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1423. Die ersten Wettinischen Kurfürsten.

1423 bis 1485.

Mit der Kurwürde traten die Wettiner, fast zugleich mit den brandenburgischen Hohenzollern, in den höchsten Adel des Reiches, in das Kollegium der sieben Kurfürsten, ein, das nach der Goldnen Bulle von 1356 den Kaiser wählte. Sie gewannen damit auch während der Thronvakanz das Reichsvikariat in den Ländern sächsischen Rechts, also für Norddeutschland, und wenigstens für das kleine Kurland einige Vorbedingungen wirklicher Staatenbildung: die Landeshoheit, die Befreiung vom Königsgericht und die Unteilbarkeit. Wie seitdem das kursächsische Wappen, der schwarzgoldne Balkenschild der Askanier mit der grünen Raute und die gekreuzten roten Marschallsschwerter im schwarz-weißen Felde, die älteren Wettinischen Farben, den schwarzen meißnischen Löwen im goldnen Schilde und die goldnen Landsberger Pfähle im blauen Felde in den Hintergrund drängten, so verbreitete sich auch der Name Sachsen über die thüringisch-fränkischen Koloniallande im Osten der Saale, deren Bevölkerung zwar überwiegend nach sächsischem Rechte lebte, aber nur zum allerkleinsten Teile sächsischen Stammes war. Fortan strebten vom Boden der beiden alten Marken aus Wettiner und Hohenzollern im beständigen Wettkampfe nach der maßgebenden Stellung im nordöstlichen Deutschland, und deshalb vor allem nach dem Besitz der alten wettinischen Nieder-Lausitz, die den Weg von Mitteldeutschland nach Polen öffnete, auf der andern Seite nach der Erwerbung des Erzstifts Magdeburg, das den Weg nach den Nordsee beherrschte.

Stammburg der Wettiner.
Stammburg der Wettiner.

Im Kampfe mit den böhmischen Hussiten bildete Kursachsen die Vormauer des Deutschtums gegen Süden, wie gleichzeitig Brandenburg gegen die Polen im Osten. Doch die Angriffe mißlangen, und ein meißnisches Heer, das die Kurfürstin Katharina in Vertretung ihres auf dem Reichstage weilenden Gemahls bei Freiberg zusammengezogen hatte, um das an Meißen verpfändete Aussig zu entsetzen, erlag in der Mordschlacht des 16. August 1426 den Hussiten. Ebenso scheiterte der Kreuzzug des Jahres 1427 am 3. August bei Mies. Mitten in diesen aussichtslosen Kämpfen starb Kurfürst Friedrich am 4. Januar 1428, der erste Wettiner, der in der von ihm erbauten Fürstenkapelle des Domes zu Meißen bestattet wurde. Ihm folgte im Kurlande sein ältester Sohn Friedrich V. der Sanftmütige allein (1428–64), in den übrigen Ländern mit seinen drei Brüdern Sigismund, Heinrich und Wilhelm III. gemeinsam. Erst 1436, als Heinrich gestorben und Sigismund in das Kloster Weida eingetreten war, teilten die beiden anderen Brüder das Gebiet auf 9 Jahre.

Inzwischen wuchs die Hussitennot. Denn da das Lehnswesen die rasche Bildung eines schlagfertigen Heeres aufs äußerste erschwerte, so verteidigten sich zwar die festen Städte meist mit Erfolg gegen die tschechischen Raubscharen, aber das platte Land war ihnen wehrlos preisgegeben, so daß allein im Umfange des jetzigen Königreichs Sachsen gegen 300 Dörfer vollständig zerstört wurden und ihre Fluren als „wüste Marken“ liegen blieben. Schon 1427 waren die Hussiten in der Ober-Lausitz erschienen, 1429 zogen sie das Elbtal bis Magdeburg hinab und verwüsteten auf dem Rückmarsche die Lausitz; 1430 kamen sie die Mulde herab und zogen von Grimma südwärts durch das Vogtland heim, wobei sie Altenburg, Plauen und Auerbach nahmen; zu Ende desselben Jahres erschienen sie wieder in der Ober-Lausitz. Nachdem auch der letzte große Kreuzzug des Reichs gegen Böhmen am 14. August 1431 bei Tauß schmählich gescheitert war, schloß Kurfürst Friedrich am 23. August 1432 einen Sonderfrieden auf zwei Jahre ab. Erst dem Konzil von Basel gelang es 1433, den Kampf durch einen kirchlichen Ausgleich (Anerkennung einer hussitischen Landeskirche) zu beenden.

