Entwicklung der Industrie im Erzgebirge.
- Spielwarenindustrie – Seiffener Puppen
- Möbeltischlerein – Stuhlbau, Strohflechterei
- Blechwarenindustrie
- Papier- und Pappenfabrikation
- Posamentenfabrikation – Ersatz der Spitzenklöppelei
- Spitzenstickerei
- Gerberei
- Uhrmacherei
Das allmähliche Aufhören des früher so lohnenden Bergbaues hat die Bewohner seit langem genötigt, zu anderen Beschäftigungen überzugehen. Einem Teile der Bevölkerung boten die sonstigen Erzeugnisse des Gebirges hierzu Gelegenheit: Holz, Stroh, Flachs, Steine usw. Die sich hierauf gründenden Industrien nennt man bodenständige. Jetzt freilich muß ein großer Teil des zu verarbeitenden Materials aus dem Auslande herbeigeschafft werden, da das heimische nicht mehr zureicht. Andere Beschäftigungsarten wurden von auswärts eingeführt, sind also nicht bodenständig, wie z. B. das Klöppeln.
Als in Seiffen, nahe der oberen Flöha, der Zinnbergbau nicht mehr lohnte, begann man, aus dem reichlich vorhandenen Holz des Gebirgswaldes Spielwaren herzustellen. Es entstand die Spielwarenindustrie, deren Hauptgebiet das Flöhatal ist und deren Hauptorte Seiffen, Olbernhau, Grünhainichen sind. Etwa 8000 Menschen leben von ihr. Dabei herrscht weitgehende Arbeitsteilung. In einem Orte werden z. B. Puppenmöbel hergestellt, in einem andern Tiere, einem dritten Soldaten, einem vierten Kinderflinten usf. Auch innerhalb der Orte, ja sogar innerhalb der Familien setzt sich diese Arbeitsteilung fort, so daß etwa in einem Haus Pferde, in einem andern Hunde angefertigt werden, und daß in einer Familie der Vater drechselt, die Knaben schnitzen, die Mutter leimt, die Mädchen anmalen. Das erste und wichtigste ist das Drechseln eines Holzringes, der, wenn man ihn wie einen Napfkuchen schneidet, die anzufertigenden Figuren in ihren Grundformen hergeben muß (Seiffener Ringe).
Im Weißeritzgebiet ist die Stuhlbauerei entstanden, deren Hauptort Rabenau ist, im Müglitzgebiet bis herüber zur Wilden Weißeritz die Strohflechterei mit Dippoldiswalde und Kreischa als Hauptplätzen. Bei Zöblitz findet man den merkwürdigen Serpentinstein, der sich schneiden und drechseln läßt und den man zu Urnen, Denkmälern, Vasen, Büchsen, Wärmsteinen usw. verarbeitet.
Die Blechwarenindustrie von Aue und Umgegend wurde schon erwähnt, wie auch die Papier- und Pappenfabrikation, die in den Flußtälern allenthalben anzutreffen ist.
In der Annaberger Gegend fand nach dem Niedergange des Bergbaues die Spitzenklöppelei Verbreitung, und zwar hauptsächlich durch die Bemühungen der Barbara Uttmann, der deshalb in Annaberg ein Denkmal errichtet worden ist. Sie lebte vor 350 Jahren. Schon von klein auf lernen die Mädchen mit dem Klöppelsack hantieren, und sie bringen es zu staunenswerter Fertigkeit im Werfen der Klöppel. Seit aber feine Spitzen viel billiger mit Maschinen hergestellt werden, ist das Klöppeln nicht mehr lohnend und geht ständig zurück.
Annaberg und das benachbarte Buchholz sind jetzt der Mittelpunkt der Posamentenfabrikation. Unter Posamenten versteht man allerlei Dinge zur Verzierung von Kleidern, wie Fransen, Quasten, Schnüre, Knöpfe usw. Das Tamburieren, d. h. das Sticken auf Tüllstoff mit der Häkelnadel, hat in Eibenstock seinen Hauptsitz. Doch wird auch hierbei die Handarbeit durch die Maschinenarbeit verdrängt. Schneeberg ist Mittelpunkt der erzgebirgischen Spitzenstickerei.
