1229-1294. Ludwig der Strenge, Herzog in Oberbayern.
Ungeachtet der stürmischen Zeiten hatte Otto der Erlauchte zum Schutze und Wohle seiner Unterthanen viel Gutes im Lande gestiftet.Er gründete den Markt Trostberg, verschönerte Landshut, wo er das Schloß Trausnitz erbaute und umgab mehrere Städte mit festen Mauern. Seine Erblande am Rhein und in Bayern hatte er mit großem Glück erweitert, so daß in Altbayern nun auch die Grafschaften Wasserburg, Valey, Bogen, Wolfratshausen und das meiste Gebiet der ausgestorbenen Grafen von Andechs den Wittelsbachern gehörte.
Otto der Erlauchte hinterließ zwei Söhne, Ludwig und Heinrich. Eine Tochter, Elisabeth, war vermählt an Konrad IV., der nach dem Tode seines Vaters, des Kaisers Friedrich, die deutsche Königswürde erhielt, aber schon nach 4 Jahren durch Gift umkam. Ein Sprößling dieser Ehe war Konradin, geboren zu Landshut, der im Jahre 1268 zu Neapel enthauptet wurde. Mit diesem 16-jährigen Jüngling endete das glänzende Geschlecht der Hohenstaufen – auf dem Blutgerüste -. Ludwig II. und Heinrich XIII. regierten das väterliche Erbe zwei Jahre lang gemeinschaftlich, theilten aber dann, so daß Ludwig Oberbayern und die Rheinpfalz mit der Kurwürde, Heinrich aber Niederbayern erhielt. – Heinrich residierte zu Landshut, Ludwig in der Pfalz zu Heidelberg; in Bayern schlug er, der erste, seine Residenz zu München auf.
Wohl war diese Stadt, kaum ihrer Gründungszeit entwachsen, damals noch klein und unansehnlich. Hohe Ringmauern mit 4 Thürmen und Thoren umschlossen den ganzen Ort. Die Gassen waren eng und schmutzig, die Häuser meistens hölzern und über ihren niederen Dächern ragte nur ein einziges Kirchlein empor. Durch Otto den Erlauchten hatte München ein Spital (zum hl. Geist) und auf dem nahen Gasteigberge ein Leprosenhaus erhalten. Seit des Kurfürsten Hof hier wohnte, bekam die kleine Stadt ein belebteres Aussehen; die Bevölkerung nahm zu, die Häuser mehrten sich und wurden schöner und ansehnlicher gebaut; der Salzzug von Reichenhall, der italienische Handelsweg über Innsbruck und Rosenheim ging hier über die Isarbrücke und führte eine menge Fremder und Kaufleute durch München, so daß diese Residenz bald eine der schönsten und besuchtesten Städte wurde.
Sehr häufig verweilte Ludwig in der Rheinpfalz, wo die Gewaltthätigkeiten der mächtigen Grafen und Ritter seinen züchtigenden Arm erforderten. So hielt er sich einst auch längere Zeit dort auf, indeß seine junge Gemahlin, die holde Maria von Brabant, mit ihrer Schwägerin, der verwittweten Kaiserin Elisabeth, in stiller Abgeschiedenheit auf dem Schlosse Donauwörth lebte. Die Sehnsucht nach dem fernen Gemahle machte der zarten Frau die Stunden der Einsamkeit noch länger und freudenloser. Oft schrieb sie ihm, er möge bald in ihre Arme zurückkehren; immer vergeblich. Da überschickte sie einst an den ihr wohlbekannten Feldhauptmann Heinrich von Hirschau ein versiegeltes Schreiben, worin sie denselben bat, den Fürsten zur baldigen Heimkehr zu bewegen; ein zweiter Brief war an den Herzog selbst gerichtet. Allein der Bote verwechselte beide Schreiben und brachte in Ludwigs Hände den Brief an den Feldhauptmann. Da erwachte in seiner Brust ein schrecklicher Argwohn gegen die ferne Gemahlin. In Unmuth und Erbitterung verließ er eiligst sein Schloß zu Heidelberg und ritt in rauher Winterszeit ohne Rast und Ruh gen Donauwörth. Dort angekommen, stieß er in blinden Jähzorn mit eigener Faust Diener und Fräulein nieder, die ihm ehrerbietig grüßend entgegen kamen. Dann wurde die junge Fürstin in den Schloßhof geschleppt und auf Befehl des rasenden Fürsten sogleich enthauptet. Aber kaum war die blutige That verübt, kam durch untrügliche Beweise der Gemordeten Unschuld an den Tag. Da ergriff Reue und Schmerz den Fürsten – zu spät. Seine Thränen und Verzweiflung weckten die theure Leiche nicht mehr zum Leben. So sehr grämte und härmte er sich über das Geschehene, daß im Volke die Sage ging, vor Jammer und Entsetzen seien des Herzogs Haare in einer Nacht grau geworden.
