Reichsland Elsaß-Lothringen 1871 bis heute.
Das unmittelbare »Deutsche Reichsland«, das durch den Friedensschluß zu Frankfurt a. M. vom 10. Mai 1871 von Frankreich an das Deutsche Reich abgetreten wurde, zwischen 5°52´–8°14´ östl. L. und 47°25´–49°30´ nördl. Br. gelegen, bildet die südwestliche Grenzmark Deutschlands gegen Frankreich. Seine größte Ausdehnung von Nord nach Süd beträgt 190 km, von Ost nach West (unter 49° n. Br.) 170 km. Am geringsten ist die Breite des Landes in der Gegend von Schlettstadt und Kolmar und im Süden von Mülhausen, wo sie nur 35 km beträgt. Im Norden grenzt Elsaß-Lohtringen an Luxemburg, die Preußische Provinz Rheinland und die Bayrische Rheinpfalz, im Osten an Baden, im Süden an die Schweiz und Frankreich und im Westen an Frankreich. Von Baden wird es in der ganzen Ausdehnung der östlichen Grenzlinie durch den Rhein geschieden, während gegen Frankreich von der Gegend um Belfort bis zur Saarquelle die Vogesen eine natürliche Grenze bilden.
Seit 1879 steht ein Kaiserlicher Statthalter (seit 1894 Fürst von Hohenlohe-Langenburg) an der Spitze, der einen Teil der landesherrlichen Befugnisse des Kaisers ausübt; ihm zur Seite stehen das Ministerium (4 Abteilungen mit Unterstaatssekretären) unter einem Staatssekretär (Stellvertreter des Statthalters), als beratendes Organ ein Staatsrat (Staatssekretär, Unterstaatssekretäre, Oberlandesgerichtspräsident, Oberstaatsanwalt und 8-10 vom Kaiser berufene Mitglieder) und ein auf 3 Jahre gewählter Landesausschuß (58 Mitglieder) mit dem Rechte, Gesetze vorzuschlagen. Der Kaiserliche Rat (Räte des Ministeriums), eine Art Oberverwaltungsgericht, jedoch mit beschränkter Zuständigkeit. Elsaß-Lothringen entsendet 15 Abgeordnete in den Deutschen Reichstag. Stimmen im Bundesrat 3 (ab 1911).
Das Wappen des Reichslandes Elsaß-Lothringen ist halb geteilt und gespalten; vorn oben in Rot ein von je drei goldenen Kronen beseiteter goldener Schräglinksbalken (Oberelsaß), unten in Rot ein mit Spitzen besetzter silberner Schräglinksbalken (Unterelsaß), hinten in Gold ein roter Schrägrechtsbalken mit drei gestümmelten silbernen Adlern (Lothringen). Der mit einer Fürstenkrone bedeckte Schild ruht auf der Brust des deutschen Reichsadlers. Die Landesfarben des Reichslandes Elsaß-Lothringen sind wie die Reichsflagge Schwarz, Weiß, Rot.
Hauptstadt des Reichslands Elsass-Lothringen.
Straßburg i. E. – 167 342 – 1905 = 24. Platz der größten Städte des Deutschen Reichs.
In Elsass-Lothringen garnisoniert das aus Preußischen, Bayerischen, Sächsischen, Württembergischen und Braunschweigischen Truppen zusammengesetzte XV. Armeekorps sowie Teile des (Badischen) XIV. Armeekorps. Die Rekruten des Landes werden jetzt noch in altdeutschen Truppen eingestellt. Festungen befinden sich in Straßburg, Metz, Diedenhofen, Bitsch und Neu-Breisach.
Wirtschaft.
- Landwirtschaft ist sehr ertragreich. (Weizen, Roggen), hervorragendes Weinanbaugebiet.
- Bergbau eines der wichtigsten Eisenerzlager ist in Lothringen, Steinkohle bei Forbach, reiche Salzlagerstätten.
- Industrie: das Elsaß ist eines der Hauptindustriegebiete des Deutschen Reiches (Eisen, Glas, Chemie).
- Handel ist lebhaft, Vertrieb von Landeserzeugnissen, Durchgangsverkehr nach Frankreich und der Schweiz.
Währungen und Münzen.
