Inhaltsverzeichnis
Was sind Armeekorps im Deutschen Reich?
Militärisch ist das Deutsche Reich nicht in Bundesstaaten strukturiert, sondern in Armeekorps. Die Aufteilung hat teils historische, teils militärische Gründe. Neben dem Militär ist auch der vaterländische Hilfsdienst in Armeekorps organisiert.
Definition Armeekorps.
„Das Wort Armeekorps ist durch franzsösische Vermittlung ins Deutsche aufgenommen worden. Es geht auf lateinisches corpus „Körper“ zurück; das deutsche „Körper“ aber rührt von demselben lateinischen corpus her. Somit präsentiert sich „Heerkörper“ als die genannte Übersetzung von Armeekorps.“
Quelle: Buch, Deutsches Heer und Deutsche Sprache von Dr. Georg Stucke, Rastatt 1915.
Die Nummerierung der Armeekorps.
Wie ist eigentlich die Nummerierung der Armeekorps entstanden, denn sie wirkt sehr durcheinander? Diese Frage beschäftigt einige Hilfsdienstkräfte schon etwas länger und soll im Folgenden näher betrachtet werden. Bei der Nummerierung fällt auf, daß alle niedrigen Zahlen ausschließlich Preußen zugefallen sind. Es erscheint die Schlußfolgerung logisch, daß die Numerierung mit der territorialen Expansion Preußens in Verbindung steht. Die folgende Ausführung möchte diese Theorie näher untersuchen, indem sie die Analogie der Ausdehnung Preußens/der Entstehung des Deutschen Reiches und der Nummerierung der Armeekorps aufzeigt.
Der Ursprung der Armeekorps.
„Ursprünglich konnte der Begriff Korps eine beliebig große Formation von speziellen Einheiten bezeichnen (z. B. Expeditionskorps). Die moderne Einteilung in Armeekorps hat jedoch ihren Ursprung bei Napoleon Bonaparte. Er stellte 1805, vor dem Feldzug von Ulm, im Lager von Boulogne als Erster im Krieg je nach Bedarf mehrere Divisionen unter dem Befehl eines Marschalls als Korps zusammen. Es gab Infanteriekorps aus mehreren Infanteriedivisionen sowie einer Kavallerie- und einer Artilleriereserve und Kavalleriekorps aus mehreren Kavalleriedivisionen. Als feststehender Friedensverband wurde dann das Armeekorps von allen europäischen Heeren angenommen.“1
Anzumerken sei hierbei noch, daß die Sollstärke eines Armeekorps ca. 35.000 Mann betrug.
Preußen nach dem Wiener Kongreß 1815.
Die Situation Preußens zur Zeit Napoleons war katastrophal: Das Heilige Römische Reich deutscher Nationen war 1806 aufgelöst worden und 1807 hatte Preußen durch den Frieden von Tilsit die Hälfte seines Territoriums eingebüßt und behielt nur noch die Provinzen Brandenburg, Pommern, Preußen und Schlesien.
Mit dem Wiener Kongreß 18152 erhielt Preußen den nördlichen Teil Sachsens, sowie im Westen die Provinzen Jülich-Kleve-Berg, das Großherzogtum Niederrhein und Westfalen.
Im Osten wurde Posen und Danzig wieder an Preußen angegliedert und im Norden wurde Schwedisch-Pommern mit Rügen von Dänemark gegen das Herzogtum Lauenburg getauscht.
Durch die Heeresreformen (1807-1814), eingesetzt dafür war Generalmajor von Scharnhorst3,
wurden 1813 die ersten drei Armeekorps gebildet.4 Bei meinen Recherchen stieß ich auf die „Rang- und Quartier-Liste der Königlich-Preußischen Armee von 1824″5 . Dort war Preußen bereits in acht Armeekorps unterteilt.
Die Einteilung der Armeekorps war wie folgt:
I. Armeekorps Provinz Preußen (Königsberg)
II. Armeekorps Provinz Pommern (Berlin)
III. Armeekorps Provinz Brandenburg (Berlin)
IV. Armeekorps Provinz Sachsen (Erfurt)
V. Armeekorps Provinz Posen (Posen)
VI. Armeekorps Provinz Schlesien (Breslau)
VII. Armeekorps Provinz Westfalen (Münster)
VIII. Armeekorps Rheinprovinz (Koblenz)
Daneben gab es außerdem noch das Garde-Korps in Berlin
Preußen nach dem deutschen Krieg 1866.
