Kurfürst Max II. Emanuel war der Enkel Maximilians I., der am Verlauf des Dreißigjährigen Krieges so lebhaften Anteil nahm. Sein Vater Ferdinand Maria (1651-1679) hatte seinem erschöpften Lande die Segnungen des Friedens erhalten und alle Aufreizungen Frankreichs, den Erwerb der Kaiserkrone anzustreben, in kluger Zurückhaltung abgewiesen. Eifrig war er bedacht, den Wohlstand des Landes zu heben und die Einkünfte des Staates zu mehren. Die so gewonnenen Mittel hatte Ferdinand Maria zum guten Teil dazu verwendet, Kunstwerke zu erwerben und prächtige Bauten in München und dessen Umgebung zu errichten; das Schloss Nymphenburg und die prächtige Theatinerkirche verdanken ihm ihre Entstehung.
Dieser Kunstsinn steigerte sich bei seinem hochbegabten Sohne Max Emanuel zu einer Vorliebe für verschwenderische Pracht, für die der französische Hof ein verlockendes Vorbild bot. Zu dieser Prunkliebe gesellte sich der kriegerische Geist, der dem Kurfürsten viel Ruhm erwarb, sein Land aber aufs Neue in schwere und verderbliche Kämpfe verwickeln sollte. Wie sein Großvater, so widmete auch er dem Heerwesen ganz besondere Sorgfalt und so gelang es ihm mit seinen tapferen Bayern in den Türkenkriegen unvergängliche Lorbeeren zu erringen. Schon bei der Entsetzung Wiens (1683) hatte er an Johann Sobieskys Seite mit dem größten Erfolge eingegriffen, in Gemeinschaft mit Prinz Eugen von Savoyen fast ganz Ungarn zurückerobert, bei der Erstürmung von Ofen (1686) in vorderster Reihe gekämpft und gemeinsam mit Karl von Lothringen den Sieg bei Mohács (1687) errungen. Den größten Ruhm aber erwarb sich Max Emanuel durch die Erstürmung der starken Festung Belgrad (1688).
Max Emanuel führte den Oberbefehl über das 35.000 Mann starke Reichsheer. Nach mehreren erbitterten Angriffen war es ihm trotz heftigsten Widerstandes der an Zahl weit überlegenen Feinde gelungen, die in die Festungsmauer gelegte Bresche zu besetzen. Mit dem Rufe: „Brüder folgt mir nach!“ setzte er in den Graben. Balken wurden als Sturmleitern benutzt. Max Emanuel, obwohl an Gesicht und Schulter verwundet, klomm empor und drang als erster in die Festung ein. Nach zweistündigem hartem Kampfe eroberte „der blaue König“ mit seinen todesmutigen Bayern die Stadt und pflanzte das Banner der Wittelsbacher auf der Burg auf. Die eroberte Stadt und Festungsfahne von Belgrad wird in der Frauenkirche zu München aufbewahrt, Max Emanuels ritterliche Tapferkeit trug wesentlich zu der Entscheidung bei, wodurch dem Kaiser Leopold I. im Frieden von Karlowitz (1699) neben Ungarn Siebenbürgen und Slavonien und im Frieden von Passarowitz (1718) noch weitere slawische Gebiete zufielen. Aber durch seinen Entschluss, sich im spanischen Erbfolgekriege (1701-1714) an Frankreich anzuschließen, brachte er großes Unglück über sich und sein armes Land.
König Karl II., der letzte Habsburger auf dem spanischen Throne, setzte 1698 den sechsjährigen Kurprinzen Joseph Ferdinand von Bayern, einen Enkel seiner Schwester, zum Erben seines Reiches ein. Dadurch entstand eine starke Spannung zwischen den Wittelsbachern und Leopold von Österreich, der gleichfalls Erbansprüche erhob. Schon 1691 hatte Max Emanuel seinen Sitz nach Brüssel verlegt, wohin er von König Karl als Statthalter der spanischen Niederlande gerufen wurde und wo er in königlicher Pracht residierte. Das spanische Erbe schien den Wittelsbachern eine glänzende Zukunft zu sichern. Schon lagen die Schiffe bereit, die den jungen Prinzen in sein zukünftiges Erbreich bringen sollten, als er aus unbekannten Ursachen ganz plötzlich verschied. Der in seinen stolzen Hoffnungen so schwer getäuschte Vater konnte sich des Argwohns nicht erwehren, daß der Wiener Hof bei dem Tode des Kurprinzen die Hand im Spiele habe, und hieraus erklärt sich vor allem die Änderung in der Stellung Max Emanuels zum österreichischen Kaiserhause.
Nach dem Tode Karl II. von Spanien erhoben Leopold I. für seinen Sohn Karl und Ludwig XIV. für seinen Enkel Philipp von Anjon die Waffen. Auf Frankreichs Seite standen nur die Wittelsbacher, auf Seite des Kaisers alle übrigen deutschen Reichsstände, dazu noch England, Holland, Portugal und Savoyen. 1704 kam es zur Schlacht bei Höchstadt a. D. Heldenmütig kämpften hier die Bayern und der Kurfürst zeigte sich im Glanze seiner vollendeten Kriegskunst; aber durch das Ungeschick der Franzosen endete der Kampf mit einem entscheidenden Siege des österreichisch-englischen Heeres unter dem Prinzen Eugen und dem Herzog von Marlborough. Max Emanuel musste mit den Trümmern seiner Armee flüchten und wurde vom Kaiser mit der Acht belegt. Bayern wurde als eroberte Provinz behandelt und von den Österreichern hart bedrückt. Unerschwingliche Kriegssteuern und unerträgliche Einquartierungen lasteten schwer auf Bürgern und Bauern, so dass im Volke immer lauter der Ruf erscholl: „Lieber bayrisch sterben als österreichisch verderben“.
Quelle: Bayerisches Realienbuch. Bearbeitet von Dr. Hans Reinlein, Oberlehrer in München Realienbuch Nr. 63, 171. bis 180 Gesamt-Auflage. Bielefeld und Leipzig 1915, Seiten 82-84..