Seine Majestät Ludwig II. Otto Friedrich Wilhelm von Bayern, wurde am 25. August 1845 auf Schloß Nymphenburg geboren. Er entsprang der Ehe zwischen König Maximilian II. und Prinzessin Marie von Preußen.
Bereits als 18-jähriger Jüngling bestieg Ludwig in ernster Zeit den bayerischen Thron. Wie sein Vater, so glaubte auch er an eine Erneuerung des Deutschen Reiches auf der Grundlage der alten Bundesverfassung. Als aber das Jahr 1866 zeigte, daß es unmöglich sei, Österreichs Vorherrschaft aufrechtzuerhalten, fügte er sich mit weiser Einsicht in die geänderte Sachlage und hielt an den mit Preußen geschlossenen Verträgen unerschütterlich fest. In kerndeutschem Empfinden schlossen sich Bayerns Fürst und Volk der großen Bewegung an, die zu den ruhmvollen Kämpfen gegen Frankreich und zur Errichtung des Deutschen Reiches führte.
Zur Blüte der vaterländischen Industrie und namentlich des bayerischen Kunstgewerbes trug der kunstsinnige Fürst ganz wesentlich bei. Durch die Erbauung und wahrhaft königliche Ausstattung der Schlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee sowie durch die wirksame Unterstützung des großen Tondichters Richard Wagner offenbarte er das hohe Verständnis für die Kunst, das auch er als schönes Erbe der Wittelsbacher von seinen Vätern überkommen hatte. Sein hohes Interesse für Unterricht und Erziehung bekundete Ludwig II. durch die Errichtung der Technischen Hochschule und der Kunstgewerbeschule in München sowie durch die Herstellung eines prächtigen Neubaues für die Akademie der Künste.
In erhebender Weise feierte das bayerische Volk im Jahre 1880 das Jubelfest zur 700-jährigen Regierung der Wittelsbacher, ein Fest, das in seinem ganzen Verlaufe das herzliche Verhältnis kennzeichnete, das Bayerns Volk mit seinem Herrscherhause, mit seinem in kraftvoller Männlichkeit blühenden Könige verband.
Tiefe Bestürzung durchzitterte deshalb das Land, als wenige Jahre danach der verehrte Fürst auf rätselhafte Art und Weise ums Leben kam. Um sein Ende ranken sich seither viele Mythen. Kaum ein Monarch musste mehr Unwahrheiten über seine Person erdulden wie Ludwig II. Zweifellos war er Opfer von Intrigen, Lügen und Verrat.
Auch heute noch, 137 Jahre später, kann der Schleier nicht gelüftet werden. Ein ewig Rätsel wollte er bleiben – es ist ihm wohl gelungen. Machen wir Schluß mit der Verunglimpfung unseres Fürsten und bewahren wir sein Andenken.
Quelle: Bayerisches Realienbuch. Bearbeitet von Dr. Hans Reinlein, Oberlehrer in München Realienbuch Nr. 63, 171. bis 180. Gesamt-Auflage. Bielefeld und Leipzig 1915, Seite 147-148.