Der Deutsch-Französische Krieg.
Die Franzosen hatten die preußischen Ruhmestaten und die fortschreitende Einigung Deutschlands mit Besorgnis verfolgt. Napoleon befürchtete seinen Thron zu verlieren, wenn er nicht durch einen ruhmvollen Feldzug gegen Preußen sein wankendes Ansehen bei dem ehrgeizigen Volke befestigte.
Ein Vorwand zum Kriege war bald gefunden. Die Spanier boten 1870 dem Prinzen Leopold von Hohenzollern die Königskrone an. Obgleich dieser Fürst, der dem süddeutschen Zweige des Hohenzollerngeschlechtes angehörte, der Familie Napoleons näher verwandt war als dem preußischen Königshause, erklärte die französische Regierung, sie werde nicht dulden, daß ein Hohenzoller den spanischen Thron besteige, weil darin eine Bedrohung Frankreichs liege. Prinz Leopold verzichtete daraufhin auf die spanische Krone.
Aber nun verlangte der französische Botschafter, König Wilhelm solle an Napoleon einen entschuldigenden Brief schreiben und versprechen, daß auch für die Zukunft kein Hohenzoller den spanischen Thron besteigen werde. Diese Zumutung, sich vor Napoleon zu demütigen, wies König Wilhelm, der in Ems zur Kur weilte, würdevoll zurück und erklärte, für ihn sei die Angelegenheit durch den Verzicht des Prinzen erledigt. Als der französische Botschafter neue Unterredungen nachsuchte, um seine Forderung zu wiederholen, ließ ihm der König sagen, er habe ihm nichts weiter mitzuteilen. In der französischen Volksvertretung waren inzwischen heftige Reden gegen Preußen gehalten worden, und in Paris zogen aufgeregte Menschenmassen mit dem Rufe: „Nach Berlin!“ durch die Straßen.
Als Bismarck die telegraphische Nachricht von der Abweisung des französischen Botschafters in Ems veröffentlichte, stieg die Erregung in Paris auf den Gipfel. Der französische Kriegsminister teilte der Volksvertretung mit, zu einem Feldzuge sei alles völlig bereit, und so wurde der Krieg an Preußen erklärt. König Wilhelm reiste, von brausendem Jubel des Volkes auf allen Bahnhöfen begrüßt, nach Berlin und befahl, das Heer kriegsbereit zu machen. Am Todestage seiner Mutter besuchte er die Gräber seiner Eltern und erneuerte dann den Orden vom Eisernen Kreuze. Die süddeutschen Staaten, auf deren Abfall Napoleon III. gerechnet hatte, stellten dem Bündnisse getreu ihre Truppen unter König Wilhelms Befehl. Die wehrhaften Männer aller deutschen Stämme eilten unter dem Gesange der „Wacht am Rhein“ zu den Waffen. Alldeutschland nahm den Kampf auf.
Die Aufstellung der Heere.
In 14 Tagen und ohne Störung vollzog sich nach den Plänen des Generals von Moltke der Aufmarsch der deutschen Heere. Drei große Armeen wurden gebildet. Die I. Armee sammelte sich zwischen Koblenz und Trier; sie stand unter dem Befehle des Generals von Steinmetz. Die II. Armee unter dem Prinzen Friedrich Karl nahm in der Rheinpfalz Aufstellung. Die III. Armee setzte sich aus den süddeutschen Truppen und drei preußischen Korps zusammen, sie wurde in der Gegend von Mannheim zusammengezogen und von dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen befehligt, dem wie 1866 General von Blumenthal als Berater beigegeben war. Zur Verteidigung der Seeküsten gegen die überlegene französische Flotte waren 90 000 Mann bestimmt. König Wilhelm begab sich mit Moltke, Roon und Bismarck an die Westgrenze und übernahm den Oberbefehl über die drei Armeen.
Die Franzosen hatten zwei Heere gebildet. Das eine, unter Bazaine (basähn), stand bei Metz, das andere, unter Mac Mahon, bei Straßburg. Zu diesem gehörten auch die Turkos, mohammedanisch-arabische Truppen, die aus Algier hergeholt worden waren. Napoleon hatte die Regierung seiner Gemahlin, der Kaiserin Eugenie, übertragen und sich der Armee Bazaines angeschlossen.
Die Schlachten an der Grenze.
Der Aufmarsch der französischen Truppen ging trotz der stolzen Versicherung des Kriegsministers nur unter Schwierigkeiten vonstatten, die Regimenter waren nicht vollzählig und ihre Ausrüstungen unvollständig. Trotzdem drängte Napoleon zum Kampfe. Ein französisches Korps überschritt am 2. August die Grenze und griff die schwache Besatzung der preußischen Stadt Saarbrücken lebhaft an.
