Die Befreiungskriege.
Als der General York, der mit dem preußischen Hilfsheere in den Ostseeprovinzen stand, die Nachricht von, dem schmählichen Ende des französischen Hauptheeres erfuhr, erfüllte Freude seine Brust. Nur mit Widerwillen hatte er für die Sache der Franzosen gekämpft und glaubte jetzt die Zeit für Preußens Befreiung sei gekommen. Am 30. Dezember 1812 trat er mit dem russischen General Diebitsch in Unterhandlungen, die damit endeten, daß York sich von den Franzosen trennte (Vertrag von Tauroggen). Seine Offiziere jubelten ihm zu.
Die Provinz Ostpreußen begann unter seiner Leitung gewaltig gegen Napoleon zu rüsten. Er zeigte dem König von Preußen seinen Entschluß an und schrieb dabei: „Ew. Majestät lege ich willig meinen Kopf zu Füßen, wenn ich gefehlt haben sollte. Ich würde mit der freudigen Beruhigung sterben, wenigstens nicht als treuer Untertan und wahrer Preuße gefehlt zu haben.“
Friedrich Wilhelm III., der sich in Berlin im Bereiche der Franzosen befand, mißbilligte öffentlich Yorks kühnen Schritt, wenn er auch im Herzen seinem Generale zustimmte. Als der König diesen Brief empfing, soll er ausgerufen haben: „Da möchte einen ja der Schlag treffen!“ York wurde seines Kommandos entsetzt. Der Adjutant aber, der ihm diesen Befehl überbringen sollte, wurde von den Russen aufgefangen und festgehalten und so blieb York auf seinem Posten. Der König verlegte bald darauf seine Residenz nach Breslau wo er Herr seiner Entschließungen war.
Preußens Erhebung.
Unter Scharnhorsts Leitung wurde eifrig zum Kriege gerüstet. Am 3. Februar 1813 erließ der König den „Aufruf zur Bildung freiwilliger Jägerkorps“, in die junge Männer eintraten, die selbst für ihre Ausrüstung sorgen konnten. Auch Freikorps bildeten sich, unter denen das des Majors von Lützow das berühmteste wurde. Man nannte sie „die Schar der Rache“. Ihre schwarze Uniform deutete die Trauer um das geknechtete Vaterland an. In ihm dienten auch der Turnvater Jahn und der Freiheitsdichter Theodor Körner, der noch in demselben Jahre den Heldentod starb.
Am 28. Februar schlossen Friedrich Wilhelm III. und Alexander I. ein Bündnis, um „Europa freizumachen“. Am Geburtstage der verstorbenen Königin Luise (10. März) stiftete der König den Orden vom Eisernen Kreuze, und am 17. März erließ er von Breslau aus den berühmten „Aufruf an mein Volk“, in dem er alle Stände zu den Waffen rief. „Keinen andern Ausweg gibt es als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang“, heißt es darin. Eine gewaltige Begeisterung ergriff das preußische Volk, das durch die maßlosen Bedrückungen aufs äußerste erbittert war und von allen Seiten strömte alt und jung, reich und arm herbei. Sie wollten das Vaterland retten oder mit Ehren untergehen. „Das Volk steht auf. Der Sturm bricht los.“ Die Studenten verließen die Lehrsäle, die Gesellen die Werkstätten, die Beamten die Schreibstube“. Jünglinge, die kaum dem Knabenalter entwachsen waren, und Männer, die sich bereits dem Greisenalter näherten, eilten zu den Waffen. Alle wollten ihre Pflicht gegen das Vaterland erfüllen.
„Der König rief, und alle, alle kamen.“
Wer nicht waffenfähig war, half mit seinem Hab und Gut. Ein Bauer brachte ein Pferd und sagte: „Fünf haben mir die Franzosen gestohlen, das sechste will ich ihnen nachschicken.“ 150.000 goldene Trauringe wurden eingeliefert und zu Münzen geprägt; die Geber erhielten dafür eiserne mit der Inschrift „Gold gab ich für Eisen 1813!“ Ein junges, armes Mädchen, Ferdinande von Schmettau, ließ sich ihr schönes Haar abschneiden und legte die 9 Mark, die sie dafür gelöst hatte, auf den Altar des Vaterlandes. Auch die heldenmütige Eleonore Prohaska soll hier nicht vergessen sein, die in Männerkleidung unter dem Namen August Renz unter die Lützowschen Jäger ging und ihr Herzblut für das Vaterland opferte. Die Dichter Arndt, Körner, Schenkendorf, Kleist und Rückert begeisterten Volk und Heer durch zündende Freiheitslieder. Preußen stellte bei 5 Millionen Einwohnern 270.000 Krieger ins Feld. Die militärisch nicht ausgebildeten Männer von 17 – 40 Jahren bildeten die „Landwehr“; sie trugen an der Wachstuchmütze ein Kreuz mit der Inschrift: „Mit Gott für König und Vaterland“.
