Charakter und Lebensweise.
Friedrich Wilhelm I. hatte als Kronprinz die Verschwendung am Hofe mit Mißfallen gesehen. Nachdem er seinem Vater eine glänzende Leichenfeier gehalten hatte, schaffte er ohne weiteres den kostspieligen Hofstaat ab. Nur wenige unentbehrliche Hofbeamte behielt er. Sein Sinn war auf das Nützliche gerichtet. Wissenschaft und Kunst, deren Nutzen er nicht einsah, schätzte er gering. Er besaß einen derben geraden Charakter, wurde aber leicht heftig und rücksichtslos. Von seinen Untertanen verlangte er unbedingten Gehorsam, Fleiß und Sparsamkeit. Versuchte ihm jemand zu widersprechen, so gebrauchte er mit dem Ausrufe: „Räsonier er nicht!“ ohne Ansehen der Person den dicken Rohrstock, den er auf seinen Ausgängen zu tragen pflegte. Den Torschreiber von Potsdam, der den Bauern frühmorgens nicht rechtzeitig öffnete, prügelte er einst mit den Worten:
„Guten Morgen, Herr Torschreiber!“ aus dem Bette. Von den Frauen, die Obst an den Straßenecken feilhielten, verlangte er, daß sie strickten oder spannen, wenn sie nicht Käufer abzufertigen hatten. Müßiggänger taten gut, dem Könige weit aus dem Wege zu gehen. – In seiner eigenen Lebensweise gab Friedrich Wilhelm I. das Beispiel der Einfachheit und Sparsamkeit, und der königliche Haushalt unterschied sich kaum von dem eines wohlhabenden Bürgers. Wenige, einfach zubereitete Gerichte kamen in Zinngeschirr auf den Tisch, und leichtes Bier war das gewöhnliche Getränk. Der schlichte blaue Soldatenrock war des Königs tägliche Kleidung, und von seiner Zeit an wurde es bei den Fürsten Brauch, Uniform zu tragen. Die großen, teuren Perücken, die bisher üblich waren, schaffte der König ab. Er band sein Haar in einen kurzen Zopf, und diese Haartracht wurde bald allgemein Sitte (Zopfzeit!).
Sorge für das Heer.
Der König war mit Leib und Seele Soldat und brachte das preußische Kriegsheer, dessen Begründer er geworden ist, allmählich auf 83 000 Mann. Das ganze Land wurde in Bezirke eingeteilt, von denen jeder eine bestimmte Zahl Soldaten stellen mußte. Von dieser Maßregel wurde jedoch fast nur der Bauernstand betroffen; die Bürger waren in der Regel vom Militärdienste frei. Um die Kraft des dünnbevölkerten Landes zu schonen, wurde auf diese Weise aber nur die Hälfte der Soldaten zusammengebracht. Die übrigen ließ der König in außerpreußischen Ländern anwerben, wobei nicht selten Gewalt und List gebraucht wurde. Wer Soldat war, mußte es bleiben, solange seine Kräfte ausreichten; die Landeskinder wurden aber jährlich zur Ernte längere Zeit beurlaubt. Die Zucht war hart; denn man meinte, die Soldaten ohne Prügel nicht ausbilden und in Ordnung halten zu können. Ausreißer wurden grausam mit Ruten geschlagen oder mit dem Tode bestraft. Die Offiziere ernannte der König selbst und nahm sie fast nur aus dem grundbesitzenden Adelstande, damit sie bei späterer Dienstunfähigkeit nicht Not litten. Er gründete auch Kadettenanstalten, auf denen junge Edelleute für den Kriegsdienst erzogen wurden. – Bei der Ausbildung des Heeres wurde der König von dem Fürsten Leopold von Anhalt, „dem alten Dessauer“, unterstützt. Dieser führte den gleichen Schritt und den eisernen Ladestock ein. Die Soldaten wurden geübt, in drei Gliedern dicht geschlossen und in schnurgeraden Linien vorzurücken, dabei von Zeit zu Zeit gleichzeitig Feuer abzugeben und im Marsche wieder schnell zu laden. Man nahm am liebsten hochgewachsene Leute, weil diesen das Laden der Gewehre leichter fiel. Friedrich Wilhelm I. hatte eine große Vorliebe für diese „langen Kerls“. Trotz seiner sonstigen Sparsamkeit gab er große Summen aus, wenn er einen besonders langen Mann anwerben konnte. Das Potsdamer Leibregiment, dessen Oberst der König selbst war, bestand aus lauter Riesen. Es gewährte einen prächtigen Anblick, wenn die stattlichen Männer, die auf dem Kopfe hohe Blechmützen trugen, ihre Übungen abhielten.