Die Einheitswährung Mark und Pfennig löste insgesamt acht Geldsysteme mit 119 verschiedenen Münzsorten wie Taler und Groschen ab. Mit Ausnahme der Vereinstaler, die bis 1908 gültig blieben, wurden diese Münzen zwischen 1873 und 1878 eingezogen. Die französischen Münzen in Elsaß-Lothringen verdrängte man mit einem Trick, indem man sie gegenüber der Reichswährung unter Wert einstufte:
vor 1872: 1 Franc = 100 Centimes,
ab 1872: 1 Mark = 100 Pfennig.
Wenngleich sich bei dem Eindringen der Deutschen Truppen die Elsässische Bevölkerung gegen sie feindselig verhielt und bei den Wahlen für die französische Nationalversammlung im Februar 1871 nur entschiedene Gegner der Vereinigung mit Deutschland gewählt wurden, so wurde doch in den Friedenspräliminarien von Versailles die Abtretung des Elsaß an Deutschland festgesetzt; nur der Distrikt von Belfort, wozu im Frankfurter Frieden (10. Mai 1871) noch einige französisch redende Kantone des Sundgaues kamen, blieb bei Frankreich, im ganzen 660 qkm mit 55,000 Einwohnern. Da man das Land nicht teilen wollte, so wurde das Elsaß mit dem gleichzeitig von Frankreich abgetretenen Departement Mosel (Lothringen, s. d.) vereinigt und das Elsaß zum Reichsland erklärt, über welches das Reich selbst die Herrschaft ausübt. Diese politische Gestaltung wurde vom Deutschen Reichstage genehmigt und am 3. Juni 1871 dem Bundesrat bis zum 1. Jan. 1874 die Diktatur übertragen. Hierauf wurden der bisherige Generalgouverneur Graf Bismarck-Bohlen und der Zivilkommissar Kühlwetter abberufen und das Reichsland nach dem Muster einer Preußischen Provinz organisiert.
Die ehemaligen drei Departements Oberrhein, Niederrhein und Mosel wurden in Regierungsbezirke verwandelt und diese in 22 Kreise geteilt; zum Oberpräsidenten ward v. Möller ernannt und ihm Straßburg als Sitz angewiesen. Als oberste Behörde wurde im Reichskanzleramt eine besondere Abteilung für C. unter dem Unterstaatssekretär Herzog gebildet. Von der Hoffnung erfüllt, daß die Einwohner für die neuen Verhältnisse gewonnen werden könnten, trat die Regierung sehr mild auf; für die Kriegsverluste wurden aus der französischen Kriegskontribution bedeutende Entschädigungen bezahlt, die Steuerlast verringert, das Post-, Telegraphen- und Eisenbahnwesen verbessert, in Straßburg eine Universität errichtet (1. Mai 1872), das Tabakmonopol abgeschafft etc. Aber das alles verfehlte seine Wirkung gegenüber dem französisch gewordenen Mittelstand und dem katholischen Klerus, der durch die Einführung der allgemeinen Schulpflicht (18. April 1871), die Beseitigung der Schulbrüder und Schulschwestern aus den Elementarschulen und durch den Erlaß eines Unterrichtsgesetzes (3. Febr. 1873) zum unversöhnlichen Feind geworden war. Außerdem agitierte die Elsässer Liga von Frankreich aus gegen alles Deutsche, es traten fast gar keine Einheimischen in den Staatsdienst, den altdeutschen Beamten begegnete man überall mit abweisender Kälte. Nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht wurden auf Grund des Frankfurter Friedensvertrags die Einwohner aufgefordert, sich bis 1. Okt. 1872 zu erklären, ob sie Franzosen oder Deutsche Reichsangehörige sein wollten: 160,000 optierten für Frankreich, aber nur 50,000 wanderten wirklich aus; die übrigen, darunter viele Unerwachsene, blieben im Elsaß, beanspruchten aber die Rechte der Fremden, namentlich Befreiung vom Militärdienst, und als die Regierung dies nicht gelten ließ, erhob sich große Entrüstung.
