III. Landtag und Geschäftsbetrieb bei selbigem
1) Landtag
§ 115
Zeit und Ort des Landtags; Einberufung zu selbigem
(1) Der König wird längstens alle zwei Jahre70 einen ordentlichen Landtag einberufen und
außerordentliche, so oft es Gesetzgebungs- oder andere dringende Angelegenheiten erfordern.
(2) Eine außerordentliche Zusammenkunft der Stände ist jedes mal nötig, wenn ein Regierungswechsel eintritt; die Einberufung erfolgt dann binnen der nächsten vier Monate.
(3) Der Ort des Königreichs, wo der Landtag gehalten werden soll, hängt von der jedesmaligen Bestimmung des Königs ab. Zu jedem Landtage werden die Stände mittelst einer von der obersten Staatsbehörde ausgehenden Bekanntmachung in der Gesetzsammlung und durch an
jeden zu erlassende Missiven einberufen.71
§ 116
Schluss u. Vertagung des Landtags, Auflösung der zweiten Kammer
(1) Der König ordnet den förmlichen Schluss der Ständeversammlung an, kann auch solche vertagen und die zweite Kammer auflösen, wodurch zugleich die erste für vertagt erklärt wird.
(2) Die Vertagung darf ohne ausdrückliche ständische Zustimmung nicht über sechs Monate dauern.72
(3) Im Falle der Auflösung der zweiten Kammer soll die Wahl neuer Abgeordneten zu selbiger und die Einberufung der Stände ebenfalls innerhalb der nächsten sechs Monate erfolgen.
§ 117
Eröffnung und Entlassung der Ständeversammlung
Der König eröffnet und entläßt die Ständeversammlung entweder in eigener Person, oder durch einen dazu bevollmächtigten Kommissar.
§ 118
Verbot eigenmächtiger Versammlungen
Eigenmächtig dürfen die Kammern weder sich versammeln, noch nach dem Schluss oder der Vertagung des Landtags, oder Auflösung der zweiten Kammer versammelt bleiben und beratschlagen.
§ 119
Landtagsabschied73
Die definitiven Resultate des Landtags werden in eine förmliche Urkunde, den Landtags-
abschied, zusammengefaßt, welche die Königliche Erklärung über die Verhandlungen mit den
Ständen enthält, von dem Könige eigenhändig vollzogen, den Ständen bei ihrer Entlassung ur-
schriftlich ausgehändigt und in die Gesetzsammlung aufgenommen wird.
§ 120
Tage- und Reisegelder der Kammermitglieder
Die Stände, mit Ausnahme der in § 63 unter 1 bis 7, 9, 11 und 12 aufgeführten Mitglieder der ersten Kammer, erhalten als Entschädigung für den erforderlichen außerordentlichen Aufwand Tage- und Reisegelder nach den Bestimmungen der Landtagsordnung.74
§ 121
2) Geschäftsbetrieb bei dem Landtage
Separate Verhandlung und Kuriatstimme jeder Kammer
Jede Kammer verhandelt getrennt von der andern und hat bei den an den König zu bringenden Erklärungen eine Kuriatstimme.
§ 122
Königliche Mitteilungen an die Kammern
Von den Königlichen Mitteilungen an die Kammern ergehen diejenigen, welche auf Aufgaben- und Bewilligungs-Gegenstände Bezug haben, zuerst an die zweite Kammer. Bei andern Gegenständen hängt es von dem Ermessen des Königs ab, an welche der beiden Kammern solche zuerst gelangen sollen.
§ 123
Erörterung der Königlichen Anträge durch Deputationen
aufgehoben75
§ 124
Deputationen zu anderen Beratungsgegenständen
aufgehoben76
§ 125
Mitwirkung Königl. Kommissarien bei den Deputationen
aufgehoben77
§ 126
Eingabe individueller oder amtlicher Ansichten an die Deputationen
aufgehoben78
§ 127
Beratungen der Kammern
Beratungen der Kammern können nur bei der Anwesenheit von mindestens der Hälfte der durch die Verfassung bestimmten Zahl der Mitglieder stattfinden.