Bei aller Strenge sorgte der König väterlich für seine „blauen Kinder“. Er erlaubte ihnen zu heiraten und baute ihnen in Potsdam kleine Wohnhäuser, in denen sie nebenher ein Handwerk betrieben. Sie durften ihm auch ihre Wünsche persönlich vortragen. Wenn den König die Gicht plagte, beschäftigte er sich damit, die längsten seiner Leibgrenadiere abzumalen. Eine Anzahl dieser Bilder mit der Unterschrift des Königs „Gemalt unter großen Schmerzen“ ist jetzt noch vorhanden. In Potsdam, das Friedrich Wilhelm sehr liebte, und das er erst zu einer ansehnlichen Stadt gemacht hat, errichtete er ein großes Militärwaisenhaus. – Für die Verteidigung des Landes wurde durch Ausbau der Festungen Spandau, Küstrin und Magdeburg gesorgt.
Friedrich Wilhelm I. als Landesvater.
Verwaltung.
Wenn der König zur Besichtigung der Truppen im Lande umherreiste, achtete er mit scharfen Augen darauf, daß seine Beamten treu ihre Pflicht erfüllten; unfähige und unehrliche setzte er rücksichtslos ab. Um so sparsam wie möglich zu wirtschaften, richtete er die Oberrechnungskammer ein, die sämtliche Ausgaben der Verwaltung genau nachprüfen mußte. In der Behörde, die an der Spitze der verschiedenen Verwaltungszweige stand, dem „Generaldirektorium“, führte er selbst den Vorsitz. Auf diese Weise gelang es ihm, überall musterhafte Ordnung herzustellen und einen gewissenhaften Beamtenstand zu schaffen. Die Steuerfreiheit der Rittergüter hob Friedrich Wilhelm I. auf, obgleich sich der Adel, besonders in Ostpreußen heftig dagegen sträubte. Den Städten nahm er das Recht, sich selbst zu verwalten; die Bürger konnten ihm aber bestimmte Männer als Bürgermeister vorschlagen. Auf den Dörfern vertraten die Edelleute oder die Pächter der königlichen Güter die Obrigkeit. – In der Rechtspflege verlangte der König schnelle Entscheidung der Prozesse. Gerichtliche Urteile, die ihm nicht gefielen, änderte er nicht selten eigenmächtig ab.
Ackerbau.
Als viele Tausende protestantischer Bewohner des Bistums Salzburg ihres Glaubens wegen die Heimat verließen, bot ihnen Friedrich Wilhelm I. in seinem Lande eine Zuflucht. In Ostpreußen, das durch die Pest fast entvölkert war, siedelte er 18 000 Salzburger an und gründete dort über 300 Dörfer und eine Anzahl Städte. Außer reichlichem Ackerlande, Vieh und Ackergeräten gab der König das Holz zum Bau von Wirtschaftsgebäuden und gewährte neunjährige Steuerfreiheit. Auch zahlreichen Ansiedlern aus Schwaben und Franken bereitete er in Ostpreußen eine neue Heimat. – Die Havelsümpfe wurden auf Befehl des Königs trocken gelegt, so daß fruchtbare Äcker und fette Wiesen an ihrer Stelle entstanden. Er ließ auch Bauernmädchen in der Bereitung von Butter und Käse ausbilden und belohnte die tüchtigsten, nachdem er selbst die von ihnen hergestellte Butter gekostet hatte. Um Hungersnöten vorzubeugen, richtete er in den Städten große Kornlager ein, in denen man in guten Jahren Getreide aufspeicherte. Auf den königlichen Gütern wurden die Lasten und Fronden den Bauern erheblich gemildert; auf den Gütern des Adels durften die Hof- und Spanndienste wenigstens nicht vermehrt werden. Bauerngüter einzuziehen, war den Edelleuten aufs strengste untersagt.
Gewerbe.
Um das einheimische Gewerbe zu heben, verbot Friedrich Wilhelm, die Einfuhr fremder Waren, besonders englischer Tuche, und gründete in Berlin eine Wollweberei, in der die Stoffe für das Heer angefertigt wurden. Wenn er Leute antraf, deren Kleider aus englischem Tuche angefertigt waren, gebrauchte er rücksichtslos seinen Stock. – Die Stadt Berlin suchte er zu verschönern und zu vergrößern. Wohlhabende Bürger zwang er mit den Worten: „Der Kerl hat Geld, soll bauen!“ zur Errichtung neuer Häuser. – Für den Wert der afrikanischen Kolonien besaß der König leider kein Verständnis und verkaufte sie, weil sie zu wenig einbrachten; die Kriegsflotte ließ er eingehen.
Kirche und Schule.
Friedrich Wilhelm I. war von aufrichtiger Frömmigkeit und besuchte den Gottesdienst fleißig, haßte aber alle religiösen Streitigkeiten. Er hat in Berlin ein großes Krankenhaus, die Charité, und zahlreiche Kirchen bauen lassen. – Besondere Sorgfalt widmete er der Volksschule. Er bestimmte, daß alle Kinder vom 5. bis 12. Lebensjahre die Schule besuchten, und bereitete damit die allgemeine Schulpflicht vor. Über 1800 neue Landschulen hat er errichten lassen, darunter fast 1200 in Ostpreußen. Auf seinen Besichtigungsreisen erschien der König mitunter auch selbst in den Schulen, um die Kinder zu prüfen.
Erwerbungen.