Auch bei den Wahlen äußerte sich die oppositionelle Stimmung. Die Gemeinderäte von Straßburg, Metz und Kolmar mußten 1873 suspendiert werden. Von den im August 1873 gewählten 22 Kreistagen waren nur 14, von den 3 Bezirkstagen war nur einer beschlußfähig, weil zu viele der Mitglieder den Eid der Treue, den sie dem Kaiser leisten sollten, verweigerten. Bei den ersten Reichstagswahlen (1. Febr. 1874) wurden 10 ultramontane und 5 liberale Abgeordnete gewählt, die bei ihrem Eintritt in den Reichstag einen feierlichen Protest gegen die Annexion erhoben, deshalb »Protestler« genannt wurden und zumeist an den Verhandlungen nicht teilnahmen. 1874 kamen die Kreis- und Bezirkstage zustande, und es wurde aus je zehn Mitgliedern der letzteren am 29. Okt. 1874 ein Landesausschuß gebildet, der 1875 zusammentrat und das Budget und andere Gesetzvorlagen in sachlicher Weise beriet. Besuche des Kaisers Wilhelm I. (1876 und 1877) trugen dazu bei, eine versöhnlichere Stimmung herbeizuführen, und es bildete sich eine Autonomistenpartei, deren Ziel die Regierung des Landes durch das Land oder Erhebung des Reichslandes zu einem Bundesstaat war. Dieselbe eroberte bei den Reichstagswahlen 1877 die fünf unterelsässischen Wahlkreise und der Reichstag genehmigte daher am 4. Juli 1879 die Bildung einer selbständigen Landesregierung mit einem Statthalter, einem Ministerium und einem Landesausschuß, dessen Befugnisse erweitert und dessen Zusammensetzung verändert wurde.
Zum Statthalter wurde am 1. Okt. 1879 der Feldmarschall v. Manteuffel ernannt, was ein entschiedener Mißgriff war. Denn der neue Statthalter setzte das zwar bürokratische, aber konsequente und gerechte Regierungssystem Möllers nicht fort, sondern war zu sehr darauf bedacht, sich die Gunst der Bevölkerung zu erwerben. Die französisch Gesinnten konnten Manteuffels Verhalten nur als Schwäche deuten, als Zeichen, daß Deutschland seines Besitzes sich nicht sicher fühle und der Terrorismus der Franzosenfreunde wurde mächtiger als je. Bei den Reichstagswahlen 1881 und 1884 unterlagen die Autonomisten, eine eigne Partei im Reichstag bilden die Elsässer seitdem nicht mehr. Gegenüber der deutschfeindlichen Agitation mußte schließlich auch Manteuffel auftreten, die Agenturen der französischen Versicherungsgesellschaften wurden aufgehoben, durch Reichsgesetz der Gebrauch der französischen Sprache im Landesausschuß verboten und Optanten ausgewiesen. Als der Statthalter am 17. Juni 1885 starb, hatte das Werk der Verschmelzung von Elsaß-Lothringen mit Deutschland Rückschritte gemacht und bei den Reichstagswahlen am 21. Febr. 1887 wurden 15 Protestler gewählt. Manteuffels Nachfolger, Fürst Hohenlohe (1885–94) war etwas glücklicher und hatte gewisse Erfolge zu verzeichnen; die von ihm im Mai 1887 erlassene strenge Paßverordnung für die Westgrenze bezweckte die Fernhaltung der bisher außerordentlich rührigen französischen Agitatoren. Der Erfolg dieser Maßregel blieb nicht aus, 1890 gingen aus den Wahlen drei deutschfreundliche Abgeordnete hervor und zum 21. Sept. 1891 wurde der Paßzwang wieder aufgehoben.
