Teil 2.
Maria Theresia konnte den Verlust Schlesiens nicht überwinden und bewog die Kaiserin von Rußland, sowie den König von Frankreich und den Kurfürsten von Sachsen zu einem Bündnisse gegen Preußen. Später traten noch Schweden und das deutsche Reich den Feinden Friedrichs bei. Man verabredete eine völlige Teilung des preußischen Staates; Friedrich sollte nur Brandenburg behalten. Diesem gewaltigen Bunde gegenüber konnte der König nur auf die Unterstützung einiger norddeutschen Staaten (Hannover, Braunschweig, Gotha, Hessen-Kassel, Schaumburg-Lippe) rechnen. England, das in Nordamerika mit Frankreich wegen seiner Kolonien kämpfte, sagte ihm Hilfsgelder zu und versprach, durch seine Flotte die preußische Ostseeküste gegen Russen und Schweden zu schützen. Im Jahre 1757 wollten die Feinde gemeinsam über Preußen herfallen. Friedrich erhielt jedoch von dem Plane Kenntnis und beschloß, ihnen zuvorzukommen.
1756 und 1757.
Im Jahre 1756, ehe seine Gegner die Rüstungen beendet hatten, besetzte Friedrich unvermutet Sachsen und schloß die sächsischen Truppen bei Pirna ein. Dort mußten sie sich gefangen geben, nachdem das Heer, das ihnen Maria Theresia zu Hilfe sandte von Friedrich bei Lowositz besiegt worden war. Das Kurfürstentum Sachsen wurde nun völlig in preußische Verwaltung genommen und mußte Geld und Soldaten liefern. Im folgenden Jahre rückten die feindlichen Heere von allen Seiten gegen Preußen heran. Ihren Truppen, die fast 500.000 Mann betrugen, konnte der König kaum 200.000 Mann entgegenstellen. In dieser furchtbaren Lage schrieb er an seinen Minister:
„ Wenn ich das Unglück hätte, gefangen zu werden, verbiete ich, daß man auf meine Person die geringste Rücksicht nehme; man soll alsdann meinem Bruder Gehorsam leisten.“ Friedrich wendete sich zuerst gegen seine Hauptfeinde, die Österreicher. Sie hatten bei Prag eine fast uneinnehmbare Höhenstellung inne, die von den preußischen Truppen trotz größter Tapferkeit nicht erobert werden konnte. Da ergriff der greise Feldmarschall Graf Schwerin die Fahne eines weichenden Bataillons und führte das Fußvolk nochmals zum Sturme vor. Diesmal gelang der Angriff, und ein herrlicher Sieg wurde erfochten. Aber er war teuer erkauft.
Unter den Toten befand sich auch der tapfere Schwerin, seines Königs bester Feldherr.
Als Friedrich darauf Prag belagerte, rückte ein zweites österreichisches Heer unter dem vorsichtigen General Daun zum Entsatze heran. Der König warf sich ihm entgegen und erlitt bei Kolin gegen den übermächtigen Gegner seine erste Niederlage. Die Folgen waren schwer. Die Feinde Friedrichs, bei denen die preußischen Truppen für unüberwindlich gegolten hatten, faßten frischen Mut. Die Russen schlugen die Truppen, die Ostpreußen verteidigten. General Winterfeldt, Friedrichs vertrautester Freund, fiel in einer unglücklichen Schlacht gegen die Österreicher.
Berlin wurde von feindlichen Streifscharen gebrandschatzt, und die Franzosen rückten zusammen mit der deutschen Reichsarmee auf Magdeburg. Gegen sie ging Friedrich zuerst vor. Bei Roßbach (5. November 1757) versuchten die mehrfach überlegenen Feinde die preußische Stellung zu umgehen, um Friedrich mit seinem ganzen Heere gefangen zu nehmen. Aber blitzschnell kam ihnen der König zuvor. Plötzlich donnerten die preußischen Kanonen gegen die Feinde, die sich noch im Marsche befanden, und Friedrichs jüngster Reiterführer, der erst 27 jährige Seydlitz warf sich auf sie. Ehe noch das preußische Fußvolk recht zum Angriffe kommen konnte, war die Schlacht schon entschieden. Franzosen und Reichstruppen befanden sich in wildester Flucht, 70 Geschütze waren erobert.
