Teil 3.
Friedrich als Landesvater.
Die furchtbaren Aufregungen und Anstrengungen des Siebenjährigen Krieges hatten den König vorzeitig alt gemacht. In abgetragenem blauen Rocke, mit hohen Stiefeln, ein dreieckiges Hütchen auf dem Kopfe und mit dem Krückstocke in der Hand sahen ihn die Berliner auf seinem Schimmel durch die Straßen reiten. Er hielt seinen kleinen hageren Körper ein wenig nach vorn geneigt, und seine großen, blauen Augen schienen jedem bis auf den Grund der Seele zu schauen. So steht er noch bis heute als „der alte Fritz“ dem preußischen Volke vor Augen. Mit eiserner Pflichttreue, einfach sparsam und gerecht, arbeitete er für das Wohl vor seines Staates, dessen „erster Diener er sein wollte.“ Als ihm die Gicht den Gebrauch der rechten Hand erschwerte, lernte er im Alter noch mit der linken schreiben. Alle Teile der Staatsverwaltung standen unter seiner strengen Aufsicht.
Der Großgrundbesitz.
Friedrich wünschte, daß jeder Untertan in seinem Stande bleiben sollte, weil er so für den Staat und sich selbst am nützlichsten wirken könnte. Der Bauer sollte das Feld bearbeiten, der Bürger Handel oder Gewerbe treiben, der Edelmann als Großgrundbesitzer sich mit Landwirtschaft beschäftigen und als Offizier oder Verwaltungsbeamter dem Staate dienen. Die Söhne des Adels hatten sich in den Kriegen als hervorragende Offiziere erwiesen; manche Familie hatte 20 und mehr ihrer Glieder auf dem Schlachtfelde verloren. Daher wurden den Edelleuten, denen der König das regste Ehrgefühl zutraute, die Offizierstellen vorbehalten; nichtadelige Offiziere duldete Friedrich höchstens bei der Artillerie. Er verbot den Verkauf von Rittergütern an Bürger und sah es ungern, wenn Edelleute bürgerliche Frauen heirateten. Um den Adel, der durch den Krieg verarmt war, auf den großen Gütern zu erhalten, gewährte er ihm Darlehen gegen geringe Verzinsung.
Ackerbau.
Zunächst galt es für Friedrich, seinem Lande das in dem langen Kriege gewaltige Opfer an Gut und Blut gebracht hatte, wieder aufzuhelfen. Er schenkte bedürftigen Bauern die Abgaben und ließ viele Militärpferde, die nach dem Kriege überflüssig geworden waren, sowie Saatkorn umsonst verteilen. Um Arbeitskräfte für den Ackerbau zu beschaffen, entließ er viele Landeskinder aus dem Heere und stellte dafür Fremde ein. Aus Holland wurde gutes Rindvieh bezogen. Besondere Mühe gab sich der König in den sandigen Gegenden der Mark und Hinterpommerns den Kartoffelbau einzubürgern. Nur dem Zwange gehorchend, pflanzten die Bauern das neue Gewächs, dessen Wert sie in einem schlechten Getreidejahr endlich schätzen lernten. Sumpfige Landstriche wurden entwässert und dadurch in fruchtbares Ackerland verwandelt. Im Oderbruche entstanden 40 neue Dörfer mit 1200 Familien. Im Ganzen hat Friedrich mehr als 1000 Dörfer gegründet und dafür 40 Millionen Taler ausgegeben. Daher konnte er mit berechtigtem Stolze sagen, er habe „mitten im Frieden eine Provinz erobert.“ Auf den königlichen Gütern erleichterte der König das Los der Bauern; Edelleute, die die Bauern übel behandelten, strafte er schonungslos und ohne Ansehen der Person.
Handel und Gewerbe.
Schon vor dem Siebenjährigen Kriege hatte sich der König eifrig bemüht, den Handel zu heben. Da es damals weder Eisenbahnen noch feste Straßen gab, konnte man große Mengen von Gütern nur auf den Flüssen und Kanälen fortschaffen. Auf Friedrichs Befehl entstand der Plauesche Kanal zwischen Elbe und Havel, sowie der Finow-Kanal zwischen Oder und Havel. Alles, was die Bewohner Preußens gebrauchten, sollte im Lande selbst hervorgebracht werden. Um mit den englischen Tuchwaren den Wettbewerb aufzunehmen, ließ der König das spanische Merinoschaf einführen, das feinere Wolle trägt. Papiermühlen, Samt- und Seidenwebereien wurden angelegt und zur Zucht der Seidenraupe zahlreiche Maulbeerbäume angepflanzt. In Berlin gründete Friedrich die Königliche Porzellanmanufaktur, die bald einen Weltruf erlangte. Die Schlesier konnten, seitdem sie Preußen geworden waren, ihre Leinwaren nicht mehr wie bisher nach Österreich verkaufen; der Absatz nach Brandenburg und Pommern ersetzte aber den Ausfall nicht. Da verwies sie Friedrich auf den Seehandel. Er ließ die Swine schiffbar machen und Swinemünde bauen; Stettin wurde der Hafen für die Ausfuhr. Bald ging schlesische Leinwand in alle Welt. Außerdem gründete Friedrich für den Verkehr mit den überseeischen Ländern die preußisch-ostindische Handelsgesellschaft in Emden (Emden war 1744 mit Ostfriesland durch Erbschaft an Preußen gefallen). Leider ging im Siebenjährigen Kriege der eben erblühende Seehandel wieder zugrunde.