Anfangs waren sie nur mangelhaft mit Waffen und Kleidung ausgerüstet, erwiesen sich aber doch schon nach wenigen Monaten als brauchbare Feldtruppen. Der Oberbefehl über die Armee wurde auf Scharnhorsts Rat dem General Blücher übertragen. Blücher war bei Beginn der Freiheitskämpfe bereits 70 Jahre alt, doch stand er noch in voller Manneskraft, „ein Jüngling im weißen Haar“. „Mich juckt’s in allen Fingern,“ schreibt er 1813, „den Säbel zu ergreifen. Wenn wir jetzt nicht alles Schelmfranzosenzeug mitsamt dem Bonaparte vom deutschen Boden vertilgen, so scheint mir kein deutscher Mann des deutschen Namens wert zu fein… Darum, so sage ich: Marsch, auf und dem Feind in die Rippen!“
Lützen und Bautzen.
Die vereinten Preußen und Russen griffen Napoleon, der mit Hilfe des Rheinbundes ein überlegenes Heer zusammengebracht hatte, bei Lützen (Großgörschen) an. Ein langes, blutiges Ringen entspann sich. Die Freiwilligen bestanden hier ruhmvoll die erste Feuerprobe. Napoleon, der mit Staunen die Todesverachtung der preußischen Truppen sah, rief grimmig aus: „Diese Bestien haben etwas gelernt!“
Die Schlacht blieb ohne Entscheidung; aber am Abende beschlossen die Russen gegen den Willen Friedrich Wilhelms und der preußischen Generale den Rückzug. Scharnhorst war in der Schlacht schwer verwundet worden. Er reiste trotzdem im Dienste des Königs nach Österreich, um über ein Bündnis zu verhandeln. Unterwegs starb er jedoch. Drei Wochen später kam es bei Bautzen zu einer zweiten Schlacht, die ebenfalls mit dem Rückzuge der Preußen und Russen endete. Napoleon hatte den Sieg aber furchtbar teuer erkaufen müssen. „Keine Fahne, kein Geschütz, keine Trophäe; nicht einmal den Nagel von einer Kanone lassen sich die Preußen nehmen; ist das ein Sieg!“ rief er zornig am Abende der Schlacht.
Wegen seiner schweren Verluste bot er den Verbündeten einen Waffenstillstand an, der auch angenommen wurde. Während desselben hatte Napoleon sein Hauptquartier in Dresden aufgeschlagen. Sachsen seufzte unter dem Drucke der hier lagernden französischen Armee. Napoleon machte vergebliche Anstrengungen, Österreich als Bundesgenossen zu gewinnen. Österreich, so wie Schweden und England schlossen sich aber dem Bündnisse gegen Napoleon an.
Die Schlachten bei Großbeeren, an der Katzbach, bei Dresden und Dennewitz.
Die Verbündeten, die nunmehr Napoleon an Truppenzahl überlegen waren, stellten drei Heere gegen ihn auf. Die Hauptarmee, die aus Österreichern, Russen und einem preußischen Korps unter General von Kleist zusammengestellt war, wurde von dem österreichischen Fürsten Schwarzenberg befehligt. Bei ihr hielten sich die Kaiser von Rußland und Österreich und der König von Preußen auf. Die schlesische Armee stand unter Blücher, bei dem sich Gneisenau und York befanden; sie war aus Preußen und Russen gebildet. Die Nordarmee sollte Berlin decken und bestand aus Preußen unter Bülow und Tauentzien, sowie aus Schweden.
Den Oberbefehl führte Bernadotte, ein Franzose, der früher unter Napoleon General gewesen war, und den die Schweden zum Thronfolger ihres kinderlosen Königs gewählt hatten. Gleich nach Beendigung des Waffenstillstandes ging der Kampf von neuem los. Napoleon sandte einen seiner besten Generale, um Berlin zu nehmen. Bernadotte wollte die Stadt preisgeben und hinter die Spree zurückgehen, aber Bülow erklärte ihm: „Meine Knochen sollen vor Berlin bleichen“ und griff mit den Preußen die französische Armee zwei Meilen südlich von Berlin, bei Großbeeren an. Die pommerschen und brandenburgischen Landwehrleute, deren Flinten bei dem Regenwetter nicht losgingen, schlugen unter dem Rufe: „So flutscht es besser!“ mit dem Kolben auf den Feind los und trieben ihn nach einem hartnäckigen Kampfe in die Flucht.
