1273-1291. Rudolf von Habsburg.
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts sank in Deutschland das kaiserliche Ansehen immer mehr. Die mächtigen Großen des Reiches taten, was ihnen beliebte, niemand wollte mehr gehorchen. Da kein deutscher Fürst die Kaiserkrone tragen mochte, so wurden nacheinander zwei Ausländer gewählt. Das waren aber nur Scheinkaiser. Sie hielten sich von Deutschland fern und dasselbe war in der Tat kaiserlos. Dies war eine schreckliche Zeit, es galt kein Recht und kein Gesetz. Es gab keine Richter. Jeder half sich selbst, jeden Streit entschieden die Fäuste und die stärkste behielt Recht.
In dieser Not versammelten sich die Reichsfürsten im Jahre 1273 wieder zur Kaiserwahl. Der Erzbischof Werner von Mainz brachte den Grafen Rudolf von Habsburg in der Schweiz in Vorschlag. Der Graf war nicht mächtig an Land und Leuten, aber ein gar tapferer, kluger und biederer Herr. Auch rühmte man seine Frömmigkeit. Werner hatte Rudolf auf einer Reise nach Rom kennengelernt. An der Habsburg vorüberziehend, bat er den Grafen um sicheres Geleit durch die gefährlichen Alpentäler. Rudolf brachte den Erzbischof ungefährdet über die Alpen. Da sagte Werner beim Abschied: „Wollte Gott, Herr Graf, ich lebte so lange, dass ich euch diesen Dienst vergelten könnte!“ Jetzt gedachte der Erzbischof dieses Versprechens und der Graf von Habsburg wurde deutscher Kaiser.
Rudolf lag eben mit seinem Kriegsvolke vor der Stadt Basel, deren Bürger einige von seinen Leuten erschlagen und andere verjagt hatten. Dahin überbrachte ihm der Burggraf zu Nürnberg Friedrich von Zollern die Botschaft. Rudolf nahm die Krone an. Die Stadt öffnete die Tore, ließ den Kaiser einziehen und schenkte ihm 900 Mark Silber als Beitrag zu den Krönungskosten.
Hierauf begab sich Rudolf mit einem zahlreichen Gefolge nach Aachen, wo ihn der Erzbischof von Köln am 28. Oktober 1273 feierlich krönte. Als die Fürsten dem neuen Kaiser Treue schworen, fand man im Augenblicke das Reichszepter nicht, auf welches der Eid geleistet werden sollte. Da ergriff Rudolf rasch ein Kruzifix und sprach: „Dieses Zeichen, in welchem wir und die ganze Welt erlöset sind wird ja wohl die Stelle des Zepters vertreten können.“ Festlichkeiten aller Art verherrlichten Rudolfs Krönung. Das Volk wurde gespeist und 2.000 Mark Silber unter dasselbe verteilt. Fünf Tage währte das Ritterspiel.
Der neue Kaiser stellte nun Recht und Gesetz im Reiche wieder her. Er zerstörte die Schlösser der Raubritter, welche von ihren Burgen herab Städte und Dörfer überfallen und den Landfrieden gebrochen hatten. Die sich nicht reuig zeigten ließ er hinrichten. Gegen den stolzen König Ottokar von Böhmen, der den armen Schweizergrafen nicht als Kaiser anerkennen wollte, zog er ins Feld. Er besiegte ihn, nahm ihm die Herzogtümer Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain ab und belehnte damit seine Söhne. Diese Länder blieben fortan im Besitze seiner Nachkommen und so wurde Rudolf der Gründer Habsburgischen Hauses das heute noch in Österreich regiert.
Quelle: Deutsches Lesebuch. Für das Bedürfniß ungetheilter Volksschulen bearbeitet. Zweiter Theil: Realienbuch (Ausgabe für protestantische Schulen) Seite 271-272, München 1879.
Bildquelle: Wikipedia, Linsengericht