1290-1312. Niederbayern unter Otto III., Ludwig III. und Stephan I.
Heinrich XIII. hinterließ drei Söhne, Otto III., Ludwig III. und Stephan I., welche nach dem Tode des Vaters die Regierung gemeinsam führten (1290-1296).
Einer dieser Brüder, Stephan, wurde nach dem Tode des Erzbischofes Rudolf von Salzburg († 1. August 1290) auf den erzbischöflichen Stuhl berufen. Doch der Papst Nikolaus IV. verwarf diese Wahl und ordnete eine neue an, aus welcher der Bischof Konrad von Lavant als Erzbischof von Salzburg hervorging. Als dieser mit dem Herzoge Albrecht von Österreich und dem Herzoge Mainhard IV. von Kärnten und Tirol, die beide den Abt Heinrich von Admont als Erzbischof von Salzburg durchsetzen wollten, in Krieg geriet, brachte ihm Otto III. Hilfe. Denn die mit Herzog Albrecht unzufriedenen Steiermärker hatten ihm für den Fall des Waffenglücks als den Herrn Steiermarks anzuerkennen verheißen. Das Unternehmen mißglückte, worauf der Friede zu Linz (24. Mai 1293) zu Stande kam.
Da Ludwig III. am 13. Mai 1296 im siebten Jahre der gemeinschaftlichen Regierung (1290-1296) starb, führten Otto III. und Stephan I. (1296-1310) die Regierung gemeinschaftlich fort. Beide unterhielten mit dem deutschen König Adolf von Nassau (1292-1298) ein freundschaftliches Verhältniß und empfingen von ihm dafür, daß er in Niederbayern Kriegsvolk für die Engländer gegen die Franzosen hatte werben dürfen, eine Summe Geldes auf die Judenschaft in Regensburg angewiesen. Als jedoch Abgeordnete das Geld erheben wollten entstand plötzlich Aufruhr, in welchem einige Bayern ihr Leben und andere ihre Freiheit verloren. Die beiden Herzöge boten, um diesen Frevel zu rächen, ihre Krieger auf und sperrten der Stadt alle Zufuhr ab. Die Bürger, von Hunger in Verzweiflung gebracht, machten einen Ausfall, plünderten und verbrannten Abbach und verheerten noch anderes benachbartes Gut der Herzöge. Diese belagerten nun Regensburg, bis der Bischof Heinrich von Regensburg den Frieden vermittelte. Die Juden zahlten gegen Quittung 2.000, die Bürger 1.000 Pfund Silber als Entschädigung (1297). Gleichwohl dauerte die Geldklemme, in welche die Herzöge durch die doppelte Hofhaltung und die Kriegsereignisse gekommen waren, fort, daher schritten die Herzöge zur Veräußerung oder Versetzung mancher Güter. *)
In dem Kampfe, der sich 1298 zwischen dem Könige Adolf von Nassau und Albrecht von Österreich, dem Sohne Rudolfs von Habsburg, entwickelte, standen die beiden niederbayrischen Herzöge auf der Seite des Ersteren und fochten für ihn in der unglücklichen Schlacht bei Gölheim (2. Juli 1298), wo Adolf Krone und Leben verlor. Sie baten den Sieger um Frieden und erhielten ihn, setzten aber ihr feindseliges Benehmen gegen Österreich teils offen, teils heimlich fort. Das Hinscheiden des Königs Andreas III. von Ungarn (14.Januar 1301) des letzten männlichen Sprossen des Arpadischen Königshauses, brachte über Niederbayern neues Unglück. Der König Wenzel IV. von Böhmen, Karl Robert von Neapel**) und Otto III. von Niederbayern (dessen Mutter Elisabeth eine Tochter des ungarischen Königs Bela IV. war) konnten als Verwandte des Arpadischen Hauses von weiblicher Seite Anspruch auf die Krone Ungarns erheben und jeder derselben hatte einen Teil der ungarischen Magnaten für sich. Wenzel IV. ließ (26. August 1301) seinen Sohn Wenzel V. zu Stuhlweißenburg krönen, rief ihn aber (1304) aus Furcht vor der überlegenen Partei des Neapolitaners Karl Robert aus Ungarn zurück und übergab Otto III. von Niederbayern die ungarischen Reichsinsignien. Zugleich eröffnete er diesem den Weg durch Böhmen und Mähren nach Ungarn, der ihm von den Österreichern versperrt worden war (September 1305). Otto wurde (6. Dezember 1305) zu Stuhlweißenburg gekrönt, bekam aber bald eine Anzahl von Magnaten gegen sich, weil er seine Bayern übertrieben begünstigte. Um sich gleichwohl auf dem Throne zu erhalten, warb er, da seine Gemahlin Katharina schon 1283 gestorben war, bei dem Woiwoden (Herzog) Ladislaus von Siebenbürgen um die Hand einer seiner Töchter. Allein Ladislaus, selbst lüstern nach Ungarns Krone, nahm ihn gefangen. Herzog Otto III. entkam nach einem Jahr der Haft, hielt sich auf der Flucht einige Zeit bei Heinrich III. dem Herzoge von Schlesien und Glogau auf und verlobte sich mit dessen Tochter Agnes. Im Jahre 1308 kehrte er nach Bayern zurück und vermählte sich mit der ebengenannten Agnes zu Straubing (18. Mai 1309).
