Jugendzeit.
Friedrich Wilhelm wurde im Jahre 1620 geboren. Wegen der Unruhen des Dreißigjährigen Krieges mußte er einen großen Teil seiner Knabenzeit in der Festung Küstrin verleben.
Als er 14 Jahre alt war, wurde er nach den Niederlanden auf die Hochschule zu Leyden gesandt. Die Niederländer waren damals das erste Handelsvolk der Erde. Friedrich Wilhelm sah dort, wie Seehandel, Gewerbe und sorgfältige Bodenbearbeitung in Verbindung mit guten Gesetzen ein Volk zu Gesittung und Wohlstand zu bringen vermögen. Der junge Fürst zeigte hier schon einen gefestigten Charakter. Als ihn einst leichtsinnige Edelleute in ihr lockeres Treiben hineinziehen wollten, wies er die Versuchung mit den Worten zurück: „ Ich bin es meiner Ehre und meinem Lande schuldig“, und begab sich unverweilt zu seinem Vetter, dem Erbstatthalter Prinzen von Oranien, in das Kriegslager vor Breda. Dieser sagte zu ihm: „ Vetter, Ihr habt etwas Großes getan. Wer sich selbst bezwingt, ist großer Dinge fähig!“
Luise Henriette.
Im Jahre 1646 vermählte sich Friedrich Wilhelm mit Luise Henriette, der Tochter des Prinzen von Oranien. Sie war eine fromme und edle Frau von großen geistigen Fähigkeiten.
Erst nach vierjähriger Ehe, nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges konnte die junge Fürstin in die Mark Brandenburg einziehen. Beim Anblick der verbrannten Dörfer und der bitteren Not des Volkes soll sie Tränen vergossen haben. Sie ist dem Kurfürsten 21 Jahre lang eine vertraute Lebensgefährtin gewesen, die ihn selbst auf seinen Reisen begleitete und ihm oft mit ihrem klugen Rate zur Seite stand. Aus ihrer Heimat, den Niederlanden, ließ sie Gärtner und Landwirte kommen, die Musterwirtschaften einrichteten und die Viehzucht in der Mark verbesserten. In der Nähe von Berlin errichtete sie ein großes Waisenhaus, das ihr zu Ehren den Namen „Oranienburg“ erhielt. Auf ihre Veranlassung wurde ein neues Gesangsbuch herausgegeben, in dem auch das angeblich von ihr selbst gedichtete Lied „Jesus meine Zuversicht“ Aufnahme fand. Tief betrauert von ihrem Gemahle starb Luise Henriette bereits im Alter von 39 Jahren.
Errichtung eines stehenden Heeres.
Als Friedrich Wilhelm, erst 20 Jahre alt, die Regierung antrat, waren seine Besitzungen am Rheine in den Händen der Kaiserlichen und wie die Mark Brandenburg furchtbar verheert. Pommern, das nach dem 1637 erfolgten Tode seines letzten Herzogs von Brandenburg hätte fallen müssen (s.o.) wurde von den Schweden besetzt gehalten. Die brandenburgischen Truppen waren auf den Kaiser vereidigt und wollten dem Kurfürsten nicht gehorchen. Friedrich Wilhelm sah ein, daß er, um sein Land zu schützen, ein brauchbares Heer haben mußte. Er entließ daher die unzuverlässigen Regimenter und warb neue Truppen an, die meist aus Landeskindern bestanden und dauernd in seinen Diensten blieben. Auf diese Weise schuf er ein stehendes Heer. Bei der Errichtung der Reiterei unterstützte ihn besonders der Feldmarschall Derfflinger, ein Bauernsohn, der im Dreißigjährigen Kriege vom Schneiderhandwerk zum Waffendienste übergegangen war. Im Jahre 1648 zählte das brandenburgische Heer 8000 Mann, später wurde es auf 28 000 Mann vermehrt.
Die Erwerbungen im Westfälischen Frieden.
In den letzten Jahren des Dreißigjährigen Krieges konnte der Kurfürst gegen den Kaiser und die Schweden selbständig auftreten. Standhaft forderte er nun Pommern. Im Westfälischen Frieden bekam er jedoch nur Hinterpommern (Karte!); das wegen des Seehandels wichtige Vorpommern mit den Odermündungen erhielten die Schweden. Wenn der Kurfürst auch mit Magdeburg, Halberstadt, Minden und Kamin entschädigt wurde; so empfand er es doch schmerzlich, daß Brandenburg vom Seeverkehr abgeschnitten war; denn von den entlegenen hinterpommerschen und preußischen Häfen aus konnte er keine Waren nach der Mark senden. In einer von ihm veranlaßten Flugschrift heißt es daher: „Was sind Rhein, Elbe, Oder, Weserstrom heute anders als fremder Nationen Gefangene? Gedenke, daß du ein Deutscher bist!“ – Das dem brandenburgischen Hause gehörige schlesische Fürstentum Jägerndorf, dessen Herzog während des Krieges vertrieben worden war, behielt der Kaiser widerrechtlich für sich.