Über diesen glänzenden Sieg erhob sich in ganz Deutschland großer Jubel. Friedrich wurde in zahlreichen Volksliedern als Deutschlands Held gefeiert, und selbst am kaiserlichen Hofe zu Wien empfand man Schadenfreude, daß die hochmütigen Franzosen die Schärfe der preußischen Waffen auch einmal kennen gelernt hatten. Von der Zeit an übergab Friedrich die Führung des Feldzugs gegen die Franzosen seinem Schwager, dem Herzoge Ferdinand von Braunschweig. Dieser erwies sich als geschickter Feldherr und besiegte die Franzosen im Laufe des Krieges noch mehrmals. (1758 bei Krefeld, 1759 bei Minden.)
Inzwischen aber waren die Österreicher tief nach Schlesien eingedrungen und hatten die Festungen Schweidnitz und Breslau erobert. In Gewaltmärschen eilte Friedrich herbei und trat dem dreimal so starken Feinde, der das kleine preußische Heer spöttisch die „Potsdamer Wachtparade“ nannte, am 5. Dezember 1757 bei Leuthen entgegen. Vor der Schlacht, von deren Ausgang das Schicksal Preußens abhing, versammelte Friedrich seine höheren Offiziere und richtete eine zündende Ansprache an sie. Das preußische Fußvolk warf den Feind der durch geschickte Truppenbewegungen Friedrichs über das Ziel des preußischen Angriffs getäuscht worden war, auf einem Flügel zurück, und General Zieten sorgte mit der Reiterei dafür, daß er sich nicht von neuem ordnen konnte. Die Erstürmung des Dorfes Leuthen vollendete den Sieg. Schlesien war wieder frei.
1758 – 1761.
Während das preußische Heer gegen die Österreicher im Felde stand, waren die Russen bis Küstrin vorgedrungen und hatten in der Neumark übel gehaust. Bei Zorndorf, nordöstlich von Küstrin, griff sie Friedrich an. Seydlitz entschied durch rechtzeitiges Eingreifen mit der Reiterei die blutige Schlacht. Dann eilte der König nach Sachsen zurück, um die Österreicher aufzuhalten.
Aber der General Daun wich fortgesetzt dem Kampfe aus. Da wurde Friedrich unvorsichtig und lagerte bei Hochkirch in unmittelbarer Nähe der Österreicher in ungünstiger Stellung, obgleich ihn seine Generale dringend warnten. In einer nebeligen Oktobernacht überfiel Daun das preußische Lager. Doch auch in dem furchtbaren Nachtgefechte bewährte sich die preußische Kriegszucht.
Friedrich verlor zwar einen großen Teil seiner Geschütze, aber seine Soldaten, die durch den Donner der Kanonen aus dem Schlafe geweckt wurden, ordneten sich so schnell und kämpften mit so todesverachtender Tapferkeit, daß er sich ungehindert zurückziehen konnte. Trotz der schweren Niederlage vermochte er Schlesien und Sachsen zu halten.
Im folgenden Kriegsjahre (1759) gelang es den Russen und Österreichern, sich zu vereinigen, so daß sie gemeinsam auf Berlin vordringen konnten. Um die Mark zu retten, stellte sich Friedrich ihnen bei Kunersdorf in der Nähe von Frankfurt a. O. entgegen. Seine Truppen, die schon seit 2 Uhr morgens auf dem Marsche waren, hatten anfangs Erfolg; jedoch an dem glühendheißen Augusttage erlahmte nach und nach ihre Kraft, und sie konnten den frischen feindlichen Truppen nicht mehr widerstehen. Seydlitz wurde schwer verwundet und mußte das Schlachtfeld verlassen. Mit Mühe gelang es dem Könige, mit einer Schar zusammengeraffter Soldaten unter eigener, höchster Lebensgefahr den Rückzug zu decken. 500 Offiziere, 18.000 Mann waren gefallen, der Rest des Heeres strömte aufgelöst nach der Oder zurück.
