Friedrich Wilhelm II.
Da Friedrich der Große keine Kinder hinterließ, folgte ihm sein Neffe Friedrich Wilhelm II. in der Regierung. Er hatte eine stattliche Gestalt und ein wohlwollendes, offenes Wesen. Wegen seiner Freundlichkeit war er bei seinen Untertanen sehr beliebt. Er redete die Leute nicht mehr wie bisher üblich gewesen war, mit „Er“ an, sondern gebrauchte das höflichere „Sie“. Den Staatsgeschäften war er fern geblieben und verstand wenig von ihnen; es fehlte ihm aber auch an Willenskraft und Beharrlichkeit.
Daß er sogleich die Tabak- und Kaffeezölle beseitigte und die französischen Beamten entließ, erregte viel Freude; freilich mußte er die verhaßten Steuern später wieder einführen.
Am Hofe zu Berlin entwickelte sich bei äußerlicher Frömmigkeit bald ein fröhliches Genußleben. Der König überließ die Geschäfte unwürdigen Günstlingen, die ihm zu schmeicheln und seine Freigebigkeit auszubeuten verstanden. Der Wissenschaft und Kunst jedoch widmete er große Fürsorge. Durch ihn gelangte auf dem Theater, in dem bisher nur französische Schauspiele gegeben worden waren, die deutsche Dichtung zur Herrschaft. Die Musik liebte er sehr und spielte selbst das Cello. Der König ließ auch das schöne Brandenburger Tor errichten, auf dem die Siegesgöttin auf einem von vier Rossen gezogenen Wagen dargestellt ist. Unter seiner Regierung wurden die ersten festen Landstraßen (Chausseen) in Preußen gebaut. Das Königreich Polen wurde zur Zeit Friedrich Wilhelms II. völlig aufgeteilt. Preußen erhielt neben den für den Handel wichtigen Städten Danzig und Thorn weitere polnische Gebiete. Sie waren jedoch bei ihrem verkommenen Zustande und der deutschfeindlichen Bevölkerung kein rechter Gewinn. Preußen, das bisher ein rein deutsches Land gewesen war, wurde dadurch ein deutsch slawisches Mischreich.
Es war daher kein Schade, daß die meisten polnischen Besitzungen nach Friedrich Wilhelms Tode wieder verloren gingen.
Die französische Revolution.
Durch Verschwendung und endlose Kriege hatten Ludwig XIV. und Ludwig XV. das Land mit einer unerträglichen Schuldenlast beladen. Dazu kam noch, daß die vielen Millionen, die der Staat alljährlich nötig hatte, ganz allein von den Bürgern und Bauern aufgebracht werden mußten; denn der Adel und die Geistlichkeit, die gerade den größten Teil des Grund und Bodens inne hatten, waren von jeder Abgabe befreit. Aber damit noch nicht genug.
Der Bauer hatte auch noch für den Adel die schwersten Frondienste zu leisten; für Brücken und Wege mußte er ihm allerorten Zoll zahlen, das Getreide durfte er nur in seiner Mühle mahlen, das Brot nur in seinem Ofen backen. Die Landleute lebten daher im größten Elend. Tausende nährten sich von Raub und Diebstahl; über eine Million trieb sich bettelnd im Lande umher. Dazu nahmen Roheit und Unsittlichkeit immer mehr zu, und der Glaube an Gott erschien den meisten wie ein albernes Märchen.
Ludwig XVI., der damalige König, der mit einer Tochter Maria Theresias vermählt war, bemühte sich vergeblich, die unglücklichen Zustände zu bessern. Im Jahre 1789 brach in Frankreich eine schreckliche Revolution aus. Bewaffnete Pöbelhaufen durchzogen Paris. Die Soldaten des Königs weigerten sich, auf die Aufrührer zu schießen und schlossen mit ihnen Freundschaft. Jetzt brach der Aufruhr offen hervor. Die Sturmglocken wurden geläutet, und jeder griff zu den Waffen. Edelleute und Geistliche waren bald ihres Lebens nicht mehr sicher und mußten aus Frankreich flüchten. Die königliche Familie versuchte, in einem Postwagen zu entfliehen, wurde aber auf einer Haltestelle vom Postmeister erkannt und von der Bürgergarde nach Paris zurückgebracht.
Ehrgeizige Männer bemächtigten sich der Herrschaft und bald entstand in Paris eine blutige Schreckensherrschaft. Der König wurde für abgesetzt und Frankreich zur Republik erklärt. Wer in den Verdacht kam, ein Freund des Königs oder des Adels zu sein, wurde mit dem Fallbeile hingerichtet, so daß Tausende ihr Leben verloren. König Friedrich Wilhelm II. von Preußen, Friedrich des Großen Nachfolger, wollte dem Könige Ludwig XVI. beistehen und vereinigte sich zu diesem Zwecke mit dem Kaiser. Unter dem Oberbefehl des Herzogs von Braunschweig rückten die Heere der Verbündeten
über den Rhein (1792), aber sie vermochten gegen die wutentbrannten Franzosen nichts auszurichten.
1793 fiel des Königs Haupt durch Henkershand und neun Monate später wurde auch seine Gemahlin, Marie Antoinette, hingerichtet. Friedrich Wilhelm II. trat bald von den Bündnissen mit Österreich zurück und schloß in Basel mit Frankreich Frieden. Er willigte dabei sogar in die Abtretung seiner Besitzungen am linken Rheinufer und erhielt dafür das Versprechen, daß er für diesen Verlust auf andere Weise entschädigt werden sollte. Seit dem Frieden von Basel warf man den Preußen, deren früheres Ansehen bedenklich gesunken war, undeutsches Verhalten vor.