§ 128
Abstimmung und Beschlussfassung derselben
(1) Beschlüsse können von den Kammern nur wenn mindestens die Hälfte der verfassungsmäßigen Zahl der Mitglieder in der Sitzung anwesend ist, gefasst werden.79
(2) Bei der Abstimmung hat jedes Mitglied, auch der Präsident, eine Stimme.
(3) Die Beschlüsse werden, außer § 92, 103 und 152 bestimmten Fällen, nach absoluter
Stimmenmehrheit gefasst.
(4) Wenn Gleichheit der Stimmen eintritt, so ist die Sache in einer folgenden Sitzung wieder zum Vortrage zu bringen. Würde auch in dieser Sitzung eine Stimmenmehrheit nicht erlangt, so gibt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag.
(5) Ist der Gegenstand der Beratung ein solcher, wo bloß ein Gutachten der Stände zu er öffnen ist, so kann letzterem auf Verlangen jede abweichende Meinung beigefügt werden.
§ 129
Separatstimme
aufgehoben80
§ 130
Kommunikation zwischen den beiden Kammern
Die von einer Kammer an die andere gebrachten Anträge, Gesetzentwürfe und Erklärungen können ersterer mit Verbesserungsvorschlägen, welche durch eine Deputation erörtert
werden müssen, zurückgegeben werden.
§ 131
Verhandlung zwischen beiden Kammern bei geteilter Ansicht
Verfahren, wenn ein Einverständnis nicht erlangt wird
Können sich beide Kammern in Folge der ersten Beratung über den betreffenden Gegenstand nicht sogleich vereinigen, so haben sie aus ihrem beiderseitigen Mittel eine gemeinschaftliche Deputation zu ernennen, welche unter den beiden Vorständen der Kammern über die Vereinigung der geteilten Meinungen zu beratschlagen hat und deren Mitglieder hierauf das
Resultat ihrer Verhandlung den Kammern zu anderweiter Beratung vorzutragen haben. Dafern
sich dieselben auch dann nicht vereinigen, so treten bei Gesetzgebungs- und Bewilligungs-Gegenständen die § 9281 enthaltenen Vorschriften ein. Bei bloßen Beratungs-Gegenständen aber wird alsdann von jeder Kammer eine durch ihren Vorstand im Namen derselben unterzeichnete besondere Schrift bei der obersten Staatsbehörde eingereicht.
§ 132
Gemeinschaftliche ständische Schriften
(1) Die Anträge und Beschlüsse, über welche beide Kammern sich vereinigt haben, werden in eine gemeinschaftliche ständische Schrift zusammengefasst, welche, von den Vorständen
beider Kammern im Namen der Ständeversammlung unterzeichnet, bei der obersten Staatsbehörde eingereicht wird.
(2) Besondere ständische Schriften einzelner Kammern sind außer den in §§ 110 und 131 am Ende gedachten Fällen nur dann zulässig, wenn eine Kammer eine Adresse an den König zurichten wünscht.82
§ 133
Verhältnis der Stände zu der obersten Staatsbehörde
Nur die oberste Staatsbehörde ist zur Kommunikation zwischen der Regierung und den Ständen bestimmt; auch die einzelnen Kammern stehen nur mit dieser Staatsbehörde in unmittelbarer Geschäftsbeziehung.83
§ 134
Zutritt der Mitglieder des Ministerii und Königlicher Kommissarien zu den Sitzungen der Kammern
aufgehoben84
§ 135
Öffentlichkeit der Verhandlungen
Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich. Sie werden geheim auf den Antrag der
Königlichen Kommissarien bei Eröffnungen, für welche sie die Geheimhaltung nötig achten,
und auf das Begehren von drei Mitgliedern, denen nach dem Abtritte der Zuhörer wenigstens
ein Viertel der Mitglieder der Kammer über die Notwendigkeit der geheimen Beratung beitre-
ten muß.85
§ 136
Druck der Protokolle über die Verhandlungen in den Kammern
aufgehoben86
§ 137
Bezugnahme auf die Landtagsordnung
Die näheren Bestimmungen über den Landtag und den Geschäftsbetrieb bei selbigem enthält die Landtagsordnung.87
69 Die Worte „ingleichen während der Vertagung der Ständeversammlung“ wurden durch das VG. von 1974 (III) eingefügt, zur
Beseitigung erhobener Zweifel.