Tausende strömten auf das nahe Schlachtfeld hinaus, brachten den tapferen Kriegern Speise und Trank, nahmen die Verwundeten mit in ihr Haus und pflegten sie. Die Schweden nahmen an der Schlacht nicht teil. Napoleon selbst hatte sich gegen Blücher gewendet. Dieser aber wich dem schlachtenkundigen Kaiser vorsichtig aus und ließ sich in keinen Kampf ein.
Als Napoleon, der durch die Hauptarmee im Rücken bedroht wurde, den Oberbefehl an General Macdonald abgab und zurückeilte, änderte Blücher sein Verhalten. Am 26. August wollte er den Feind angreifen; dieser hatte die gleiche Absicht und überschritt die Katzbach die durch starke Regengüsse hoch angeschwollen war. Das war Blücher auch recht, und als sein Heer schlagfertig war, rief er, sich behaglich den Bart streichend: „Nun, Kinder, habe ich genug Franzosen herüber. Vorwärts in Gottes Namen!“Dann stürzte er sich ungestüm auf die durch den Fluß getrennten Feinde und drängte sie unwiderstehlich in die Katzbach und wütende Neiße. Seit diesem Tage hieß Blücher bei seinen Soldaten „Marschall Vorwärts“. York vollendete durch rücksichtslose Verfolgung den glänzenden Sieg.
An demselben Tage hatte aber Napoleon der Hauptarmee bei Dresden eine schwere Niederlage beigebracht und sie in die böhmischen Grenzgebirge zurückgeworfen. Um sie völlig abzuschneiden, sandte er ihr eine Truppenabteilung in den Rücken. Diese wurde jedoch am folgenden Tage vom General von Kleist vollständig eingeschlossen, so daß sie sich gefangen geben mußte. Napoleon machte noch einen zweiten Versuch, Berlin zu nehmen, und sandte seinen tüchtigsten Feldherrn gegen Bernadotte. Abermals suchte dieser einer Schlacht auszuweichen, aber Bülow und Tauentzien stellten sich bei Dennewitz, nördlich von Wittenberg, den Franzosen entgegen und erfochten einen entscheidenden Sieg.Da sah sich Napoleon genötigt, Dresden zu verlassen und sich nach Leipzig zurückzuziehen, um nicht durch die Vereinigung der Verbündeten von der Straße nach Frankreich abgeschnitten zu werden.
Die Völkerschlacht bei Leipzig.
Nach der Schlacht an der Katzbach hatte Blücher bei Wartenburg, wo York in einem glänzenden Nachtgefechte den Übergang erzwang, die Elbe überschritten. Die Heere der Verbündeten bildeten nunmehr einen großen nach Westen offenen Halbkreis um Napoleon, der seine Truppen bei Leipzig zusammengezogen hatte. Hier kam es am 16. und 18. Oktober 1813 zur großen Entscheidungsschlacht, in der über ½ Million Soldaten fast aller Völker Europas um den Sieg rangen und über 1000 Kanonen gegeneinander donnerten. Im Süden von Leipzig entbrannte um das Dorf Wachau ein furchtbarer Kampf, und es gelang Napoleon wiederum, Erfolge zu erringen. Im Norden der Stadt aber, bei Möckern, erfocht Blücher einen blutigen Sieg. Fünfmal wurde das Dorf von Yorks heldenmütigen Truppen, die hier ungeheure Verluste erlitten, genommen, aber erst beim sechsten Male konnten sie sich darin halten.
Am 17. Oktober, einem Sonntage, ruhten die Waffen. Napoleon versuchte, mit seinem Schwiegervater, dem Kaiser von Österreich, zu unterhandeln, wurde jedoch abgewiesen. Der 18. Oktober brachte die Entscheidung. Napoleon hatte seine Hauptstellung beim Dorfe Probstheida und leitete die Schlacht von einem Windmühlenhügel aus. Die verbündeten Herrscher standen auf dem Galgenberge. Es war eine furchtbare Schlacht. Vor dem Dorfe lagen stellenweise die Leichen so hoch, daß die Kämpfer nicht mehr darüber hinweg konnten.