Schreckenszeit.
Der Ruf „Freiheit und Gleichheit!“ erscholl jetzt überall, auf den Straßen und in den Versammlungen. Aber gerade die Männer, die dieses Wort fortwährend im Munde hatten, waren die scheußlichsten Tyrannen: Marat, Danton, Robespierre u. a.Fast jeden Tag wurden 30 bis 40 Personen — einige male sogar Kinder — hingerichtet. Zeugen hörte man gar nicht an. Wer nur ein Wort des Mißfallens über das Schreckensregiment äußerte, war reif für das Fallbeil (Guillotine). So wurde auch ein Dienstmädchen zum Schafott geführt, weil es gesagt hatte, zur Zeit des Königs sei es doch besser gewesen, ein andermal ein Vater, weil sein Sohn ausgewandert war. Niemand war seines Lebens sicher. Die Scharfrichter waren kaum im Stande, die Menge der Verurteilten abzuschlachten. Endlich aber wurden auch die Rädelsführer vom Gericht Gottes ereilt, Marat wurde im Bade erdolcht. Danton und Robespierre endeten unter der Guillotine.
Beginn des neuen Zeitalters.
Durch die Revolution — so schrecklich sie auch war— wurden doch viele Mißſtände in Frankreich beseitigt. Vor allem wurden die Vorrechte des Adels und der Geistlichkeit abgeschafft und die, Leibeigenschaft der Bauern aufgehoben.Die Bauern hatten ihrem Herrn nun keine Frondienste mehr zu leisten, der Kirche nicht mehr den Zehnten zu entrichten. In den Städten wurde der Zunft- und Innungszwang aufgehoben und jedem Bürger volle Gewerbefreiheit gestattet. Die Steuern wurden nach Besitz und Vermögen verteilt und die höchsten Militärstellen jedem Bürger zugänglich gemacht.
Die Einrichtungen des französischen Staats wurden durch die Revolution schnell und gewaltsam umgestaltet. Da diese „bürgerliche Freiheit“ aber plötzlich und gewaltsam eingeführt wurde, entstanden in Frankreich lange und blutige Bürgerkriege. Unzählige unschuldige Menschen verloren dabei ihr Leben oder Hab und Gut. Auch mit allen benachbarten Völkern wurden die Franzosen durch die Revolution in schwere Kriege verwickelt. In den anderen Staaten Europas führte man die bürgerliche Freiheit allmählich und auf friedlichem Wege ein.
Preußen beim Tode Friedrich Wilhelms II.
Als Friedrich Wilhelm II. starb, ging der preußische Staat dem Verfalle entgegen. Bei Heer und Beamten, die an strenge Aufsicht durch den Herrscher gewöhnt waren, zeigten sich Unsicherheit und Unzuverlässigkeit. Trotz der stetig drohenden Kriegsgefahr und der angewachsenen Bevölkerung war die Armee nur wenig vermehrt worden. Obgleich die Truppen der französischen Republik durch ihre Siege bewiesen, daß ein von Vaterlandsliebe erfülltes Heer die glänzendsten Heldentaten zu verrichten vermochte, und daß die bisherige Kriegsführung (der Angriff in enggeschlossenen Reihen) veraltet war, hielt man in Preußen an dem Hergebrachten hartnäckig fest. Die Soldaten bestanden noch zum größten Teile aus landfremden Söldnern, die durch den Stock in Zucht gehalten wurden und nebenher meist ein Handwerk betrieben.
Die Offiziere waren stolz auf die Siege Friedrichs des Großen, hielten das preußische Heer für unüberwindlich und sahen hochmütig auf die anderen Stände herab. An der Spitze der Armee standen greise Generale, denen es an Tatkraft fehlte. Der Staatsschatz war aufgezehrt, und Schulden drückten das Land. Unfähige und willensschwache Männer, die allen Fortschritten und Verbesserungen abgeneigt waren, nahmen hohe Stellungen in der Verwaltung ein. Die Bevölkerung wurde von den Behörden ängstlich bevormundet. Die alte Einfachheit der Sitten und die Bereitwilligkeit, für das Vaterland Opfer zu bringen, waren allmählich im preußischen Volke geschwunden. An ihre Stelle war die Sucht nach bequemem Lebensgenusse und der Eigennutz getreten. Die Bürger standen dem Staatsleben, an dem sie nicht teilnehmen durften, gleichgültig gegenüber. Die Bauern waren, wie fast überall im deutschen Reiche, noch den Edelleuten erbuntertänig.
Deutsche Zustände am Ende des 18. Jahrhunderts.
Am Ende des 18. Jahrhunderts trug Franz II. die Krone. Er war der letzte Kaiser des gänzlich verfallenen deutschen Reiches. Die Herrscher der zahllosen kleinen Länder wachten eifersüchtig über ihre Selbständigkeit und bemühten sich, teils die prunkvolle Hofhaltung der französischen Könige, teils das soldatische Wesen Friedrich des Großen nachzuahmen.
Der Bürgerstand hatte bei der Ohnmacht des Reiches die Freude an dem gemeinsamen deutschen Vaterlande verloren und suchte dafür Ersatz in der Pflege des Geisteslebens. Ihm verdankt Deutschland jene großen Männer, die durch ihre unsterblichen Werke eine noch nie erreichte Blüte der Dichtkunst und Musik hervorriefen.
Der kunstsinnige Herzog Karl August von Weimar vereinigte an seinem Hofe eine Anzahl von Dichtern, unter denen Schiller und Goethe dem deutschen Volke am liebsten geworden sind. In Wien lebten die großen Musiker Mozart und Beethoven.