Kurz darnach eröffnete der Tod Kaiser Sigismunds 1437 dem Habsburger Albrecht II. (1438–39) das gesamte luxemburgische Erbe und das Kaisertum, das seitdem in diesem Hause tatsächlich erblich wurde. Da die Habsburger als Herren von Böhmen unmittelbare Nachbarn der Wettiner waren, so pflegten diese enge Beziehungen mit ihnen, die Kurfürst Friedrich schon durch seine Ehe mit Margaretha, Tochter des Erzherzogs Ernst von Österreich, angebahnt hatte und durch die Verlobung seines Bruders Wilhelm mit Anna, der Tochter Albrechts II., noch befestigte. Er förderte deshalb auch die Wahl Friedrichs III. von Österreich zum Kaiser (1440–1493) und folgte dem Basler Konzil gegenüber wesentlich dessen Politik. Da nämlich die allgemeine Reform der Kirche an den widerstreitenden Interessen der großen Nationen scheiterte, und in Deutschland keine starke nationale Staatsgewalt vorhanden war, um die Bildung einer Nationalkirche nach dem Muster Frankreichs, Englands und Spaniens durchzusetzen, so gewannen hier die größeren Landesherren die Anfänge zur Kirchenhoheit, und auch Friedrich erhielt 1443 für die Herzöge von Sachsen auf hundert Jahre das Recht, die Bewerber für die drei Bistümer und für eine Anzahl von Domherrenstellen vorzuschlagen.

Andere Kämpfe entstanden aus dem Anfalle Thüringens an die osterländisch-meißnische Linie nach dem Tode Friedrichs des Friedfertigen 1440. Denn Landgraf Wilhelm III., der Tapfre, dem in der Teilung von 1445 Thüringen mit einem Stück des Osterlandes zugefallen war, strebte, aufgereizt von den Brüdern Apel und Busso von Vitzthum, und gestützt auf seinen Schwager, den jungen König Ladislaus von Böhmen (1439–1457), sowie auf Brandenburg, nach einer Vergrößerung seines Anteils. So kam es zu dem verheerenden sächsischen Bruderkriege (1446–51), in dem die wilden böhmischen Söldner Wilhelms, die Zebraken, 1450 Gera erstürmten und verwüsteten. Erst am 27. Januar 1451 kam der Friede in Kloster Pforta bei Naumburg zu stande.

In unmittelbarer Beziehung zu dem Kriege und seinen verwildernden Folgen stand der sogenannte Prinzenraub, die Entführung der Söhne Friedrichs, Ernst und Albrecht, vom Altenburger Schlosse in der Nacht des 7. Juli 1455 durch Kunz von Kauffungen, der sich für seine Kriegsdienste vom Kurfürsten nicht genügend entschädigt glaubte und von ihm ein hohes Lösegeld zu erzwingen hoffte, aber, bei Elterlein gefangen genommen, für seinen dreisten Streich schon am 15. Juli in Freiberg mit dem Leben büßte. Den letzten Abschluß der Kämpfe bildete die Erbeinigung, die am 29. April 1457 die Wettiner mit Hessen erneuerten und auf Brandenburg ausdehnten.

Trotz aller Störungen arbeitete Friedrich doch an der lehnsrechtlichen und territorialen Schließung seines Gebietes rüstig weiter. Schon 1428 sicherte er sich nach dem Falle des letzten reichsunmittelbaren Meißner Burggrafen aus dem Hause Hartenstein, Heinrichs II. (bei Aussig 1420), von dessen Besitzungen zunächst Lichtenwalde, Sayda und Purschenstein, während Frauenstein und das burggräfliche Amt selbst an Heinrich Reuß von Plauen kam, nahm aber nach langer Belagerung auch das feste Schloß Frauenstein 1438/39, so daß dem Reußen nur noch der leere Titel blieb; 1429 kaufte er auch die Burggrafschaft Altenburg; 1443 erwarb er von dem böhmischen Herrengeschlecht der Berka von der Duba im Tausch gegen Mühlberg an der Elbe Hohnstein, 1451 auch Wildenstein (Burg am Kuhstall). Dagegen führte der lange Streit mit Brandenburg um die Nieder-Lausitz, die 1422 von König Sigismund an die Herren von Polenz verpfändet, 1441 aber unter kursächsischen Schutz getreten war, nicht zur Erwerbung des ganzen Landes. Vielmehr erwarb Friedrich II. von Brandenburg 1442 die Hoheit über Teupitz und Peitz, 1443 das Erbrecht auf Beeskow und Storkow von den Biberstein, 1443–45 Kottbus und zwang 1448 die Polenz, ihm die ganze Nieder-Lausitz gegen Erstattung der Pfandsumme zu überlassen, so daß sich endlich 1451 der Kurfürst von Sachsen mit Hoyerswerda und Senftenberg begnügen mußte.