Nach hartnäckigem Kampfe nahmen die Verbündeten das besetzte Dorf und warfen die Franzosen auf Leipzig zurück. Napoleon mußte den Rückzug antreten. Sächsische und württembergische Truppen, die nicht mehr für den fremden Eroberer ihr Blut vergießen wollten, waren während der Schlacht zu den Verbündeten übergetreten. Bayern hatte sich schon acht Tage vorher von Napoleon losgesagt. Der Rheinbund löste sich auf. Am 19. Oktober wurde Leipzig erstürmt. Die Königsberger Landwehr drang zuerst in die Stadt und schon am Nachmittage zogen König Friedrich Wilhelm und Kaiser Alexander von Rußland, unter dem Jubel der Bevölkerung, in Leipzig ein. Alexander I. umarmte Blücher auf offenem Marktplatze und sagte: „Mein lieber General, Sie haben das Beste getan, Sie sind der Befreier Deutschlands.“ Blücher aber entgegnete: „Majestät, habe nur meine Schuldigkeit getan.“ Friedrich Wilhelm III. beförderte den alten Helden zum Feldmarschall.
Napoleon floh mit der geschlagenen Armee dem Rheine zu. Um die Trümmer seiner Hauptarmee zu retten, ließ er die Elsterbrücke in Leipzig hinter sich in die Luft sprengen. Dadurch gerieten Tausende in Gefangenschaft, viele aber, die sich durch Schwimmen retten wollten, ertranken in den Fluten.
Das Kriegsjahr 1814.
Nach der Schlacht bei Leipzig unterhandelte der Kaiser Franz mit Napoleon über den Frieden. Blücher und die preußischen Generale fürchteten, daß „die Feder verderben werde, was das Schwert errungen“. Aber die Verhandlungen scheiterten an Napoleons maßlosen Forderungen, und der Kampf wurde wieder aufgenommen. Blücher überschritt in der Neujahrsnacht bei Caub den Rhein; die anderen Heere folgten, und der Krieg wurde nach Frankreich hineingetragen. Napoleon zeigte sich noch oft als der alte Meister der Kriegskunst und brachte den verbündeten Heeren mehrere blutige Niederlagen bei. Nur dem Vorwärtsdrängen Blüchers war es zu danken, daß die Verbündeten Ende März 1814 vor Paris standen. Am 31. März 1814 zogen die drei Monarchen in Frankreichs Hauptstadt ein.
Prinz Wilhelm.
Bei Bar sur Aube (bar ßür ohb), wo die Hauptarmee über die Franzosen einen Sieg erfocht, erhielt der siebzehnjährige Prinz Wilhelm, der zweite Sohn des Königs und spätere Kaiser Wilhelm I., die Feuertaufe. Ein russisches Regiment befand sich im heftigen Kampfe und erlitt starke Verluste.
Da sandte der König seinen Sohn Wilhelm mit einem Auftrage zu der kämpfenden Truppe. Der junge Prinz führte den Befehl mit großer Kaltblütigkeit aus und erwarb sich dadurch die Achtung der russischen Offiziere, die beifällig unter sich äußerten: „Das wird ein Prinz Heinrich!“ Der König verlieh ihm das Eiserne Kreuz.
Napoleons Abdankung.
Napoleon, der durch die fortwährenden Kriege seinem Volke ungeheure Opfer an Gut und Blut auferlegt hatte, wurde nach der Einnahme von Paris gezwungen, die Krone niederzulegen, und nach der Insel Elba verbannt. 400 Mann seiner Garde durften ihm folgen. Den französischen Thron bestieg der Bruder des hingerichteten Königs unter dem Namen Ludwig XVIII.
Der erste Pariser Friede.
Beim Friedensschlusse wurde Frankreich sehr milde behandelt. Preußen verlangte zwar, ihm die ungeheuren Kosten zu erstatten, die der Durchzug der Franzosen 1812 verursacht hatte, es wünschte ferner, daß die alten deutschen Lande Elsaß und Lothringen an Deutschland zurückgegeben würden.
Diese Forderungen wurden jedoch von den andern Mächten abgelehnt. Frankreich zahlte keine Kriegskosten und brauchte nicht einmal alle geraubten Kunstschätze herauszugeben. Die Siegesgöttin vom Brandenburger Tor, sowie der Hut und der Degen Friedrichs des Großen wurden indessen nach Berlin zurückgebracht. Zur Neuordnung Europas sandten alle Staaten Vertreter zu einer großen Versammlung nach Wien (Wiener Kongreß).
Napoleons Rückkehr.