Einrichtung einer einheitlichen Verwaltung.
Zur Unterhaltung des Heeres waren große Geldsummen erforderlich. Das Recht aber, Steuern auszuschreiben, besaßen in den einzelnen Landesteilen, von denen jeder eine andere Verwaltung und Besteuerung hatte, die Stände, d. h. die Vertreter des Adels und der Städte. Sie weigerten sich nicht selten, Steuern zu bewilligen, oder wälzten sie auf den Bauernstand ab, während sie selbst abgabefrei blieben. Besonders die ostpreußischen Stände wollten nicht zu den allgemeinen Kosten beitragen und pochten auf alte Vorrechte. Der Kurfürst mußte gegen ihre Führer Gewalt anwenden. Dann wurde in allen brandenburgischen Besitzungen unter der Aufsicht kurfürstlicher Beamten für die Städte eine Verkaufssteuer auf Mehl, Bier und Tabak, für das flache Land dagegen eine Grundsteuer d. h. Ackersteuer eingeführt. So mußten alle, auch Adel und Bürger, zu den allgemeinen Lasten beitragen. Die Einnahmen flossen in die gemeinsame Staatskasse. Indem Friedrich Wilhelm die Macht der Stände brach und eine einheitliche Verwaltung für alle seine Lande von Ostpreußen bis Kleve einrichtete, ist er der Begründer des brandenburgisch – preußischen Staates geworden.
Friedrich Wilhelm wird in Preußen unabhängiger Herzog.
Im Jahre 1656 brach zwischen Polen und Schweden ein Krieg aus. Friedrich Wilhelm hätte die unwürdige polnische Lehnshoheit über Preußen, die dem Ordenslande einst mit Gewalt aufgezwungen war, gern abgeschüttelt (S.76). Aber auch die Schweden waren dem Kurfürsten nicht freundlich gesinnt und hatten bisher immer versucht, ihn in seinen Rechten auf Pommern zu verkürzen. Obgleich Friedrich Wilhelm also keinen Anlaß hatte, den Polen oder Schweden zu helfen, mußte er sich an dem Kriege beteiligen; denn das Herzogtum Preußen lag zwischen den beiden Gegnern. Tat er es nicht, so wurde Preußen verwüstet und dem Sieger behalten. Unter dem Zwange der Verhältnisse trat Friedrich Wilhelm auf Schwedens Seite, und die Polen wurden von den vereinten Schweden und Brandenburgern in der dreitägigen Schlacht bei Warschau geschlagen. Schon hierbei hatten sich die Schweden nicht als ehrliche Bundesgenossen erwiesen; nach dem Siege ließen sie sogar den Kurfürsten im Kampfe gegen Polen allein. Da trat Friedrich Wilhelm kurz entschlossen auf des Polenkönigs Seite. Dieser sicherte ihm dafür die Befreiung von der Lehnshoheit über Preußen, sowie die Lande Lauenburg und Bütow zu, die früher zu Hinterpommern gehört hatten. Diese Abmachungen wurden im Frieden von Oliva 1660 bestätigt. So war der Kurfürst unabhängiger Herzog von Preußen und damit ein selbständiger europäischer Landesherr geworden.
Ludwig XIV. von Frankreich.
Frankreich war damals das mächtigste Land Europas. König Ludwig XIV. führte eine glänzende Hofhaltung, die von vielen deutschen Fürsten nachgeahmt wurde, so daß französische Sitten, französische Kleidertracht und Sprache in Deutschland eindrangen. – Um sein Reich zu vergrößern, mißbrauchte Ludwig XIV. seine Macht zu „Raubkriegen“ gegen die Niederlande und Deutschland. Die Schwäche des deutschen Reiches benutzte er, um mitten im Frieden Straßburg an sich zu reißen (1861). Die schöne deutsche Rheinpfalz ließ er in eine Wüste verwandeln und die wehrlosen Städte Speyer, Worms, Heidelberg u.a., sowie über 1000 Dörfer niederbrennen. Nicht einmal die alten deutschen Kaisergräber in Speyer blieben verschont. Das herrliche Heidelberger Schloß wurde in die Luft gesprengt. Von dieser Zeit an sah das deutsche Volk die Franzosen als seine Erbfeinde an. – Ludwig XIV. hob auch das Edikt von Nantes auf (S. 66) und suchte seine evangelischen Untertanen mit Gewalt der katholischen Kirche zuzuführen – Zwischen Frankreich und dem deutschen Kaiser entstand wegen der Thronfolge in Spanien später ein langer Krieg, durch den Ludwig sein großes Ansehen in Europa verlor. Der Kaiser wurde in diesem „Spanischen Erbfolgekrieg“ von Preußen unterstützt.
