Über die geschichtliche Entwicklung der bayerischen Heeresgesetzgebung ließe sich vieles sagen. Die Grundlage des bayerischen Heerwesens bildeten, bis die Ereignisse von 1866 deren Unzulänglichkeit dartaten, die Vorschriften des IX. Titels der Verfassungsurkunde und das Gesetz, die Ergänzung des stehenden Heeres betr., vom 15. August 1828 (G.-Bl. B. 73).
Die Verfassungsurkunde bestimmte:
„Jeder Bayer ist verpflichtet, zur Verteidigung seines Vaterlandes nach den hierüber bestehenden Gesetzen mitzuwirken. Von der Pflicht, die Waffen zu tragen, ist der geistliche Stand ausgenommen.“ Indessen waren die gesetzlichen und tatsächlichen Befreiungen von der Wehrpflicht noch viel zahlreicher. Insbesondere war auch die Stellung von Ersatzmännern zugelassen. Die Dienstzeit war nach dem Gesetze sechsjährig. Die Militärpflichtigkeit trat mit dem 1. Januar des Jahres ein, welches auf die Zurücklegung des 21. Lebensjahres folgte.
Einteilung des Heeres.
„Der Staat hat zu seiner Verteidigung eine stehende Armee, welche durch die allgemeine Militärkonskription ergänzt und auch im Frieden gehörig unterhalten wird. Neben dieser Armee bestehen noch Reservebataillons und die Landwehr. Die Reservebataillons sind zur Verstärkung des stehenden Heeres bestimmt und teilen im Falle des Aufgebotes alle Verpflichtungen, Ehren und Vorzüge mit demselben. Die Landwehr kann in Kriegszeiten zur Unterstützung der schon durch Reservebataillonsverstärkten Armee auf besonderen königlichen Aufruf, jedoch nur innerhalb der Grenzen des Reiches in militärische Tätigkeit treten. Zur zweckmäßigen Benützung dieser Masse wird dieselbe in zwei Abteilungen ausgeschieden, deren zweite die zur Mobilisierung weniger geeigneten Individuen begreift und in keinem Falle außer ihrem Bezirke verwendet werden soll.
Die Landwehr umfaßte die nicht zum Dienste in der Armee oder den Reservebataillons verpflichtete streitbare Mannschaft im Alter von 21 bis 60 Jahren. Ein Heerergänzungsgesetz wurde unterm 15. August 1828 (G.- Bl. S. 73) erlassen. Die Verhältnisse der Landwehr waren durch eine Verordnung vom 7. März 1826 (R.Bl. S. 297) geregelt. Im Verfolge der Verhandlungen Bayerns mit den übrigen süddeutschen Staaten auf den Stuttgarter Konferenzen erging unterm 30. Januar 1868 ein neues Wehrverfassungsgesetz (G.-BL. S. 261, 329).
Dieses Gesetz, das sich vorwiegend an das preußische Muster anschloß, teilte die bewaffnete Macht des Königreichs in das stehende Heer (aktive Armee und Reserve mit je 3 Jahrgängen) und die Landwehr (mit 5 Jahrgängen). Die Dienstzeit schloß nach 11 Jahren mit dem 32. Lebensjahre des Wehrpflichtigen. Die allgemeine Wehrpflicht wurde eingeführt, der Überschutz an Pflichtigen der Ersatzreserve 1. und 2. Klasse überwiesen. Die Befreiungen wurden vermindert, das Institut der Einjährig-Freiwilligen angenommen, dagegen die Ersatzmannstellung beseitigt.
Die in Art. 95 des Gesetzes vorgesehene Einrichtung einer Bürgerwehr ist nicht ins Leben getreten. Im Anschluss an Art. 83 des Gesetzes wurde durch Gesetz vom 29. April 1869 (G.-Bl. S. 1325) ein Wehrgeld eingeführt, dessen Entrichtung denjenigen auferlegt wurde, welche nicht in die Lage kamen, die Wehrpflicht zu erfüllen. Diese bayerische Heeresgesetzgebung ist zufolge des Eintrittes Bayerns in das Reich größtenteils alsbald, zu einem andren Teile später außer Kraft getreten. Aufgehoben wurden ferner die bayerischen Bestimmungen über das Militärpensionswesen und über die Militärlasten.
Quelle: Das Staatsrecht des Königreichs Bayern, Max von Seydel. Dritte Auflage 1903, S. 369.