Bei den Wahlen von 1893 und 1898 trat die Protestpartei immer mehr zurück und nur 8 »Elsässer« zogen in den Reichstag ein. Seitdem geht die deutschfeindliche Strömung fast ausschließlich von dem französisch gesinnten katholischen Klerus aus. Nach Hohenlohes Berufung zum Reichskanzler übernahm am 1. Dez. 1894 Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg die Statthalterschaft; wohltätige Reformen bedeuteten die neue Gemeindeordnung sowie die Abänderung der Gebäudesteuer, die Aufhebung der Tür- und Fenstersteuer 1895. An einer allgemeinen Steuerreform wird seitdem dauernd gearbeitet. Von großer Wichtigkeit in bezug auf die lange gehegten Wünsche der Bevölkerung, mit den Altdeutschen gleich behandelt zu werden, war die Einführung des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches und des neuen, im wesentlichen dem Reichspreßgesetz entsprechenden Preßgesetzes. Nachdem seit Jahren vom Landesausschuß und Reichstag wiederholt die Aufhebung des sogenannten Diktaturparagraphen (s. d.) gefordert worden war, versprach Kaiser Wilhelm II. bei seinem Besuch im Reichslande mit Erlaß vom 9. Mai 1902 dessen Beseitigung, der Bundesrat stimmte am 5. Juni und der Reichstag in dritter Lesung am 9. Juni zu. Der Kaiserliche Aufenthalt im Lande brachte dem Vorsitzenden des Landesausschusses v. Schlumberger die Ernennung zum wirklichen Geheimen Rat mit dem Prädikat Exzellenz und dem Reichstagsabgeordneten Baron de Schmid, der französischer Offizier der Reserve ist, die Ernennung zum Rittmeister à la suite des Rheinischen Kürassierregiments Nr. 8. Weitere Fortschritte auf dem Wege der Germanisierung bezeichnen der Sieg der Liberalen über die Klerikalen bei den Gemeinderatswahlen im Juni 1902 und die Gründung eines liberalen Bürgervereins in Straßburg, während die Bildung einer linksliberalen politischen Partei vorbereitet wird. Sind so in mancher Hinsicht Hoffnungen der Elsässer und der Deutschen erfüllt worden, so ist doch die auch vom Reichstage genehmigte Einführung des direkten allgemeinen Wahlrechts für die Wahlen zum Landesausschuß, in den im Dezember 1902 der erste Sozialdemokrat (gewählt von Mülhausen) einzog, bisher vom Bundesrat abgelehnt worden. In der Erkenntnis, daß die französisch gesinnte und vielfach französisch sprechende katholische Geistlichkeit der schnelleren Verbreitung Deutschen Wesens in besonderem Maße hinderlich ist, schloß die Reichsregierung nach langen, wiederholt dem Abbruch nahen Verhandlungen (Hauptunterhändler Freiherr von Hertling) endlich am 20. Dez. 1902, wegen der Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Straßburg, mit der Kurie ein Kompromiß von fünf Artikeln (widerrufliche missio canonica des Straßburger Bischofs etc.), um die Ausbildung der jungen Kleriker in Deutschem Geiste zu beeinflussen. Bei den Reichstagswahlen im Juni 1903 standen sich zum ersten Mal die Parteien gegenüber wie im übrigen Deutschland: das Wort »Protest« verfing nicht mehr; auch wurde kein Sozialdemokrat gewählt.
Kaiserliche Statthalter des Reichslands Elsass-Lothringen.
- 1879 – 1885: Edwin von Manteuffel
- 1885 – 1894: Chlodwig von Hohenlohe-Schillingsfürst
- 1894 – 1907: Hermann zu Hohenlohe-Langenburg
- 1907 – 1914: Karl von Wedel
- 1914 – 1918: Johann von Dallwitz
- 10/11 1918: Rudolf Schwander
Gerichtsorganisation.
Die Reichslande gehören zum Bezirk des Kaiserlichen Oberlandesgerichts in Colmar; diesem sind unterstellt 6 Landgerichte mit 79 Amtsgerichten:
Kaiserliches Oberlandesgericht Colmar.
Landgericht Colmar mit den Amtsgerichten Barr, Colmar (Elsaß), Ensisheim, Gebweiler, Kaysersberg, Markirch, Markolsheim, Münster (Elsaß), Neubreisach, Rappoltsweiler, Rufach, Schlettstadt, Schnierlach, Sulz (ObElsaß) und Weiler (Kr. Schlettstatt).
Landgericht Metz mit den Amtsgerichten Ars an der Mosel, Bolchen, Busendorf, Château-Salins, Delme, Deutsch-Oth, Diedenhofen, Dieuze, Hayingen (Lothr.), Metz, Mörchingen, Remilly, Rombach, Sierck und Vic (Seille).
Landgericht Mülhausen (Elsaß) mit den Amtsgerichten Altkirch, Dammerkirch, Hirsingen, Hüningen, Masmünster, Mülhausen (Elsaß), Pfirt, Sennheim, Sierenz, St. Amarin und Thann (Elsaß).
Landgericht Saargemünd mit den Amtsgerichten Albesdorf (Lothr.), Bitsch, Drulingen, Falkenberg (Lothr.), Forbach (Lothr.), Großtänchen, Rohrbach (LOthr.), Saaralben, Saargemünd , Saarunion und St. Avold.
