Einleitung.
Mit dem 1. Januar 1900 ist auch im Königreich Bayern das „Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich“, kurz BGB, in Kraft getreten. Jahrzehnte hatte man an dessen Ausarbeitung gearbeitet. Gleichzeitig wurde die ausschließliche Zuständigkeit des Reichsgerichts gegenüber obersten Landesgerichten auf alle Zivilprozesse erstreckt, in denen sich das erhobene Begehren auf das Bürgerliche Gesetzbuch stützt. Damit ist für Deutschland zum ersten Male in der Geschichte die Einheit auf dem Gebiete des Privatrechts in Gesetzgebung und Rechtsprechung im wesentlichen erreicht.
Ordnung und Inhalt des BGB.
Die Gegenstände des BGB beschränken sich grundsätzlich, wenn auch nicht ausnahmslos, auf die Regelung des reinen Privatrechts. Die Haupteinteilung ist die in wissenschaftlichen Systemen des Privatrechts längst übliche. Einem Allgemeinen Teil (Buch 1), schließt sich der besondere Teil an, welcher in vier aufeinander folgenden Büchern (2 bis 5) das Recht der Schuldverhältnisse, das Sachenrecht, das Familienrecht und das Erbrecht behandelt.
Die Ausarbeitung von Teilentwürfen des BGB wurde fünf Mitgliedern übertragen, für den Allgemeinen Teil Gebhard, für das Recht der Schuldverhältnisse von Kübel, für das Sachenrecht Johow, für das Familienrecht Planck, für das Erbrecht von Schmitt.
Das Familienrecht umfaßt die mit der Familienverbindung in Beziehung stehenden Rechte und Pflichten, und zwar sowohl bezüglich der persönlichen Stellung der Familienglieder als hinsichtlich des Vermögens. Das Erbrecht enthält die Rechtsregeln, nach welchen der Übergang der vermögensrechtlichen Verhältnisse bei dem Tode eines Menschen erfolgt. Im übrigen zerfällt das Vermögensrecht in das Recht der Schuldverhältnisse und das Sachenrecht. Diese Einteilung beruht auf dem zugrunde gelegten Gegensatze zwischen persönlichen und dinglichen Rechten.
Allgemeine Lehre.
Die allgemeinen Lehren umfassen unter anderem die Definition von natürlichen und juristischen Personen und deren Rechtsfähigkeit und Stand (Titel I). So bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch beispielsweise, daß die Rechtsfähigkeit des Menschen von Geburt an besteht. Im Königreich Bayern sowie im gesamten Reichsgebiet gibt es somit keine Sklaven, Unfreie, Friedlose oder Geächtete. Niemandem ist der Schutz des Staates entzogen.
Daneben aber war die der positiven Ordnung weit mehr bedürfende Frage zu erledigen, inwieweit neben dem einzelnen Menschen auch Vereinen, Körperschaften, Stiftungen und Anstalten die private Rechtsfähigkeit zu gewähren sei (Titel II, Juristische Personen).
Familien- und Erbrecht.
Gerade aber das Familienleben findet seine fürsorgliche Regelung durch das Bürgerliche Gesetzbuch. Das Familienrecht regelt die Wirkungen, welche Ehe und Verwandtschaft in persönlicher und vermögensrechtlicher Hinsicht ausüben. Ob Verlöbnis und Eheschließung, Verwandtschaft, das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern, Vormundschaft und Erbschaft, kein Bereich ist der Gewohnheit oder gar Gesetzlosigkeit überlassen. Das Erbrecht bestimmt, auf wen, auf welche Weise und in welchem Umfang die Vermögensrechte und die Verbindlichkeiten Verstorbener übergehen.
Eine großartige Leistung.
Mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch hat die zuständige Kommission ein wahres Kunstwerk deutschen Rechtes geschaffen. International hoch anerkannt und vielfach zum Vorbild genommen, war es damals Ausdruck höchster Rechtskultur.