Als der Spanische Erbfolgekrieg beendet wurde, erhielt Preußen den größten Teil von Geldern (westlich vom Rheine); im Nordischen Kriege erwarb Friedrich Wilhelm I. Vorpommern bis zur Peene mit Stettin und den Inseln Usedom und Wollin (Karte!).
Der Nordische Krieg.
Seit dem Dreißigjährigen Kriege beherrschten die Schweden die Länder an der Ostsee. Dies war nicht nur für Deutschland, sondern auch für Rußland und Polen, die dadurch fast völlig vom Seeverkehr abgeschnitten waren, sehr ungünstig. Im Anfange des 18. Jahrhunderts versuchte daher der Zar (Kaiser) Peter der Große von Rußland, die Schweden von Düna und Newa zu vertreiben. Nach mancherlei Wechselfällen belagerten die Russen Stettin und wollten sich in Vorpommern festsetzen. Um sie nicht zu Grenznachbarn der Mark Brandenburg zu bekommen, zahlte ihnen Friedrich Wilhelm I. die Kosten der Belagerung und nahm die Stadt in preußische Verwaltung. Beim Friedensschlusse erhielt er den größten Teil Vorpommerns. Schweden, das auch die Elb- und Wesermündung einbüßte, behielt noch das Land nördlich der Peene und die Insel Rügen.
Friedrich Wilhelms I. Verhältnis zu Kaiser und Reich.
Friedrich Wilhelm empfand es schmerzlich, daß sich fremde Völker fortwährend in die Angelegenheiten des deutschen Reiches mischten. Er sagte einmal: „Kein Engländer oder Franzose soll über uns Deutsche gebieten, und meinen Kindern will ich Pistolen und Degen in die Wiege geben, daß sie die fremden Nationen aus Deutschland helfen abhalten!“. Soviel er vermochte, unterstützte er deshalb den Kaiser, obwohl dieser, wie alle sein Vorgänger seit dem Westfälischen Frieden, nur das Wohl seiner österreichischen Lande im Auge hatte. – Der damalige deutsche Kaiser Karl VI. war der letzte männliche Habsburger. Er wünschte, daß seine Tochter Maria Theresia nach seinem Tode die österreichischen Lande erbte, und suchte dies durch ein Gesetz zu erreichen. Zu diesem mußten aber die deutschen Fürsten erst ihre Zustimmung erteilen; denn Frauen waren bisher in Deutschland nicht berechtigt gewesen, den Thron zu besteigen. Friedrich Wilhelm I. willigte ein, und der Kaiser versprach, ihm dafür das Herzogtum Berg zu verschaffen, auf das Preußen Erbansprüche besaß. Später erfuhr der König aber, daß der Kaiser das Herzogtum Berg einem andern Fürsten zugesagt hatte. Tief erbittert über diese Kränkung deutete er auf seinen Sohn, den Kronprinzen, und rief aus: „Da steht einer, der mich rächen wird!“.
Lothringen geht dem deutschen Reiche verloren.
Während Friedrich Wilhelm I. In Preußen regierte, brach zwischen Frankreich und dem Kaiser wegen der Erbfolge in Polen ein Krieg aus. Friedrich Wilhelm I. sandte dem Kaiser 10 000 Mann zu Hilfe. Der Krieg wurde aber lässig geführt, und es kam zum Schaden des Reiches zu einem unrühmlichen Ländertausche, bei dem das alte deutsche Herzogtum Lothringen an Frankreich fiel (1766).
Das Tabakskollegium.
Erholung von seiner unermüdlichen Tätigkeit fand König Friedrich Wilhelm I. auf der Jagd, die er sehr liebte. – Des Abends besuchte der König gewöhnlich das Tabakskollegium. In einem Zimmer, das mit Hirschgeweihen geschmückt, sowie mit Holzstichen und Stühlen versehen war, kamen Minister und Generale mit ihm zusammen. Auf Nebentischen stand Brot, Butter und kaltes Fleisch, von dem jeder nach Belieben nehmen konnte. Man trank Bier und rauchte dabei aus langen Tonpfeifen. Der König sah es gern, daß jeder, auch wenn er nicht rauchte, die Pfeife im Munde hielt. In diesem vertrauten Kreise wurden oft die wichtigsten Staatsangelegenheiten besprochen; man vertrieb sich aber auch manchmal die Zeit mit Späßen, die meist recht derb waren.
Des Königs Tod.
Durch seine rastlose Arbeit und die anstrengenden Reisen rieb Friedrich Wilhelm I. seine Gesundheit auf. Mutig und im steten Glauben an seinen Erlöser sah er dem Tode entgegen. Er starb im Alter von 52 Jahren. Seinem Nachfolger hinterließ er einen festgeordneten Staat mit einem ehrlichen, anspruchslosen Beamtenstande, ein musterhaft ausgebildetes Heer von 83 000 Mann, einem Staatsschatz von mehr als 10 Millionen Talern und ein an Sparsamkeit, Arbeit und Gehorsam gewöhntes Volk. Friedrich I. hatte die Königskrone erworben; Friedrich Wilhelm I. hat den Grund zu der späteren Größe des jungen Königreiches gelegt.