Die preußischen Truppen gingen vor der Übermacht tapfer kämpfend zurück, so daß die Franzosen in Saarbrücken einrücken konnten. Dieses unbedeutende Grenzgefecht wurde in Paris als großer Sieg gefeiert. Nachdem der Aufmarsch der Deutschen vollendet war, überschritt der Kronprinz mit der III. Armee zuerst die Grenze. Seine Truppen, Bayern und Preußen, griffen die Vorhut Mac Mahons am 4. August bei Weißenburg an und erstürmten den dahinterliegenden steilen Geisberg. Zwei Tage darauf kam es mit Mac Mahons Hauptmacht bei Wörth zur Schlacht.
Die Franzosen, die mit glänzender Tapferkeit fochten, wurden von den Höhen des Flüßchens Sauer nach furchtbarem Kampfe vertrieben. Um die Schlacht zu retten, warf Mac Mahon dem unaufhaltsam vordringenden deutschen Fußvolke seine Reitergeschwader entgegen; aber die stolzen Regimenter brachen unter dem vernichtenden Gewehrfeuer der Deutschen zusammen. In Unordnung flutete die geschlagene französische Armee zurück. An demselben Tage griffen Teile der beiden andern Armeen die von den Franzosen besetzten Spicherer Höhen südlich von Saarbrücken an. Das preußische Fußvolk erkletterte unter schweren Verlusten die steilen Hänge und schlug die Franzosen in die Flucht.
Die Schlachten bei Metz.
Bazaine, der den Deutschen allein nicht mehr entgegenzutreten wagte, beschloß nun, weiter zurückzugehen und sich mit Mac Mahon, der seine geschlagene Armee ordnete und ergänzte, zu vereinigen. Er wurde aber von Steinmetz ungestüm angegriffen und gegen Metz gedrängt. Von hier standen ihm zwei Straßen, eine südliche und eine nördliche, zum Rückzuge zu Gebote. Die deutsche Heeresleitung wollte jedoch Bazaines Abmarsch verhindern.
Die II. Armee überschritt deshalb südlich von Metz die Mosel, und das dritte Korps (Brandenburger), das sich an der Spitze befand, griff am 16. August die abziehenden Franzosen bei Marsla Tour-Vionville an. Wohl wurde der Feind dadurch am Weitermarsche gehindert, aber das eine preußische Korps wurde von der französischen Übermacht fast umklammert und erlitt furchtbare Verluste. Die preußische Reiterei versuchte durch mehrere große Angriffe das Fußvolk zu unterstützen und erfocht sich blutige Lorbeeren. Endlich, als die Kräfte der braven Brandenburger fast erschöpft waren, kam die ersehnte Hilfe. Die nördliche Abmarschstraße war für Bazaine noch offen geblieben; er änderte jedoch seinen Plan und bezog westlich von Metz feste Stellungen.
Hier traf ihn am 18. August von Süden und Westen her bei Gravelotte – St. Privat der Angriff der I. und II. Armee. König Wilhelm führte selbst den Oberbefehl. Das zwölfte Korps und die Garde umgingen in weit ausholendem Marsche den französischen rechten Flügel und erstürmten die Dörfer St. Marie und St. Privat. Mit diesem Erfolge war die Schlacht, die blutigste des ganzen Krieges, entschieden: Bazaine wurde in die Festung Metz hineingedrängt und darin von allen Seiten eingeschlossen. Napoleon hatte vor der Schlacht das Heer verlassen und war zu Mac Mahon geflohen. Prinz Friedrich Karl belagerte nun mit der I. und II. Armee Metz. Drei Korps, nämlich die Garde, das vierte und das zwölfte, wurden aber ausgeschieden und als IV. Armee unter den Befehl des Kronprinzen Albert von Sachsen gestellt.
Sedan.
Mac Mahon wollte mit seiner neu geordneten Armee Bazaine befreien und suchte auf einem Umwege von Norden her nach Metz zu gelangen. Die deutsche Reiterei stellte jedoch seine Bewegungen fest; die III. und IV. Armee schwenkten in einem großen Bogen nach Norden, um ihm den Weg zu verlegen, und erreichten ihn im Tale der Maas, unfern der belgischen Grenze. Auf den Hochebenen östlich und südlich der kleinen Festung Sedan hatte Mac Mahon sein Heer aufgestellt. Die deutschen Armeen griffen ihn hier am 1. September an und schlossen im Laufe des Tages weit um Sedan herum einen undurchdringlichen Ring.
