinz und strebte immer mehr dahin, deutsche Sprache und deutsches Wesen aus Schleswig zu verdrängen. Damit war jedoch der Deutsche Bund nicht einverstanden und die beiden Großmächte desselben, Österreich und Preußen, schickten unter dem Generalfeldmarschall Wrangel ein Heer in die Herzogtümer, die Freiheit der Schleswiger zu erkämpfen. Nach mehreren Mißerfolgen zogen sich die Dänen nach den Düppeler Schanzen zurück. Diese wurden mit der größten Tapferkeit und Todesverachtung von den Preußen gestürmt. Mit dem Rest ihres Heeres zogen sich die Dänen auf die Insel Alsen zurück. Nach kühnem Übergang über den schmalen Meeresarm, der diese Insel vom Festlande trennt, eroberten die Preußen Alsen und entschieden damit den endgültigen Sieg über die Dänen. Im Frieden zu Wien trat Dänemark die beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein an Österreich und Preußen ab.

d) Der Deutsche Krieg 1866.

Ursache.

Die Herzogtümer Schleswig und Holstein wurden anfänglich von Österreich und Preußen gemeinsam verwaltet. Es kam jedoch bald zu Streitigkeiten, und es gelang nicht mehr eine Einigung zwischen den beiden deutschen Großmächten herbeizuführen. So kam es zum deutschen Bruderkriege von 1866. Der Bundestag in Frankfurt beschloß mit neun gegen fünf Stimmen den Krieg gegen Preußen. Sofort traten Preußen und die sich ihm anschließenden Staaten (Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig, u.a) vom Deutschen Bunde zurück, der damit sein Ende erreichte. Noch einmal bot Preußen seinen nächsten Nachbarn (Sachsen, Hannover, Kurhessen und Nassau) den Frieden an, jedoch vergeblich. Drei Tage später waren diese Länder von Preußen besetzt.

In Böhmen.

Das österreichische Heer stand in Böhmen unter Benedek. Mit drei großen Armeen rückten ihm die Preußen entgegen. Die erste befehligte Prinz Friedrich Karl, die zweite der Kronprinz, die dritte oder Elbarmee General Herwarth von Bittenfeld. König Wilhelm übernahm den Oberbefehl über das preußische Heer; der Generalstabschef Moltke stand ihm zur Seite. Kühn wurde die Grenze überschritten und der Feind zurück geworfen.

Königgrätz 3. Juli 1866.

Auf einer Anhöhe zwischen Königgrätz und Sadowa stand Benedek mit der Hauptarmee. Der König erhielt am 2. Juli, abends um 11 Uhr, vom Prinzen Friedrich Karl die Nachricht, daß er den Feind ganz nahe vor sich habe. Sofort ward beschlossen, den Feind anzugreifen. Zunächst begann Friedrich Karl allein den Angriff. Doch der Vormarsch ging sehr langsam. Der Boden war von dem Regen aufgeweicht, und die Räder der Geschütze schnitten tief in den lehmigen Boden ein. Um 9 Uhr griff auch Herwarth von Bittenfeld mit ein. Die Geschosse der an Zahl weit überlegenen Feinde richteten viel Unheil an, aber die Tapferen wichen nicht zurück. Sechs Stunden lang hielt Fransecky mit seinem Korps gegen eine dreifache Übermacht im Walde vor Sadowa stand. Als er dann doch bis auf das Dorf zurückweichen mußte, rief er aus:„Nicht weiter zurück, hier sterben wir!“