In Schönheide an der Zwickauer Mulde fertigt man Bürsten und Pinsel, in Johanngeorgenstadt Glacéhandschuhe. Freiberg treibt bedeutende Gerberei. Darum ist hier die deutsche Gerberschule errichtet worden. Das ganz im Osten gelegene Städtchen Glashütte ist Herstellungsort der weltberühmten Glashütter Uhren. Hier befindet sich auch eine Uhrmacherschule. Sind hier auch nur die hauptsächlichsten Industrien erwähnt, so erkennt man doch schon hieraus, wie vielseitig die gewerbliche Beschäftigung der Erzgebirgsbewohner ist.
Vogtlands Industrie.
- Plauener Spitze – Spinnerei, Weberei, Färberei, Weißstickerei
- Maschinenbau – Stickmaschinen
- Perlmutterindustrie – Knöpfe, Broschen, Dosen, Kästchen, Portemonnaies, Buchbinderei
- Geigenmacherei – Saiteninstrumente, Harmonikas, Trommeln, Blechinstrumente, Darmsaiten
- Lederfabriken – Viezucht, Gerberei
Die Haupterwerbsquelle der Vogtländer bildet die Industrie, und zwar in erster Linie die Textilindustrie. Weltruf haben die vogtländischen Weißwaren, worunter man Stickereien, Spitzen, Gardinen versteht. Hauptort ist Plauen, deshalb spricht man auch von „Plauenscher Ware“. Die Stickereien werden dann wieder bei Anfertigung von Wäsche, Kinderkleidern, Schürzen, Kragen usw. verwendet. Damit das alles recht geschmackvoll und in immer neuen Mustern ausgeführt werden kann, sorgt die Königliche Kunstschule für Textilindustrie in Plauen für die Ausbildung tüchtiger Musterzeichner, Fabrikanten und geschickter Stickerinnen.
Plauen ist übrigens auch die Hauptstadt des Vogtlandes und mit 120 000 Einwohner Sachsens vierte Großstadt. Unglaublich rasch war Plauens Wachstum. In den 15 Jahren von 1895 bis 1910 hat es um fast 70 000 Einwohner zugenommen, eine Folge des Blühens der Industrie, wodurch viele Menschen hierhergezogen worden sind. Nicht nur die Städte, wie Auerbach, Falkenstein, Treuen, Lengenfeld, sondern auch die Dörfer beteiligen sich an der Herstellung der Weißwaren, und überall, selbst in dem kleinsten Orte, findet man Stickmaschinen. Von Kind auf ist die Bevölkerung mit dieser Fabrikation vertraut, und die Waren können nirgends geschickter, schneller und besser und damit billiger hergestellt werden als hier. In Reichenbach, Mylau und Netzschkau wird Spinnerei, Färberei und Weberei betrieben, in Oelsnitz ist die Teppichweberei zu Haus.
Die zur Weißstickerei gebrauchten Stickmaschinen werden zumeist in den Maschinenfabriken Plauens hergestellt.
In der Elster kam früher die Flußperlmuschel häufig vor, und nicht selten fand man zwischen ihren Schalen edle Perlen. Auch jetzt noch gibt es Perlmuscheln, aber die Zahl der Perlen, die man findet, ist ganz gering (1909 waren es 23, von denen nur 6 hell waren). Früher warfen die Perlenfischer die Muschelschalen weg, bis ein Buchbinder in Adorf darauf kam, sie zu schleifen und zu verarbeiten; so entstand die Perlmutterindustrie. Jetzt verwendet man viel ausländische Muschelschalen, aus denen man Knöpfe, Broschen, Dosen, Kästchen, Portemonnaies herstellt. Viele dieser Perlmutterwaren werden in Bad Elster von den Badegästen als Andenken gekauft.
Böhmische Protestanten, die im 16. und 17. Jahrhundert um ihres Glaubens willen vertrieben wurden, brachten die Kunst der Geigenmacherei nach dem Vogtlande. Sie erweiterte sich zur Musikinstrumentenfabrikation im allgemeinen. Hauptorte dieser Industrie sind Markneukirchen, wo besonders Saiteninstrumente, und Klingenthal, wo vor allem Harmonikas gebaut werden. Anfangs verwendete man nur einheimische Hölzer, jetzt führt man viel fremde Hölzer ein, auch fertigt man Blechinstrumente, Trommeln, Darmsaiten, die dann in alle Erdteile versandt werden.