Daß der König die Kriegsflotte nicht erneuert hatte, sollte sich im Siebenjährigen Kriege hart bestrafen. Da die verbündeten Engländer trotz ihres Versprechens keine Schiffe zum Schutze der preußischen Küsten nach der Ostsee sandten, vernichteten Schweden und Russen den preußischen Seehandel vollständig. Die Engländer selbst rissen den preußischen Seeverkehr an sich und knüpften sogar mit Friedrichs Feinden , den Russen, Handelsverbindungen an. Letztere schnitten die von ihnen belagerte Festung Kolberg durch ihre Schiffe vom Meere ab, so daß sie sich aus Mangel an Zufuhr ergeben mußte; die Schweden konnten ungehindert ihre Truppen, die gegen Preußen fechten sollten, über die Ostsee senden. Der König versuchte während des Krieges schnell eine Flotte zu schaffen: er kaufte zwölf Handelsschiffe, bemannte sie aus Mangel an Seeleuten zum Teil mit Landtruppen und wollte mit ihnen die Odermündungen verteidigen. Aber in einer Seeschlacht wurde die kleine Flotte mit den ungeeigneten Fahrzeugen und ungeübten Mannschaften vernichtet. Trotz der Tapferkeit der Besatzungen wurden zehn Schiffe genommen oder in die Luft gesprengt. – Das Versäumte ließ sich nicht nachholen.
Steuerwesen.
Auf Tabak, Kaffee und Salz legte Friedrich hohe Abgaben. Zur Leitung des Steuerwesens berief er Franzosen, die darin besondere Erfahrungen besaßen. Nur der Staat durfte Kaffee, Tabak und Salz verkaufen, wer von andern kaufte und z. B. heimlich selbst Kaffee brannte, verfiel in Strafe. Die Steuerbeamten waren sehr verhaßt und wurden zum Spott „Kaffeeriecher“ genannt. Auch der Postverkehr wurde streng beaufsichtigt; zur Beförderung von Briefen durfte nur die staatliche Post benutzt werden.
Rechtspflege.
Bis zu Friedrichs Zeit erhielten die Richter die Gerichtskosten. Sie zogen daher nicht selten die Prozesse in die Länge, damit die Gebühren recht hoch wurden. Friedrich der Große verminderte die Zahl der Richter, gab ihnen Gehälter und bestimmte, daß jeder Rechtsstreit in einem Jahre erledigt werde. Die Kosten flossen in die Staatskasse. Friedrich ließ auch, das allgemeine preußische Landrecht, ein Gesetzbuch, das bis 1900 in Geltung geblieben ist, ausarbeiten. Vor dem Gesetze waren alle Preußen gleich; auch der König stellte sich unter das Recht. So schuf Friedrich der Große den preußischen Richterstand und machte Preußen zu einem Rechtsstaate.
Einmal glaubte er, die Richter hätten in einem Streit, den ein Müller mit einem Grafen hatte, dem armen Manne Unrecht getan. Er bestrafte die Richter und sagte: „Ein Gericht, das Ungerechtigkeit ausübt, ist gefährlicher und schlimmer als eine Diebesbande. Der geringste Bauer, ja der Bettler ist ebensowohl ein Mensch wie Sie Majestät, und vor dem Gerichte sind alle Menschen gleich.“ Wie groß das Vertrauen des Volkes zur Gerechtigkeit des Königs war, zeigt die Geschichte vom Müller zu Sanssouci.
Schule.
Durch ein Gesetz, das „General-Land-Schulreglement“, wurde die allgemeine Schulpflicht eingeführt und die Schulaufsicht geordnet. Für die Heranbildung eines tüchtigen Lehrerstandes sorgte Friedrich durch Gründung von Lehrerseminaren. In einzelnen Fällen stellte er auch Handwerker, gewesene Bediente und Unteroffiziere als Lehrer an; sie mußten aber ihre Befähigung durch eine Prüfung nachweisen.
Erwerbung Westpreußens.