Fehrbellin.
Friedrich Wilhelm hielt sich von der allgemeinen Bewunderung Ludwigs XIV. fern. Er sprach, schrieb und handelte deutsch. Als der Franzosenkönig über die Niederlande herfiel, erklärte Friedrich Wilhelm: „Wenn des Nachbars Haus brennt, so gilt´s dem eigenen“ und führte seine Truppen gegen die Franzosen an den Rhein. Auch der deutsche Kaiser sandte ein Heer. Da Ludwig XIV. wußte, daß der Kurfürst sein gefährlichster Gegner war, bewog er die Schweden, unvermutet von
Vorpommern aus in Brandenburg einzufallen. Die märkischen Bauern versuchten vergeblich, sich der Feinde, die das Land furchtbar verwüsteten, zu erwehren. Als Friedrich Wilhelm die Nachricht von dem Friedensbruche empfing, eilte er mit seiner Reiterei und einigen tausend Mann Fußvolk, das auf Wagen gefahren wurde, seinem bedrängten Lande zu Hilfe. So schnell kam er aus Süddeutschland heran, daß Derfflinger die Schweden bei Rathenow überraschen und sich der Stadt bemächtigen konnte. Der Kurfürst blieb seinen Feinden mit seinen Reitern auf den Fersen und zwang sie am 28. Juni 1675 bei Fehrbellin an den Sümpfen des Rheins zur Schlacht. Er selbst geriet mehrmals in das Gewühl des Kampfes, aus dem er nur mit Mühe herausgehauen wurde. (Der Opfertod des Stallmeisters Froben, der allerdings an des Kurfürsten Seite fiel, ist Sage). Die Schweden wurden trotz ihrer Übermacht vollständig geschlagen (Gedicht: Der Große Kurfürst bei Fehrbellin). Der Sieg bei Fehrbellin ist die erste selbständige Waffentat Brandenburgs und um so bedeutungsvoller, als er gegen Schweden, das seit dem Dreißigjährigen Krieg als europäische Großmacht galt, erfochten wurde. In ganz Deutschland herrschte Freude, daß ein deutscher Reichsfürst die Ausländer so glänzend besiegt hatte, und Friedrich Wilhelm wurde von nun an „der Große Kurfürst“ genannt. Die Brandenburger verfolgten die Schweden, eroberten Stettin und Stralsund und besetzten ganz Vorpommern, sowie die Insel Rügen. Als die Schweden einen Einfall in Ostpreußen machten, führte Friedrich Wilhelm seine Truppen mitten im Winter auf Schlitten über das zugefrorene Frische und Kurische Haff und schlug sie auch dort so völlig, daß nur geringe Reste ihres Heeres das damals schwedische Riga erreichten. – Inzwischen aber hatte der deutsche Kaiser ohne den Kurfürsten, dessen wachsende Macht er mißtrauisch betrachtete, mit Ludwig XIV. Frieden geschlossen. Gegen die Schweden und Frankreich konnte Friedrich Wilhelm allein den Kampf unmöglich aufnehmen und mußte daher das eroberte Vorpommern wieder zurückgeben. Voll Bitterkeit über die ihm vom Hause Habsburg widerfahrene Treulosigkeit ließ er zur Friedensfeier über den Text predigen: „ Es ist gut, auf den Herrn vertrauen und nicht auf Menschen!“ – Noch ein anderes Unrecht fügte ihm der Kaiser zu. Als der letzte Herzog von Liegnitz, Brieg und Wohlau starb (S. 75,7), nahm er diese Herzogtümer für sich. Eine brandenburgische Münze, die damals geprägt wurde, trägt die Inschrift: „Aus meinen Gebeinen wird dereinst ein Rächer erstehen!“
Der Große Kurfürst gründet eine Seemacht.