Doch ein schwerer Rückschlag folgte auf diese Bestrebungen der Wettiner und der Hohenzollern. Friedrich von Sachsen mußte von dem gewaltigen hussitischen Böhmenkönig Georg von Podjebrad (1457–71), der nach dem Tode des Königs Ladislaus die Habsburger aus ihrem Erbrechte verdrängt hatte und Böhmen zu einer gebietenden Machtstellung erhob, im Vertrage von Eger 25. April 1459 (auf Grund eines unsicheren Kaufvertrags aus der wirren Zeit nach dem Tode Heinrichs des Erlauchten) 63 meißnische Städte und Schlösser (im und am Elbtale bis Pirna herab, außerdem Colditz, Leisnig, Eilenburg u. a. m.) sowie das meißnische Vogtland erblich zu Lehen nehmen, wofür die böhmische Herrschaft Schwarzenberg (mit Platten und Gottesgab), die Georgs Tochter Sidonie (Zedena, Zdenka) dem mit ihr schon damals verlobten Albrecht (dem Beherzten) 1464 als Mitgift zubrachte, nur eine ganz ungenügende Entschädigung bot. Friedrich II. von Brandenburg aber wurde nach kurzem Kampfe im Frieden von Guben Juni 1462 gezwungen, die Nieder-Lausitz wieder an Böhmen herauszugeben, und behauptete (aber als böhmische Lehen) nur Kottbus, Peitz, Teupitz, Bärwalde und das Anrecht auf Beeskow und Storkow nach dem Aussterben der Bibersteiner. Kurz nach diesen Entscheidungen starb Friedrich der Sanftmütige nach einer glücklichen Ehe am 7. September 1464 in Leipzig, seiner Geburtsstadt, und hinterließ seinen Söhnen Ernst und Albrecht seine Länder so, daß Ernst das Kurland allein, die übrigen Gebiete mit seinem Bruder bis 1485 gemeinsam regieren sollte.

Die schwere Not der Zeit inmitten der Ohnmacht der schwindenden Reichsgewalt nötigte die Wettiner auch jetzt, sich eng an Böhmen, die maßgebende Macht des deutschen Ostens, anzulehnen. Im Nordosten wuchs Polen-Litthauen drohend empor, besonders als es mit dem ewigen Frieden von Thorn 1466 das untere Weichselland gewonnen und den Rest des preußischen Ordenslandes seiner Lehnshoheit unterworfen hatte; hinter Böhmen stand Ungarn, seit 1457 unter dem nationalen Königtum des Matthias Corvinus, als Vormauer gegen die drohende Macht der Osmanen; im Westen hatte sich aus französischen und deutschen Grenzländern die Kriegsmacht der Herzöge von Burgund gebildet. Im Kampfe gegen sie nahm Herzog Albrecht der Beherzte (Animosus) als des „Kaisers gewaltiger Marschalk und Bannermeister“ an dem Siege bei Neuß teil, der im Mai 1475 den Angriff Herzog Karls des Kühnen auf die Rheinlande zurückwies, und die Vermählung seiner Erbtochter Maria mit dem Erzherzog Maximilian von Österreich 1477 machte der burgundischen Kriegsgefahr ein Ende. Dafür brach im Osten nach Georg Podjebrads Tode 1471 ein langwieriger Kampf um die böhmische Krone zwischen Wladislaw von Polen und Matthias von Ungarn aus, der erst 1479 zu Olmütz unter Albrechts Teilnahme so geschlichtet wurde, daß Matthias Schlesien und die Lausitzen mit dem böhmischen Königstitel erhielt, also zum östlichen Nachbarn der wettinischen Länder wurde. Als er im Kriege mit dem Kaiser 1485 auch Wien und Nieder-Österreich erobert hatte, waren fast alle deutschen Grenzländer im Osten in den Händen fremder Mächte.