Das Königreich Polen (Hauptstadt Warschau), das damals ohne König war, denn König Friedrich August II. ist kurz nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges gestorben, war von inneren Streitigkeiten und häufigen Bürgerkriegen zerrissen. Der zahlreiche übermütige Adel hielt die gänzlich verkommenen Bauern in Knechtschaft; einen Bürgerstand gab es nicht. Da der nicht mehr lebensfähige polnische Staat eine Gefahr für die Nachbarn war, kamen Rußland, Österreich und Preußen überein, die an ihre Länder grenzenden Gebiete Polens in Besitz zu nehmen und nur einen Teil als Königreich weiterbestehen zu lassen.
Bei dieser Teilung Polens (1772) fiel Westpreußen außer Danzig und Thorn, sowie das Gebiet an der Netze Friedrich dem Großen zu, so daß zwischen Ostpreußen und Brandenburg-Pommern nunmehr die Verbindung hergestellt war. Da nun das ehemalige Ordensland Preußen fast ganz zu seinem Staate gehörte, nannte sich Friedrich von dieser Zeit an „König von Preußen“.Das neuerworbene Gebiet befand sich freilich in jammervollem Zustande. Ganze Landstriche waren unbebaut; Wölfe machten im Winter nicht selten den Verkehr unmöglich. Die Häuser lagen selbst in den Städten in Schutt und Trümmern, und die Menschen wohnten nicht selten zusammen mit ihren Haustieren in Kellern und Erdhöhlen. Ohne Schulen, ohne ordentliches Gericht, ohne Post, ohne Ärzte und Apotheken lebte das Volk in fast tierischer Roheit stumpf dahin. Unter der Fürsorge Friedrichs, der sofort eine geordnete Verwaltung einführte, blühte das Land schnell auf. Der Netzebruch wurde entwässert; bald verband der Bromberger-Kanal Weichsel und Oder; Straßen wurden gebaut, Schulen errichtet und deutsche Handwerker in das Land gezogen. In wenigen Jahren wendete Friedrich 7 Millionen Taler zu Verbesserungen auf. Seine Arbeit hatte so sichtbare Erfolge, daß benachbarte polnisch gebliebene Landschaften ihn baten, auch preußisch werden zu dürfen. Deutsches Wesen und deutsche Bildung, die durch die lange Polenherrschaft fast vernichtet worden waren, zogen auf diese Weise jetzt von neuem in das alte Ordensland ein.
Westpreußen verdankt sein Blühen und Gedeihen einzig und allein der preußischen Verwaltung.
Friedrich der Große und das deutsche Reich.
Noch einmal mußte Friedrich gegen Österreich das Schwert ziehen. Als die Kurfürsten von Bayern ausstarben, wollte der Kaiser das Land an sich nehmen. Friedrich erhob dagegen Einspruch und rückte mit seinen Truppen in Böhmen ein. Ehe es aber zu Feindseligkeiten kam, gab der Kaiser nach und Bayern fiel an die Verwandten des verstorbenen Kurfürsten. Später schlossen sich mehrere deutsche Fürsten mit Friedrich zu einem Bunde zusammen, um unter Preußens Führung Schutz gegen die Erweiterungsgelüste des Kaisers zu finden.
Friedrichs Lebensende.
Bis in sein höchstes Alter war Friedrich für sein Land tätig und eine seiner größten Sorgen war jetzt seinem Lande den Frieden zu erhalten. Gegen jedermann war er leutselig und so war er der Liebling seines ganzen Volkes geworden. Gewöhnlich nannte man ihn den „Alten Fritz“.Nicht selten liefen die Kinder vor und neben ihm her, riefen ihm Lebehochs zu, warfen ihre Mützen jubelnd empor, wischten ihm auch wohl den Staub von den Stiefeln und trieben sonst allerlei Possen. Friedrich störte nie ihre Freude, nur wenn sie sein Pferd neckten, daß es scheu ward, stieß er wohl einige Drohungen aus und ritt dann ruhig weiter. Seine alten Freunde waren gestorben; seine Gemahlin Christine lebte entfernt von ihm und hat bei seinen Lebzeiten Sanssouci nie betreten. Auch das geliebte Flötenspiel hatte Friedrich aufgeben müssen. Trotz körperlicher Leiden sorgte er aber von früher Morgenstunde an mit eisernem Fleiße für sein Land. „Jedermann wußte, daß er sein ganzes Leben an diese Arbeit gesetzt und sie seit 45 Jahren noch nicht einen einzigen Tag versäumt hatte.“
Am 17. August 1786 verschied der große König. Der Staat hatte sich unter Friedrichs Regierung um die Hälfte vergrößert und zählte sechs Millionen Einwohner. Das Heer war auf 200.000 Mann angewachsen; in der Staatskasse befand sich ein Schatz von 54 Millionen Talern. Die Staaten des deutschen Reiches spalteten sich seit der Zeit Friedrichs des Großen bis zum Jahre 1866 in zwei Gruppen. Die eine schloß sich an das habsburgische Kaiserhaus, die andere an das Königshaus der Hohenzollern an.