Während Otto’s Abwesenheit in Ungarn und Schlesien hatte König Albrecht (1298-1308) Niederbayern (1307) überfallen, um an Stephan, der ihm den Durchzug durch Niederbayern gewährt hatte, Rache zu nehmen. Stephan lag eben krank in Landshut darnieder und mußte geschehen lassen, daß Albrecht verheerend und plündernd in Niederbayern vordrang. Der hinterlistige König überlebte diesen Gewaltstreich nicht ein Jahr – er unterlag am 1. Mai 1308 der Waffe seines Neffen Johann, Herzogs von Schwaben, der seitdem Parricida (Verwandtenmörder) genannt wurde. Als nun Heinrich VII. von Luxemburg der neu erwählte König Deutschlands (1308 – 1313) zögerte, dem Sohne des gemordeten Albrecht, Friedrich dem Schönen, die Reichslehen zu verleihen und Böhmen seinem eigenen dreizehnjährigen Sohne zubrachte, da hielt Stephan und der inzwischen heimgekehrte Otto dies für eine günstige Gelegenheit, durch einen Einfall in Österreich die Verwüstung Niederbayerns durch Albrecht zu rächen. Wider Erwarten kam Friedrich der Schöne, der Schlimmes ahnen mochte, eiligst mit einem Heere nach Bayern gezogen, belagerte Ried und verwüstete das platte Land bis Burghausen. Ein allgemeines Aufgebot der niederbayerischen Herzöge und die Geschicklichkeit Hartmanns von Puchberg verschaffte den Bayern bei Schärding (8. September 1310) einen entscheidenden Sieg über die Österreicher. Leider kamen zu den Verheerungen die angerichtet wurden jetzt noch Pest und Hunger und vergrößerten das Elend. Stephan I. selbst starb an der Seuche (21.Dezember 1310). Nun dachte man an Frieden in Österreich und dieser wurde 1311 zu Passau dahin geschlossen, daß gegenseitig Schadensersatz geleistet werden solle.
Den wiederkehrenden Frieden benützte Otto III. zur Rüstungen, um die verlorene ungarische Krone wieder an sich zu bringen. Zur Aufbringung der nötigen Geldmittel verkaufte er durch eine zu Landshut am 15. Juni 1311 ausgestellte Urkunde, welche die „Ottonische Handveste“ heißt, die niedere Gerichtsbarkeit mit Ausnahme des Blutbannes (d. i. des Rechtes über Leben und Tod) an siebzig Adelsgeschlechter und neunzehn Städte und gewährte zugleich das Recht, zur Wahrung dieser Zugeständnisse sich zu einigen oder zu verbündnen).
In der Folge wurde dieses Vorrecht von den Herzögen nach und nach beinahe allen Prälaten und Edelleuten erteilt, so daß am Ende beinahe die Hälfte Bayerns der richterlichen Gewalt der Herzöge entzogen war. Seit dieser Zeit wurden öfter allgemeine Steuern gefordert und die Gewohnheit verwandelte sich allmählig in ein Recht. Aus einzelnen Steuern, die man erhoben hatte, wurden beständige Steuern. Aber auf der anderen Seite hoben sich auch die Güterbesitzer, die nun einmal die Gerichtsbarkeit in ihren Händen hatten, zu einer einflußreichen Stellung empor. Unter dem Namen der „Landstände“ traten sie seitdem als die Stellvertreter der Nation auf und machten nicht bloß dann, wenn es um um die Huldigung oder um die Bestimmung künftiger Erbfolge ging, sondern auch, wenn der Landesherr Krieg führen, Frieden schließen, Geldsummen aufnehmen oder neue Landesgesetze gegeben wurden und fast in allen allgemeinen Angelegenheiten des Landes, ihre Einwilligung zur unentbehrlichen Bedingung.
Otto konnte die begonnene Rüstung nicht vollenden – er erkrankte und starb am 9. September 1312 nachdem er in den zwei letzten Jahren seines Lebens die Regierung Niederbayerns allein geführt hatte.
*) Unter den Gütern, welche veräußert wurden, war das berühmte Wildbad Gastein, welches Ludwig I., der Kelheimer, von der Gräfin Adela von Peilstein-Mören erworben hatte. Es kam (10. März 1297) an Salzburg.
**) Karl Robert von Neapel, ein Enkel des Königs Karl II. von Neapel, hatte Ansprüche auf den ungarischen Thron, weil seine Großmutter Maria, die Gemahlin dieses Karl II. von Neapel, die Tochter des Ungarnkönigs Stephan V. war.
Quelle: Lehrbuch der bayerischen Geschichte für Gymnasien und zum Selbstunterricht bearbeitet von Kr. By. Sattler München, 1868. J. Lindauer’sche Buchhandlung, Seite 115-119.