Landgericht Straßburg (Elsaß) mit den Amtsgerichten Bad-Niederbronn, Benfeld, Bischweiler, Brumath, Erstein, Hagenau (Elsaß), Hochfelden, Illkirch, Lauterburg (Elsaß), Schiltigheim, Straßburg (Elsaß), Sulz unterm Wald, Truchtersheim, Weißenburg (Elsaß) und Wörth (Sauer).
Landgericht Zabern mit den Amtsgerichten Buchsweiler, Finstingen, Lörchingen, Lützelstein, Molsheim, Oberehnheim, Pfalzburg, Rosheim, Saarburg (Lothringen), Schirmeck, Waffelnheim und Zabern.
Organisation der Verwaltungsbehörden des Reichslands Elsass-Lothringen.
An der Spitze der Staatsverwaltung steht ein Kaiserlicher Statthalter. Bis zum 1. Oktober 1879 wurden die Geschäfte großenteils durch eine besondere Abteilung des Reichskanzleramtes geführt, im Lande selbst war der höchste Verwaltungsbeamte der Oberpräsident, dem einige Ministerialbefugnisse vom Reichskanzler übertragen waren. Durch das Gesetz vom 4. Juli 1879 wurde der Sitz der Regierung in das Land verlegt. Es wurde bestimmt, dass der Kaiser landesherrliche Befugnisse einem Statthalter übertragen kann und dass dieser Statthalter die Befugnisse und Obliegenheiten des Reichskanzlers erhält. An Stelle des Reichskanzleramtes für Elsaß-Lothringen und des Oberpräsidiums trat ein Ministerium, das in Straßburg seinen Sitz hat und an dessen Spitze ein Staatssekretär steht. Dem Statthalter wurde durch Kaiserlichen Erlass eine Anzahl durch die Landesgesetzgebung dem Staatsoberhaupt vorbehaltener Befugnisse, insbesondere auch ein Teil des Gnadenrechts (Erlass von Geldstrafen, Steuern und sonstigen Staatsgefällen), übertragen. Neben diesen landesherrlichen Befugnissen hat der Statthalter als Nachfolger des Reichskanzlers die Stellung des ersten Verwaltungsbeamten; die sogenannte Diktatur, d. h. die ursprünglich dem Oberpräsidenten zustehende, dann auf den Statthalter übergegangene außerordentliche Gewalt zu Maßregeln jeder Art behufs Abwendung von Gefahr wurde 1902 aufgehoben. Das Ministerium ist in vier Abteilungen eingeteilt. Die Abteilung des Innern wird durch den Staatssekretär geleitet, an der Spitze der Abteilung für Justiz und Kultus, für Finanzen, Gewerbe und Domänen, für Landwirtschaft und öffentliche Arbeiten steht je ein Unterstaatssekretär. Mit dem Ministerium ist der Oberschulrat und der Kaiserliche Rat eine Art Oberverwaltungsgericht, jedoch mit beschränkter Zuständigkeit, verbunden.
Administrative Gliederung des Reichslands Elsass-Lothringen.
An der Spitze der Bezirke stehen Bezirkspräsidenten, der Kreise Kreisdirektoren; ferner Bezirkstage, Kreistage.
Das Reichsland gliedert sich in drei Bezirke (nach Petzolds „Gemeinde- und Ortslexikon des Deutschen Reiches“ 1911):
Bezirk Unter-Elsaß, Sitz des Bezirkspräsidiums in Straßburg, mit einer Fläche von 4786 km² und 700.938 Einwohnern (Jahr 1910), gliedert sich in die Kreise Erstein, Hagenau, Molsheim, Schlettstadt, Straßburg (Stadt- und Landkreis) Weißenburg und Zabern.
Bezirk Ober-Elsaß, Sitz des Bezirkspräsidiums in Colmar, mit einer Fläche von 3508 km² und 517.865 Einwohnern (Jahr 1910), gliedert sich in die Kreise Altkirch, Colmar, Gebweiler, Mülhausen (Els.), Rappoltsweiler und Thann.
Bezirk Lothringen, Sitz des Bezirkspräsidiums in Metz, mit einer Fläche von 6228 km² und 655.211 Einwohnern (Jahr 1910), gliedert sich in die Kreise Bolchen, Château-Salins, Diedenhofen-Ost, Diedenhofen-West, Forbach, Metz (Stadt- und Landkreis) Saarburg (Lothr.) und Saargemünd.