Durch das ganze Leben Friedrich Wilhelms zieht sich das Bemühen, seine Länder am Seehandel teilnehmen zu lassen. Ein Versuch, mit Kaiser und Reich zusammen eine deutsch-ostindische Handelsgesellschaft zu errichten, mißglückte. Als der Kurfürst 1675 die Schweden aus Vorpommern und den Odermündungen verjagt hatte, nahm er den niederländischen Seefahrer
Jakob Raule in seinen Dienst und gründete eine Flotte von sechs Schiffen. Raule war der erste brandenburgisch – preußische Admiral. Er eroberte in einer Seeschlacht drei schwedische Kriegsschiffe und erbeutete auf der Ostsee 21 schwedische Handelsschiffe. Als Friedrich Wilhelm Vorpommern wieder herausgeben mußte, zog Raule mit der Flotte nach Königsberg. In der Folgezeit bestand die brandenburgische Kriegsflotte noch ein rühmliches Seegefecht gegen die Spanier, die dem Kurfürsten die Zahlung einer großen Geldschuld verweigerten, und nahm ein spanisches Kriegsschiff, sowie mehrere Handelsschiffe weg. – Später gründete Friedrich Wilhelm die Guinea-Gesellschaft, die in Afrika Handel treiben sollte.
Er ließ trotz des Neides der Niederländer, die keinen brandenburgischen Seeverkehr aufkommen lassen wollten, mit Negerhäuptlingen Verträge schließen und errichtete an der Küste von Guinea die befestigten Niederlassungen „Dorothea“ (so genannt nach seiner zweiten Gemahlin) und „Großfriedrichsburg“. Wegen des Gummihandels besetzte er noch eine Insel an der Küste Westafrikas. Mit Ostfriesland schloß der Kurfürst einen Vertrag, durch den ihm der Hafen von Emden überlassen wurde. Von hier aus war der Handel bequemer als von dem entlegenen Königsberg.
Friedenstätigkeit
Landwirtschaft
…in den Dörfern, die durch den Dreißigjährigen Krieg entvölkert waren, siedelte Friedrich Wilhelm zahlreiche Schweizer und Holländer an. Mit dem Anbau der Kartoffel und des Tabaks machte er in seinen Gärten selbst Versuche, die staatlichen Landgüter erhob er allmählich zu Musterwirtschaften. Die Ackerbürger in den Städten wurden von ihm ermutigt, Gemüse- und Obstbau zu treiben und dazu bei ihren Häusern Gärten anzulegen. Jeder junge Landwirt, der sich verheiraten wollte, mußte erst sechs Obstbäume pflanzen.
Gewerbe und Verkehr.
Der Erwerbstätigkeit suchte der Kurfürst aufzuhelfen, indem er selbst Fabriken, z. B. Ein großes Eisenwerk, anlegte. Auch erleichterte er tüchtigen jungen Handwerkern das Meisterwerden, das damals mit erheblichen Kosten verbunden war. Als Ludwig XIV. das Edikt von Nantes aufhob, ließ er bekannt machen, daß ihm die verfolgten Hugenotten in seinem Lande willkommen wären und er ihnen bei Bau von Häusern und Anlegung von Fabriken Unterstützung leisten, sowie längere Steuerfreiheit gewähren würde. Dadurch gewann er seinem Staate 20 000 geschickte und fleißige Untertanen. Sie gründeten in den Städten, besonders in Berlin, Porzellanfabriken, Teppich- und Seidenwebereien, Goldschmiede- und Uhrmacherwerkstätten usw. und förderten dadurch das Gewerbe. Um den Verkehr zu heben, ließ der Kurfürst Straßen und Brücken bauen. Oder und Spree verband er durch den Müllroser-(Friedrich Wilhelm-)Kanal. Dadurch schuf er zwischen Breslau und Hamburg eine ununterbrochene Wasserstraße, die durch die Mark Brandenburg führte und den Handel in Berlin außerordentlich hob. Zwischen Königsberg und Kleve richtete er eine regelmäßige Post ein, die die große Entfernung in zehn Tagen zurücklegte.
Wissenschaft und Kunst.
Friedrich Wilhelm bemühte sich auch, die Bildung seiner Untertanen zu heben. Zu diesem Zwecke gründete er die Bibliothek in Berlin und eine Universität in Duisburg, die später aber wieder einging. Er war auch ein Freund der Künste. Besonders liebt er die niederländische Malerei, die er in seiner Jugendzeit in Holland kennen gelernt hatte. – In religiösen Dingen war der Kurfürst duldsam und verlangte, daß die Anhänger der verschiedenen Konfessionen miteinander in Frieden lebten. Als er den Geistlichen verbot, gegen die Lehren anderer Bekenntnisse zu predigen, verließ der Kirchenliederdichter Paul Gerhardt im Trotze die Stadt Berlin, obgleich sich der Kurfürst gegen ihn sehr freundlich gezeigt hatte. Friedrich Wilhelm war der bedeutendste Herrscher seines Jahrhunderts und der erste brandenburgisch – preußische Fürst, der selbständig in die Weltereignisse eingriff. Bei seinem Tode hatte der brandenburgisch-preußische Staat 1 ½ Millionen Einwohner.