70 In der VU. von 1831 hieß es zu Anfang des § 115 „alle drei Jahre“. Die Umwandlung von „drei“ in „zwei“ erfolgte durch das VG. von 1868 (III) s. zu § 71.
71 Siehe jetzt wegen der Missiven weiter LgO. § 2. 72 Abs. 2 lautete in der VU. von 1831: „Die Vertagung darf nicht über sechs Monate dauern.“ Das VG. von 1874 (IV) hat zur Beseitigung erhobener Zweifel diese Änderung vorgenommen.
Eine Auflösung hat bisher, abgesehen von der Episode 1847/50, nicht stattgefunden.
73 Der Landtagsabschied ist eine alte Einrichtung; er fasste die wichtigsten Schlüsse des Landtages, besonders diejenigen, welche die Bewilligung betrafen, zusammen, und wurde den Ständen bei der feierlichen Entlassung mündlich erteilt und schriftlich übergeben, zugleich mit dem Landesrevers (das die Bewilligung zu keiner Einführung gereichen solle). 74 Dieser Paragraph wurde durch die VG. von 1849, 1874 (I) und letztmalig 1902 (G.- u. V.-Bl. S. 247) aufgehoben und neu verfasst. Genaue Bestimmungen dazu findet man in § 38 der Landtagsordnung.
75 Der § 123 wurde durch das VG. von 1874 (II) gestrichen und sein Gegenstand der Landtagsordnung zugewiesen.
76 Der § 124 wurde durch das VG. von 1874 (II) gestrichen und sein Gegenstand der Landtagsordnung zugewiesen (s. Landtagsordnung und die Geschäftsordnungen).
77 Der § 125 wurde durch das VG. von 1874 (II) gestrichen und sein Gegenstand der Landtagsordnung zugewiesen (s. Landtagsordnung §§ 28, 29, 30 und Geschäftsordnung der I. K. § 15 und der II. K. § 25). 78 Der § 126 wurde durch das VG. von 1874 (II) gestrichen und sein Gegenstand der Landtagsordnung zugewiesen (s. Geschäftsordnung der I. K. § 15 und der II. K. § 25).
In den ständischen Verhandlungen von 1874 wurde vom Referenten der I. K. und vom Ministertisch bemerkt, das Recht des einzelnen Kammermitglieds, sich schriftlich an die Deputation zu wenden, sei selbstverständlich und bestehe also fort.
79 Abs. 1 erhielt durch das VG. von 1868 (III) die im Text abgedruckte Fassung und zwar mit Rücksicht auf die Aufhebung der
Stellvertreter in der II. K.
80 Der § 129 wurde durch das VG. von 1868 (III) gestrichen 81) In der offiziellen Publikation der Verfassungsurkunde ist in Satz 2 § 128, nicht § 92 zitiert. Dies beruht ohne Zweifel auf einem bei schließlichen Redaktion der Verf. Urk. durch die Regierung vorgekommenen Versehen; der Entwurf hatte den dem jetzigen § 92 entsprechenden § bezeichnet. Verhandlungen über § 131 haben gar nicht stattgefunden. Das ein bloßes Redaktionsversehen vorliege, wurde von Regierung und Ständen wiederholt anerkannt, nämlich auf den Landtagen von 1836/37, 1854/55, 1871/73,
1873/74. In dem Gesetzesentwurf, der zum VG. von 1874 führte, hatte die Regierung eine Bestimmung zur Berichtigung des Fehlers aufgenommen. Sie wurde aber zuletzt als unnötig weggelassen.
Demnach wurde oben im Text „ § 92“ an Stelle von „§ 128“ gesetzt.
82) Abs. 2 fehlte in der VU. von 1831; er wurde durch das VG. von 1874 (V) hinzugefügt. Siehe auch LdtgsO. § 32.
83) Siehe dazu LdtgsO §28, 32, 38