Trotz tapferster Gegenwehr wurden die Franzosen überall zurückgeworfen, und am Nachmittage fluteten die geschlagenen Truppen von allen Seiten in die überfüllte enge Stadt hinein. Dort waren sie dem Feuer der deutschen Geschütze widerstandslos preisgegeben. Jeder weitere Kampf war nutzlos. Napoleon hatte vergeblich versucht, auf dem Schlachtfelde einen ehrenvollen Soldatentod zu finden. Als er sah, daß seine Armee unrettbar verloren war, richtete er ein Schreiben an König Wilhelm, in dem es hieß: „Da es mir nicht vergönnt war, inmitten meiner Truppen zu sterben, so lege ich meinen Degen in die Hände Eurer Majestät!“
Daß sich Napoleon bei Mac Mahon befand, war im deutschen Heerlager unbekannt gewesen; um so größerer Jubel erhob sich nun, als die Nachricht von seiner Gefangennahme bekannt wurde. Der Rest der französischen Armee, 100 000 Mann, mußte sich am Tage nach der Schlacht dem Sieger ergeben. Tief ergriffen von den gewaltigen Ereignissen, telegraphierte König Wilhelm seiner Gemahlin: „Welch eine Wendung durch Gottes Fügung!“ Napoleon wurde auf Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel bis zum Friedensschlusse gefangen gehalten; wenige Jahre danach ist er in England gestorben.
Der Belagerungskrieg.
Auf die Nachrichten von den Ereignissen in Sedan brach in Paris die Revolution aus. Napoleon wurde für abgesetzt und Frankreich zur Republik erklärt;die Kaiserin floh nach England. Die Spitze der neuen Regierung, blideten Jules Favre und Gambetta.Aber keinen Fuß breit seines Landes, keinen Stein seiner Festungen wollte Frankreich dem Sieger überlassen. Es setzte, obgleich die deutschen Heere Paris belagerten, den Krieg entschlossen fort: das ganze Volk wurde zu den Waffen gerufen.
In den von den Deutschen besetzten Landesteilen bildeten sich bewaffnete Banden (Franktireurs), die kleinere deutsche Abteilungen überfielen. Die deutschen Truppen wurden durch die Belagerung von Straßburg, Metz, Paris und vieler kleineren Festungen festgehalten. Den zum Entsatze von Paris herbeieilenden französischen Volksheeren konnten daher nur schwache bayrische Abteilungen unter General von der Tann entgegengestellt werden. Diese schlugen die Franzosen in der Gegend von Orleans in zahlreichen Gefechten und hielten sie so lange von Paris fern, bis andere deutsche Truppen frei wurden.
Straßburg, das sehr tapfer verteidigt wurde, mußte belagert und beschossen werden, ehe es sich Ende September dem General von Werder ergab. Dieser begann darauf die Belagerung von Belfort. In Metz hielt sich Bazaine noch längere Zeit. Er suchte durch mehrere große Ausfälle den Ring zu sprengen, der ihn einschloß. Als alle Lebensmittel aufgezehrt waren, mußte er jedoch die Festung und sein ganzes Heer von 180 000 Mann Ende Oktober übergeben.
Der Kampf gegen die Republik.
Durch den Fall von Metz wurde das Heer des Prinzen Friedrich Karl frei. Dieser eilte zur Unterstützung der Bayern an die Loire und vernichtete das dort stehende große französische Entsatzheer in den Schlachten bei Orleans und Le Mans. Eine andere französische Armee suchte von Norden her der bedrängten Hauptstadt zu Hilfe zu kommen, wurde aber bei St. Quentin ebenfalls geschlagen und zerstreut. Ein drittes Heer sollte Belfort befreien und in Deutschland eindringen. General von Werder hielt es jedoch in dreitägigen harten Kämpfen auf, bis General von Manteuffel zu seiner Unterstützung herangekommen war. Dieser drängte die Franzosen sodann in das Juragebirge und zwang sie, in die Schweiz überzutreten. Dort wurden sie, noch 80 000 Mann stark, entwaffnet und bis zum Schlusse des Krieges gefangen gehalten.
Während dieser Kämpfe blieb Paris von den deutschen Truppen eingeschlossen, König Wilhelm leitete von Versailles aus, wo er in dem glänzenden Schlosse Ludwigs XIV. wohnte, die Belagerung der Stadt und die Bewegungen der Heere.
Die Kaiserproklamation zu Versailles.
Nach so herrlichen Ruhmestaten, die von allen deutschen Stämmen gemeinsam auf Frankreichs Erde vollbracht worden waren, konnte der Main nicht länger eine Grenzlinie zwischen Nord- und Süddeutschland bilden.Im Laufe des Winters 1870/71 traten die süddeutschen Staaten dem Norddeutschen Bunde bei, und Graf Bismarck bewog den König Ludwig von Bayern, im Namen aller deutschen Fürsten den greisen König Wilhelm zu bitten, die deutsche Kaiserwürde anzunehmen.