Um so eifriger waren die Wettiner auf die Erweiterung ihrer Macht und ihres Einflusses ebensowohl nach Westen wie nach Osten in der Nieder-Lausitz bedacht. Schon 1466 entrissen sie Stadt und Herrschaft Plauen dem Hause Reuß; 1472 erkauften sie das schlesische Herzogtum Sagan mit dem niederlausitzischen Priebus von Herzog Johann dem Wilden, 1477, allerdings nur auf Wiederkauf (bis 1512), die niederlausitzischen Herrschaften der Bibersteiner, Sorau mit Tribel, Beeskow und Storkow, wobei alle diese Besitzungen freilich böhmische Lehen blieben. In demselben Jahre zwangen sie die Stadt Quedlinburg auf den Antrag ihrer Schwester, der Reichsäbtissin Hildegard, ihre Schirmvogtei anzuerkennen; sie erreichten 1476 die Wahl Ernsts von Sachsen, eines Sohnes des Kurfürsten, zum Erzbischof von Magdeburg, 1480 zum Bischof von Halberstadt († 1513), und erwirkten 1482 die Wahl seines Bruders Albrecht zum Erzbischof von Mainz († 1482), worauf auch das trotzige Erfurt sich 1483 ihrer Vogtei unterwerfen mußte. Endlich wurde Albrechts des Beherzten Sohn Friedrich 1498 zum Hochmeister des Deutschen Ordens gewählt († 1510). Da außerdem schon 1482 nach dem Tode ihres Oheims Wilhelms III. (17. September), auch Thüringen den Brüdern zugefallen war, so schien dem Hause Wettin bei der zunehmenden Zerklüftung des Reichs eine große Zukunft sicher. Denn es beherrschte unter verschiedenen Rechtstiteln Kursachsen, das sehr vergrößerte Meißen, Thüringen, erhebliche Teile der Nieder-Lausitz und sogar Schlesiens, Magdeburg und Halberstadt, also ein meist zusammenhängendes Gebiet vom Bober bis zur Werra, vom Erzgebirge bis an die Mündung der Havel (vom preußischen Ordenslande ganz abgesehen) und hatte damals die brandenburgischen Hohenzollern weit überflügelt.

Allein eben der Anfall Thüringens führte, besonders auf den Betrieb Ernsts, trotz des entgegengesetzten Beispiels, das der Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg 1473 mit der Dispositio Achillea über die Unteilbarkeit der Mark gegeben hatte, und trotz des Widerstrebens der Stände zu der verhängnisvollen Teilung von Leipzig am 26. August 1485.

Ernst erhielt zu Kursachsen den größten Teil Thüringens mit einer Hälfte der Pfalz Sachsen, das wettinische Franken (Koburg), das Vogtland und einen Teil des Pleißner- und Osterlandes (mit Altenburg), sowie die Vogtei über das Bistum Naumburg und die Hoheit über die Grafen von Gleichen, Kirchberg und die Reußen. Albrecht nahm Meißen, das übrige Pleißen- und Osterland mit Leipzig, das nördliche Thüringen, die Hoheit über die meisten thüringischen Grafen und die Vogtei über die Stifter Merseburg und Quedlinburg. Gemeinsam blieben die Bergstädte, Sagan, die Bibersteinischen Herrschaften, die Vogtei über das Bistum Meißen sowie über die Städte Mühlhausen, Nordhausen und Erfurt.

Absichtlich waren die Gebiete beider Linien unentwirrbar ineinandergeschlungen und vieles ganz gemeinsam gelassen worden, um die Einheit des Landes auch jetzt noch möglichst zu erhalten; tatsächlich aber legte gerade dies den Grund zu fortgesetztem Zwist und endlich zu vollkommener Entzweiung, die die Wettinischen Lande für immer zerriß und für ganz Deutschland verderblich wurde.


Quellangaben und Verweise.
Aus: Sächsische Geschichte von Prof. Dr. Otto Kaemmel, Leipzig 1905, G. J. Göschen’sche Verlagshandlung.
Quelle: https://staatsbibliothek.ewigerbund.org/viewer/image/kaemmel_saechsische_geschichte_1905/46/LOG_0013/