Durch den Sieg im Deutschen Krieg gegen Österreich und seine Verbündeten 1866, erlangte Preußen einen Gebietsgewinn. Schleswig und Holstein wurden zur Provinz SchleswigHolstein, Königreich Hannover wurde zur Provinz Hannover und das Kurfürstentum HessenCassel wurde mit dem Herzogtum Nassau zur Provinz Hessen-Nassau.6
Folglich wurden auch drei neue Armeekorps aufgestellt. Neben dem Garde-Korps in Berlin gab es nun folgende Einteilung, die wir ebenfalls der Rang- und Quartier-Liste entnehmen können:
I. Armeekorps Provinz Preußen (Königsberg)
II. Armeekorps Provinz Pommern (Berlin)
III. Armeekorps Provinz Brandenburg (Berlin)
IV. Armeekorps Provinz Sachsen (Magdeburg)
V. Armeekorps Provinz Posen (Posen)
VI. Armeekorps Provinz Schlesien (Breslau)
VII. Armeekorps Provinz Westfalen (Münster)
VIII. Armeekorps Rheinprovinz (Koblenz)
IX. Armeekorps Provinz Schleswig-Holstein (Schleswig)
X. Armeekorps Provinz Hannover (Hannover)
XI. Armeekorps Provinz Hessen-Nassau (Cassel)
Die Verteilung innerhalb des Norddeutschen Bundes 1867-1870.
Auch bei Gründung des Norddeutschen Bundes wurden die Bezeichnungen der Armeekorps
beibehalten und fortgeführt. Das Königreich Sachsen wurde als XII. Armeekorps der Nummerierung hinzu gefügt.7
Die übrigen Bundesstaaten wurden in die bereits bestehenden preußischen Armeekorps
eingebunden:
Bundesstaat | Eingliederung in ein bestehendes Armeekorps |
Großherzogtum Hessen | XI |
Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin | IX |
Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz | IX |
Großherzogtum Oldenburg | X |
Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach | XI |
Herzogtum Anhalt | IV |
Herzogtum Braunschweig | X |
Herzogtum Sachsen-Altenburg | IV |
Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha | XI |
Herzogtum Sachsen-Meiningen | XI |
Fürstentum Lippe | VII |
Fürstentum Reuß älterer Linie | IV |
Fürstentum Reuß jüngerer Linie | IV |
Fürstentum Schauenburg-Lippe | VII |
Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt | IV |
Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen | IV |
Fürstentum Waldeck | XI |
Freie Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck | IX |
Die neue Gliederung sah wie folgt aus:8
I. Armeekorps Provinz Preußen (Königsberg)
II. Armeekorps Provinz Pommern (Berlin)
III. Armeekorps Provinz Brandenburg (Berlin)
IV. Armeekorps Provinz Sachsen (Magdeburg)
V. Armeekorps Provinz Posen (Posen)
VI. Armeekorps Provinz Schlesien (Breslau)
VII. Armeekorps Provinz Westfalen (Münster)
VIII. Armeekorps Rheinprovinz (Koblenz)
IX. Armeekorps Provinz Schleswig-Holstein (Schleswig)
X. Armeekorps Provinz Hannover (Hannover)
XI. Armeekorps Provinz Hessen-Nassau (Cassel)
XII. Armeekorps Königreich Sachsen (Dresden)
Daneben gab es außerdem noch das preußische Garde-Korps in Berlin und aus dem Großherzogtum Hessen die 25. Division, die dem XI. Armeekorps in Cassel zugeteilt war.
Gliederung innerhalb des Deutschen Reichs bis1886.