Die schwere Schuld zu sühnen, gründete Ludwig später an den Ufern der Amper, in traulich stillem Thale, das Kloster Fürstenfeld. In der Geschichte aber trägt er seit jenem blutigen Tage den Beinamen „der Strenge“.
Ludwig war übrigens ein biederer und verständiger Fürst, sparsam im Haushalte, klug und gerecht in seinen Handlungen. – Streng handhabte er in seinen Ländern Ruhe und Ordnung. In jenen Zeiten des unseligen Faustrechts mußte dieß auch die dringenste Sorge jedes einsichtsvollen Regenten sein; denn ganz Deutschland war damals mit großen Unruhen erfüllt. Seit das Kaisergeschlecht der Hohenstaufen verschwunden, war die deutsche Krone zur glanzlosen würde geworden, der jede Macht fehlte. In Deutschland wollte niemand mehr Deutschlands König sein; um Geld bot man den Thron an ausländische Prinzen und Grafen, die aber niemals zur allgemeinen Anerkennung kamen. – Diese traurige Zeit, in der schnell ein Fürst nach dem anderen auf dem deutschen Throne folgte, keiner geliebt und geachtet, keiner groß und stark genug für den Kampf der Zeit, nennt man das Interregnum oder Zwischenreich. Es dauerte vom Untergang der Hohenstaufen bis auf Rudolf von Habsburg (1273-1291) den großen Kaiser, den die Vorsehung erweckte, um Deutschlands Retter zu werden.
Je schwächer und ohnmächtiger in dieser Zeit das Oberhaupt des Reiches war, desto freier und willkürlicher walteten die einzelnen Fürsten und Grafen; auf seinen Burgen trotzte der übermüthige Adel und zog nur herab, um seinen Nachbarn zu befehden, oder auf Straßen und Wegen zu plündern. Niemand war vor solchen Gewaltthätigkeiten sicher; niemand mächtig genug, sie zu verhindern. Nicht selten überfielen die raublustigen Grafen die schutzlosen Städte, nahmen ihnen den durch Handel und Gewerbfleiß erworbenen Reichthum hinweg und mißhandelten Bürger und Frauen. Um sich gegen diese fortwährenden Anfälle zu stärken und zu sichern, schlossen die Städte miteinander Bündnisse, denen auch Fürsten beitraten. So entstand der schwäbische, der rheinische Städtebund und vor Allem der nordische Hansa-Bund, der von den norddeutschen Handelsstädten Hamburg, Lübeck ec. Gestiftet wurde und in kurzer Zeit zu weltgeschichtlicher Macht und Bedeutung emporstieg.
Ludwig der Strenge wurde von dem rheinischen Städtebund, dessen Mitglied er war, gegen die Bedrückungen der übermüthigen Grafen zu Hilfe gerufen. Eiligst zog er nach Heidelberg, sammelte einen Heerbann und begann mit aller Strenge einen Vertilgungskrieg gegen die räuberrischen Großen, fing oder verjagte dieselben und zerstörte und verbrannte ihre Burgen. Noch heute steht auf den Höhen am Neckar und Rhein manche Ruine aus jener Zeit. – Durch die Zerstörung dieser Raubschlösser war dem Faustrecht in den Rheinlanden mächtig gesteuert und wenigstens auf eine Zeit lang der Übermuth der Unruhestifter gebrochen. Ein Blick auf das Bild zeigt uns eine Scene aus diesem Rachekrieg Ludwig des Strengen. – Am Fuße eines Berges sehen wir den Herzog mit seinem Heerbanne, der sich nach beendigtem Kampfe hier gelagert hat. Ludwig, mit strenger Miene, ruft seine Krieger zum Aufbruche, und indem er wieder von dannen zieht, um andere zu züchtigen, zeigt seine strafende Hand nach der eben zerstörten Burg, die auf wildbewachsener Anhöhe in vollen Flammen brennt.
Zusatz:
Heerbann: War ein Begriff in der Reichsheeresverfassung des Heiligen Römischen Reiches für das Aufgebot aller waffenfähigen freien Grundbesitzer zur Heerfahrt, d. h. zu einem Reichskrieg. Es war ein „Aufruf“ des Königs oder auch Herzogs zum Kriegsdienst.
Quelle: Geschichte von Bayern und der zum Königreiche Bayern gehörigen Provinzen Rheinpfalz, Franken u. Schwaben in 120 Bildern mit erklärendem Texte für Schule und Haus S.67-68.