Der preußische Staat schien verloren zu sein; der König selbst brach unter der Wucht des Unglücks körperlich und geistig zusammen und mußte den Oberbefehl abgeben. Aber schon drei Tage später hatte er sich wieder erholt. Die Uneinigkeit der Gegner wurde seine Rettung. Die Russen waren erzürnt, daß sich die Österreicher den Sieg von Kunersdorf allein zuschrieben, und ihr Feldherr weigerte sich, auf Berlin zu marschieren. Dadurch gewann Friedrich Zeit, sein Heer zu sammeln und zu ordnen. Aber noch weiteres Unglück sollte das Jahr 1759 bringen. Dresden fiel in die Hand der Österreicher und eine Heeresabteilung von 13.000 Mann wurde von Daun gefangen. Nur der hervorragenden Geschicklichkeit seines Bruders Heinrich, „des einzigen Generals, der nie einen Fehler gemacht hat“, hatte es Friedrich zu danken, daß Sachsen trotzdem gehalten wurde.
Im Jahre 1760 schlug Friedrich die Österreicher bei Liegnitz und bei Torgau, wo Zieten noch in später Nachtstunde die feindlichen Stellungen stürmte; 1761 aber war der König nicht stark genug, um den Feinden in offener Schlacht entgegenzutreten. Er bezog in Schlesien ein festes Lager, in dem ihn die Feinde nicht anzugreifen wagten. In Sachsen standen sich Prinz Heinrich und Daun gegenüber, beide zu vorsichtig, um sich in eine Schlacht einzulassen. Friedrichs Lage wurde immer düsterer. Die wichtige Festung Schweidnitz ging verloren; Kolberg wurde von den Russen erobert, und zum ersten Male nahmen die feindlichen Truppen auf preußischen Boden ihre Winterquartiere (1761/62). Um das Unglück voll zu machen, trat England von dem Bündnisse mit Friedrich zurück.
Preußen schien dem Untergange nahe zu sein.
1762 und 1763.
Da trat unvermutet eine Wendung ein: die Kaiserin Elisabeth von Rußland starb. Ihr Nachfolger, ein Bewunderer Friedrichs, schloß nicht nur sofort Frieden mit dem Könige, sondern stellte sogar die russischen Truppen, die bisher gegen Friedrich gefochten hatten, unter dessen Befehl. Der neue Herrscher wurde zwar bald darauf von seiner Gemahlin ermordet, aber diese erneuerte den Krieg gegen Preußen nicht, wenn sie auch von dem Bündnisse zurücktrat. Friedrich schlug Daun bei Burkersdorf und eroberte Schweidnitz zurück.
Prinz Heinrich siegte bei Freiberg in Sachsen, wo Seydlitz sich wiederum glänzend hervortat. Preußische Reiter streiften nun weit in die feindlichen süddeutschen Staaten hinein, so daß auch diese einmal die schweren Lasten des Krieges kennen lernten und den Frieden herbeisehnten. Maria Theresia sah sich von ihren Verbündeten verlassen; ihr Land war durch den Krieg furchtbar verschuldet, während Friedrich „immer noch den letzten Taler in der Tasche behielt“. So mußte sie sich zum Frieden bequemen, der 1763 in Hubertusburg, einem Jagdschlosse bei Leipzig, endlich zustande kam. Friedrich behielt Schlesien mit der Grafschaft Glatz; Preußens Waffen gingen aus dem langen Kampfe gegen Europa unbesiegt hervor.