Kreisgemeinden als Gemeindeverband.
Die Kreisgemeinden sind die Gemeindeverbände höchster Ordnung. Jeder Regierungsbezirk bildet zugleich eine Kreisgemeinde. Änderungen im Umfange des Regierungsbezirkes ergreifen von selbst auch die Kreisgemeinde (Landratsges. Art. 1).
Die Kreisgemeinden sind in öffentlichrechtlicher Beziehung Gemeindeverbände, in bürgerlich-rechtlicher Hinsicht juristische Personen.
Mitglieder der Kreisgemeinde sind die Distriktsgemeinden und unmittelbaren Städte des Regierungsbezirkes. Das Verhältnis dieser Mitglieder zur Kreisgemeinde entspricht jenem der Distriktsgemeindemitglieder zur Distriktsgemeinde. Dagegen ist die Verfassung der Kreisgemeinden von jener der übrigen Gemeindeverbände völlig verschieden.
Gewalt der Kreisgemeinde.
Der Inhaber der öffentlichen Gewalt in der Kreisgemeinde ist der König als Träger der Staatsgewalt. Der König ist nicht bloßes Organ der Kreisgemeinde, er ist deren Herr. Die aus Wahl hervorgegangenen kreisgemeindlichen Organe – Landrat und Landratsausschuß – können ebenso wenig, wie der Landtag über den Staat, einen Willen über die Kreisgemeinde äußern. Nur der König und in dessen Namen die Staatsbehörden können dies tun. Die Vertretungsorgane der Kreisgemeinde stehen dem Könige lediglich beratend und beschränkend bei Ausübung seiner Gewalt über die Gemeinde zur Seite, ähnlich wie der Landtag bei Ausübung der Staatsgewalt. Es ist vielleicht kein ganz unzutreffender Vergleich, wenn man die Ortsgemeinde eine republikanisch, die Kreisgemeinde eine monarchisch verfaßte Gemeinde nennt.
Die kreisgemeindlichen Vertretungsorgane haben nur diejenigen Rechte, welche das Gesetz ihnen ausdrücklich zuschreibt. Bei Vergleich der Zuständigkeiten des Landrates und des Landratsausschusses aber ergibt sich, daß ersterer das regelmäßig zuständige Organ ist.
Aus dem Umstande, daß der Träger der Staatsgewalt Träger der öffentlichen Gewalt in der Kreisgemeinde ist, erklärt es sich, daß die Begriffe der Staatsaufsicht und der Staatskuratel für die Kreisgemeinde gegenstandslos sind. Wenn der König Landratsbeschlüsse bescheidet, übt er weder Aufsicht noch Kuratel, sondern seine Gewalt über die Gemeinde.
Vermögensverwaltung und Haushaltung.
Der Schwerpunkt der Bedeutung der Kreisgemeinde liegt in der Führung eines gesonderten Haushaltes. Auf diesem Gebiete sind die Rechte der Kreisvertretung am weitesten bemessen. Die Vermögensverwaltung und Haushaltung der Kreisgemeinden fällt mit jener des Staats nicht zusammen, sie bleibt, wenn auch von Staatsbehörden geführt, doch eine gesonderte.
Anders liegt die Sache auf dem Gebiete der eigentlichen Verwaltungstätigkeit. Hier schwinden die Grenzen staatlicher und kreisgemeindlicher Verwaltung völlig. Es gibt zwar eine gesetzliche Ausscheidung von Staats- und Kreislasten, aber es gibt keine gesetzliche Ausscheidung von Staats- und Kreisgemeindeverwaltung.
Daneben bestehen für die kreisgemeindlichen ähnlich wie für die distriktsgemeindlichen Organe eine Mehrzahl einzelner Befugnisse sowie von Obliegenheiten im Gebiete der Staatsverwaltung.
Quelle: Das Staatsrecht des Königreichs Bayern, Dr. Max von Seydel. Dritte Auflage 1903, S.248.