Schon um 8 Uhr erschien der König auf dem Schlachtfelde. Sofort übernahm er den Oberbefehl. Ruhig und majestätisch sitzt er auf seinem schwarzen Streitrosse, ihm zur Seite reiten Bismarck, Moltke, Roon. Unverwandt ist sein Blick auf die Schlachtreihen gerichtet. Dicht neben ihm schlagen Granaten in die Erde, aber er merkt nicht die Gefahr, in der er schwebt. Da reitet Bismarck an ihn heran und bittet ihn dringend, sich nicht so großer Gefahr auszusetzen. Freundlich entgegnet er: „Wie kann ich davonreiten, wenn meine brave Armee im Feuer steht!“ Um 2 Uhr stiegen in östlicher Richtung kleine Rauchwolken auf. Der Kronprinz war eingetroffen und hatte sofort den Feind angegriffen. Jetzt konnten sich die Österreicher nicht lange mehr halten. Immer mehr wurden sie zurückgedrängt, und bald begannen sie zu fliehen. Um 4 Uhr stellte sich der König selbst an die Spitze der Reiterei und leitete die Verfolgung. Am Abend traf er den Kronprinzen auf dem Schlachtfelde und schmückte ihn mit dem Orden pour le mérite. An die Königin sandte er folgende Depesche: „Einen vollständigen Sieg über die österreichische Armee haben wir heute in einer achtstündigen Schlacht erfochten. Ich preise Gott für seine Gnade. Der Gouverneur soll Viktoria schießen.“ Nun ging es gerade auf Wien los. Bald war das Heer nur noch 20 km davon entfernt; die Wiener konnten vom Stephansturm aus schon die preußischen Wachtfeuer sehen.

Langensalza.

Während so der Hauptschlag gegen Österreich in Böhmen geführt wurde, entbrannte gleichzeitig ein Krieg im Westen Deutschlands. Bald nach erfolgter Kriegserklärung rückte der blinde König Georg von Hannover mit seiner Armee nach Süden, um sich mit den Bayern und Württembergern zu vereinigen. Ein preußisches Heer suchte ihn aufzuhalten. Es kam zu einem Gefecht bei Langensalza (27. Juni). Die Hannoveraner siegten; dennoch mußten sie sich am folgenden Tage ergeben, da sie von allen Seiten von einem nachfolgenden preußischen Heere eingeschlossen wurden. Die hannoverschen Soldaten entließ man in die Heimat; der König Georg aber begab sich nach Wien.

Maifeldzug.

Gegen die übrigen Verbündeten Österreichs, die Bayern, Württemberger, Badener und Hessen rückte Vogel von Falckenstein mit einer Armee heran. Er besiegte die Bayern bei Kissingen und besetzte dann die alte Bundesstadt Frankfurt, später auch Nassau und Oberhessen. Als er darauf nach Böhmen gerufen wurde, übernahm General von Manteuffel den Oberbefehl und besiegte die süddeutschen Truppen in heißen Gefechten.

Friede.

Jetzt sah sich der Kaiser von Österreich genötigt, um Waffenstillstand zu bitten. Am 23. August kam der Friede zu Prag zustande. Darin wurde festgesetzt, daß Schleswig-Holstein, Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt a. M. an Preußen fallen sollten. Österreich mußte aus dem Deutschen Bunde ausscheiden. Preußen errichtete nun den Norddeutschen Bund, in welchem es die Führung übernahm. Die Fürsten und freien Städte waren durch Gesandte im Bundesrat vertreten und das Volk durch seine gewählten Abgeordneten im Reichstage. Bundesrat und Reichstag berieten die Gesetze. Die Regierungsgeschäfte leitete der Bundeskanzler Graf Bismarck. Heer, Flotte, sowie Zoll-, Post- und Telegraphenwesen waren gemeinsame Angelegenheiten des Bundes. Auf der Grundlage des Norddeutschen Bundes ist dann später das Deutsche Reich aufgebaut worden. Der Norddeutsche Bund schloß mit den süddeutschen Staaten ein geheimes Schutz- und Trutzbündnis, demzufolge der König von Preußen für den Fall eines Krieges den Oberbefehl auch über alle Truppen der süddeutschen Staaten erhielt.

Quelle: Bayerisches Realienbuch. Hans Reinlein. Seiten 123-142.