Für das deutsche Volk sprach eine Abordnung des Norddeutschen Reichstages dieselbe Bitte aus. Am 18. Januar 1871 wurde König Wilhelm von Preußen, umgeben von einer Anzahl deutscher Fürsten und von seinen schlachtenerprobten Kriegern, im Schlosse zu Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Zum Schluße trat der Großherzog von Baden vor und rief: „Seine Majestät der Kaiser Wilhelm lebe hoch!“
Die ganze Versammlung stimmte dreimal begeistert in diesen Ruf ein, und die Musik spielte: „Heil dir im Siegerkranz.“Ein mächtiges Deutsches Reich unter dem Kaiserhause der Hohenzollern war erstanden. Kronprinz Friedrich Wilhelm, der sich große Verdienste um die Erneuerung der Kaiserwürde erworben hatte, schrieb am Abende des unvergeßlichen Tages: „Die langjährigen Hoffnungen unserer Voreltern, die Träume deutscher Dichtungen, sind erfüllt!“
Der Einzug in Paris.
In Paris, das sich noch immer hartnäckig verteidigte, war die Not auf das Höchste gestiegen.
Alle Vorräte waren aufgezehrt, die Hoffnungen auf Befreiung geschwunden. Die stolze Hauptstadt Frankreichs mußte dem deutschen Heere ihre Tore öffnen, und an der Spitze seiner tapferen Krieger zog Kaiser Wilhelm am 1. März 1871 als Sieger ein.
Der Kampf zur See.
Zu Beginn des Krieges erschienen große französische Geschwader in der Nord-und Ostsee und versperrten die Häfen, da die schwache preußische Flotte den Kampf auf offener See mit ihnen nicht wagen konnte. Nach den Niederlagen des französischen Heeres kehrten aber die feindlichen Schiffe nach Frankreich zurück, wo ihre Besatzungen als Landtruppen verwendet wurden. Bei Habana (Westindien) bestand das preußische Kanonenboot „Meteor“ ein siegreiches Gefecht mit einem französischen Kriegsschiffe, das schwer beschädigt in den fremden Hafen fliehen mußte.
Der Friede zu Frankfurt.
Fast 400 000 französische Soldaten waren in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und 100 000 Mann über die belgische und schweizerische Grenze getrieben worden. Die Festungen des Landes, mehr als 7000 Geschütze und 110 Fahnen befanden sich in den Händen der Deutschen. Frankreich war völlig niedergeworfen und mußte um Frieden bitten. Er kam zu Frankfurt a. M. zustande.
Frankreich trat Elsaß (ohne Belfort), sowie Deutsch-Lothringen ab und zahlte eine Kriegsentschädigung von 4000 Millionen Mark, bis zu deren Entrichtung französisches Gebiet besetzt blieb.
Elsaß-Lothringen wurde unmittelbares deutsches Reichsland.Die deutschen Truppen kehrten nun in ihre Heimat zurück; überall wurden sie mit Jubel empfangen. Am glänzendsten war jedoch der Einzug der Truppen in Berlin. Die ganze Stadt war mit Fahnen, Laubgewinden und Kränzen geschmückt, und eine halbe Million Fremder war zu dieser Festlichkeit herbeigeeilt. Als bleibendes Andenken wurde später die Siegessäule errichtet.
Die Verdienste seiner getreuen Helfer Bismarck, Moltke und Roon erkannte Kaiser Wilhelm an, indem er Bismarck in den Fürstenstand, Moltke und Roon in den Grafenstand erhob;den Kronprinzen Friedrich Wilhelm, den Prinzen Friedrich Karl und Moltke ernannte er zu Generalfeldmarschällen.
Moltke und Roon.
Hellmuth von Moltke wurde im Jahre 1800 in Mecklenburg geboren. Er war erst dänischer Offizier, trat aber dann in preußischen Dienst, wo er zum General emporstieg. Die Pläne der Feldzüge 1864, 1866 und 1870/71 sind von ihm entworfen worden, und daher gebührt ihm an den großen Erfolgen ein Hauptverdienst. Er war ein hagerer Mann und erhielt wegen seines ernsten und wortkargen Wesens den Beinamen „der große Schweiger“. Bis 1888 stand er an der Spitze der Armee. Er starb 1891 in Berlin.
Albrecht von Roon, geboren 1803, verbesserte als Kriegsminister Einrichtung und Bewaffnung der preußischen Armee. Durch die von ihm durchgeführte Vermehrung des Heeres, das nach seinen Händen in 14 Tagen kriegsbereit gemacht werden konnte, schuf er die Vorbedingungen, durch die die Siege der drei Feldzüge ermöglicht wurden. Er starb 1879.