Die starke Viehzucht, welche Häute liefert, hat zur Anlage von Gerbereien geführt, die in allen Elsterstädten zu finden sind, darunter in Plauen die größte Lederfabrik Deutschlands.
Industrie im Zwickauer Steinkohlebecken.
- Eisenindustrie – Königin-Marien-Hütte
- Textilindustrie – Weberei, Wirkerei
- Maschinenfabrikation – 90 Fabriken, Spinn-, Werkzeug-, Dampfmaschinen > Lokomotiven
- Porzellan-, Glas-, Steingutfabriken
Die Steinkohlengegenden sind zugleich die industriereichsten Gebiete Sachsens. Die Industrie braucht Maschinen, Maschinen aber brauchen Kohlen, und da diese hier bequem und billig zu haben sind, hat sich eben die Industrie hier angesiedelt.
Es sind besonders zu nennen die Eisenindustrie mit den Hauptsitzen Chemnitz und Zwickau und die Textilindustrie, deren Gebiet von der Zschopau bis zur Pleiße reicht. — Hier liegt die größte Industriestadt ganz Sachsens, Chemnitz, mit fast 300 000 Einwohnern die dritte Stadt des Landes. Beinahe alle Industrien sind hier zu Haus, besonders aber die Maschinenfabrikation, die in 90 Maschinenfabriken betrieben wird. Darunter ist die berühmteste die Sächsische Maschinenfabrik.
Gegründet wurde sie vor 80 Jahren von Richard Hartmann, der als Schlossergeselle in Chemnitz einwanderte. Jetzt beschäftigt sie gegen 5000 Arbeiter. Außer Spinn-, Werkzeug-, Dampfmaschinen u. v. a. baut sie besonders Lokomotiven (jährlich etwa 150). In der Maschinenfabrikation von Chemnitz mögen etwa 25.000 Arbeiter tätig sein. Dann folgt die Textilindustrie mit ungefähr 20 000 Arbeitern. In großen Spinnereien, Webereien, Wirkereien wird Baumwolle und Wolle zu Garn, Kleiderstoffen, Strümpfen, Unterjacken u. dgl. verarbeitet. Aus allen Erdteilen kommen die Rohstoffe für diese Industrien, in alle Erdteile werden die fertigen Waren versandt.
Ungeheuer ist die Menge der Kohlen, die täglich in den Fabriken verbraucht wird. Unter den Schulen seien die Technischen Staatslehranstalten erwähnt, in denen Maschinenbauer, Elektrotechniker, Betriebsleiter usw. ausgebildet werden. Auch die Umgegend nimmt an dem regen gewerblichen Leben teil; vor allem ist es die Textilindustrie, die hier verbreitet ist, und zwar als Weberei und Wirkerei. Als Rohstoffe werden Wolle und Baumwolle, auch Seide verarbeitet. Die Weberei fertigt daraus Tuch, Flanell, Kleider-, Möbelstoff u. a., die Wirkerei Strümpfe, Handschuhe, Trikotjacken u. a.
Daß endlich auch Zwickau nicht nur Bergwerks-, sondern auch Industriestadt geworden ist, läßt sich denken. Hier sind besonders solche Fabriken zu finden, die sehr viel Kohlen verbrauchen, wie Eisenwerke, Porzellan-, Glas-, Steingutfabriken. In der Nähe, in Cainsdorf, liegt das größte Eisenwerk Sachsens, die Königin-Marien-Hütte. Hier werden Eisenbahnschienen und eiserne Träger gewalzt, Geländer, eiserne Brücken usw. hergestellt. Die rege Industrietätigkeit bringt es mit sich, daß in diesem Bezirke die Menschen so dicht beieinander wohnen wie kaum anderswo (über 400 auf 1 qkm).
Industrielle Lausitz.
- Maschinen- und Fahrradfabrikation
- Tuchmacherei
- Spinnerei
- Weberei
Quellenangaben und Verweise.
Aus: Landeskunde des Königreichs Sachsen von Dr. j. Zemmrich, Leipzig 1905, C. J. Göschen’sche Verlagshandlung.
Quelle: https://staatsbibliothek.ewigerbund.org/viewer/image/zemmrich_landeskunde_sachsen_1905/5/