In Frankreich war das Volk mit Ludwig XVIII., der alle Anhänger Napoleons ihrer Ämter entsetzte, nicht zufrieden. Besonders die alten Soldaten Napoleons, von denen die meisten bitterer Armut ausgesetzt waren, ersehnten seine Herrschaft zurück. Auf dem Wiener Kongresse brachen unter den verbündeten Fürsten wegen der Neuordnung der Länder Streitigkeiten aus, die fast zum Kriege führten. Napoleon hatte von Elba aus alles beobachtet. Er entwich unvermutet von der Insel, landete an der französischen Küste und bemächtigte sich in wenigen Tagen wieder der Herrschaft. Überall wurde er jubelnd aufgenommen und in kurzer Zeit stand ihm ein Heer von 200 000 Mann zur Seite. Die Nachricht von seiner Rückkehr machte die Mächte einig, und ein neuer Krieg gegen ihn wurde beschlossen.
Belle Alliance (1815).
Die Preußen unter Blücher und Gneisenau und die Engländer unter Wellington waren zuerst auf dem Platze und wollten sich in Belgien vereinigen. Ehe dies aber gelang, warf sich Napoleon bei Ligny auf Blücher. „Vorwärts, Kinder!“ rief er, „wir müssen was getan haben, ehe die Engländer kommen!“ Aber die Engländer, auf deren Hilfe Blücher rechnete, kamen nicht, sie hatten selbst gegen ein französisches Korps zu kämpfen. So mußte Blücher endlich trotz aller Tapferkeit das Dorf aufgeben und sich zurückziehen. Im Kampfgetümmel stürzte der greise Feldmarschall mit seinem Pferde und wäre beinahe in Gefangenschaft geraten.
Am 18. Juni 1815 griff Napoleon die Engländer bei Waterloo an. Sogleich schickte Wellington einen Boten zu Blücher und ließ ihn bitten, ihm zwei Heereshaufen zu schicken. Dieser ließ ihm sagen: „Nicht nur mit zwei Abteilungen, sondern mit meiner ganzen Armee will ich kommen.“ Gegen Mittag begann die Schlacht. Mit äußerster Gewalt versuchte Napoleon, die Reihen der Engländer zu durchbrechen, aber diese leisteten trotz der Übermacht tapferen Widerstand. Wellington kam bald in eine so ernste Lage, daß er, als fast die Hälfte seiner Krieger tot oder verwundet das blutige Feld bedeckte, die Nacht oder Blücher herbeiwünschte. Die Preußen waren schon seit frühem Morgen auf dem Marsche.
Sie kamen aber, durch die unerhörten Anstrengungen der vergangenen Tage ermüdet, nur mühsam vorwärts, da die Wege durch langen Regen aufgeweicht waren. Blücher mahnte mit den Worten: „Ich habe es meinem Bruder Wellington versprochen!“ immer wieder zur Eile, obschon er selbst an seinem Oberschenkel, der durch den Sturz vom Pferde gequetscht worden war, arge Schmerzen litt.
Als Wellingtons Not auf das Höchste gestiegen war, konnten die preußischen Truppen in die Schlacht eingreifen. Napoleon erkannte die Gefahr. Jetzt, von zwei Seiten angegriffen, führte er seine beste Truppe, die alte Garde, ins Gefecht. Aber sie konnte ihn nicht mehr retten. Die französische Armee wurde fast vernichtet; der Rest stürzte in wilder Flucht davon. Bei dem Gutshofe Belle Alliance trafen Wellington und Blücher freudig bewegt zusammen. Gneisenau aber, der die Verfolgung leitete, setzte „den letzten Hauch von Mann und Roß“ daran, das geschlagene französische Heer nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Napoleon selbst entging mit Mühe der Gefangennahme; sein Wagen fiel preußischen Reitern in die Hände. Dieser eine Sieg entschied den Feldzug. Zum zweiten Male zogen die verbündeten Monarchen an der Spitze ihrer siegreichen Heere in Paris ein.
Der zweite Pariser Friede und Napoleons Ende.
Frankreich mußte 560 Millionen Mark Kriegskosten zahlen und alle geraubten Kunstschätze herausgeben. Elsaß-Lothringen behielt es aber. Der König Ludwig XVIII. kehrte auf den Thron zurück.Napoleon wurde von neuem zur Abdankung gezwungen und auf Beschluß der verbündeten Mächte nach der kleinen Felseninsel St. Helena (westlich von Afrika) verbannt. Dort ist er bis zu seinem Tode (1821) von den Engländern sorgfältig bewacht worden.