Nicht nur im Kaiserreich nicht, sondern auch nicht in den Bundesstaaten. Genaugenommen zu der Zeit nirgends auf der Welt, außer in Australien, Finnland, Norwegen und Dänemark. Es war zu dieser Zeit einfach noch nicht üblich. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß im Reich das Frauenwahlrecht eingeführt worden wäre, wenn nicht der große Weltkrieg dazwischengekommen wäre.
Es hat aber auch einen tiefergehenden Hintergrund. Jedem Recht steht immer auch als Korrelat eine Pflicht gegenüber. Wenn ich beispielsweise das Recht habe, Armenunterstützung zu beziehen, dann habe ich auf der anderen Seite eine Pflicht, die dagegensteht, bspw. die Einkommenssteuer zu bezahlen. Und hier ist es so, daß das Wahlrecht an die Wehrpflicht gekoppelt ist. Das Wahlrecht im Deutschen Reich und in den Bundesstaaten beginnt in der Regel für Männer mit dem 25. Lebensjahr. Mit dem 25. Lebensjahr hat man dann in der Regel auch seinen Militärdienst schon abgeleistet. Hier ist der Handel ganz klar, ich gebe mich dem Staat und dem Militär hin, ich erfülle meine Wehrpflicht, und dafür erhalte ich dann als Korrelat das Wahlrecht.
Für die Zukunft ist das ein Punkt, der über die Gesetzgebung geregelt werden muß (also über Reichstag und Bundesrat), weil er damals nicht geregelt wurde. Wie schon beschrieben, war das im globalen Maßstab zu der Zeit nicht üblich.