Durch die Gründung des Deutschen Reichs 1871 kamen neue Armeekorps hinzu:
• Königreich Württemberg (XIII)
• Großherzogtum Baden (XIV)
• Reichsland Elsaß-Lothringen (XV)
• Königreich Bayern (1. und 2. bayer. Armeekorps)
Somit umfaßte die Liste inklusive das preußische Gardekorps in Berlin nun 18 Armeekorps.9
I. Armeekorps Provinz Ost- und Westpreußen (Königsberg)
II. Armeekorps preuß. Provinz Pommern und Reg.-Bez. Bromberg (Stettin)
III. Armeekorps preuß. Provinz Brandenburg (Berlin)
IV. Armeekorps preuß. Provinz Sachsen, Hzgt. Anhalt und Sachsen-Altenburg, beide
Fstt. Reuß und beide Fstt. Schwarzburg (Magdeburg)
V. Armeekorps preuß. Reg.-Bez. Posen und Liegnitz (Posen)
VI. Armeekorps preuß. Reg.-Bezirk Breslau und Oppeln(Breslau)
VII. Armeekorps preuß. Provinz Westfalen, Reg.-Bez. Düsseldorf, beide Fstt. Lippe
(Münster)
VIII. Armeekorps preuß. Rheinprovinz, excl. Reg.-Bez. Düsseldorf (Koblenz)
IX. Armeekorps preuß. Provinz Schleswig-Holstein, Landdrostei-Bezirk Stade, beide
Mecklenburg (Altona)
X. Armeekorps preuß. Provinz Hannover, excl. Landdrostei-Bezirk Stade,
Ghzgt. Oldenburg, Hzgt. Braunschweig (Hannover)
XI. Armeekorps preuß. Provinz Hessen-Nassau, Ghzgt. Hessen und Sachsen, Hzgt.
Sachsen-Coburg-Gotha und Sachsen-Meiningen, Fstt. Waldeck (Cassel)
XII. Armeekorps Königreich Sachsen (Dresden)
XIII. Armeekorps Königreich Württemberg (Stuttgart)
XIV. Armeekorps Großherzogtum Baden (Karlsruhe)
XV. Armeekorps Elsaß-Lothringen (Straßburg)
XVI. 1. Armeekorps Königreich Bayern (München)
XVII. 2. Armeekorps Königreich Bayern (Würzburg)
Änderungen nach 1886.
Die heutige Aufteilung verdanken wir einigen Änderungen der bestehenden Armeekorps.
Einige Armeekorps wurden neu aufgeteilt (z.B. IV und XI), andere wurden nach 1886 aus den
bestehenden Armeekorps ausgegliedert und neu gegründet. Dazu gehören:10
• 1891 Lothringen (XVI)
• 1891 Westpreußen (XVII)
• 1900 Großherzogtum Hessen und preußischer Regierungsbezirk Wiesbaden (XVIII)
• 1900 Bezirkshauptmannschaften Leipzig und Zwickau (XIX)
• 1901 Ober- und Niederbayern, Oberpfalz, Franken (3. bayer. Armeekorps)
• 1913 Preußischer Regierungsbezirk Allenstein und Teile des Regierungsbezirks
Königsberg (XX)
• 1913 Regierungsbezirke Koblenz und Trier und ein Teil von Elsaß-Lothringen
(XXI)
Aktuelle Übersicht der Armeekorps.
Zur Zeit umfaßt die Liste insgesamt 24 Armeekorps sowie das preußische Garde-Korps in
Berlin.11
I. Armeekorps in Ostpreußen (Königsberg)
II. Armeekorps in Pommern und Reg.-Bez. Bromberg (Stettin)
III. Armeekorps in Brandenburg (Berlin)
IV. Armeekorps in der Provinz Sachsen, ausschl. Reg.-Bez. Erfurt, in den Hzgt. Anhalt
und Sachsen-Altenburg (Magdeburg)
V. Armeekorps in den Reg.-Bez. Posen und Liegnitz (Posen)
VI. Armeekorps in den Reg.-Bez. Breslau und Oppeln (Breslau)
VII. Armeekorps in Westfalen, im Reg.-Bez. Düsseldorf und in den Fstt. Lippe
(Münster)
VIII. Armeekorps in der Rheinprovinz ausschl. Reg.-Bez. Düsseldorf (Koblenz)
IX. Armeekorps in der Provinz Schleswig-Holstein, dem Reg.-Bez. Stade, in beiden
Mecklenburg und den Hansestädten (Altona)
X. Armeekorps in der Provinz Hannover ausschl. Reg.-Bez. Stade, im Ghzgt.
Oldenburg und im Hzgt. Braunschweig (Hannover)
XI. Armeekorps in den Reg.-Bez. Cassel und Erfurt, dem Ghzgt. Sachsen, den Hzgt.
Sachsen Coburg u. Gotha und Sachsen Meiningen und den Fstt. Waldeck, Reuß
und Schwarzburg (Cassel)
XII. (1. Kgl. sächs.) Armeekorps in den Kr.-Hptmschaften Bautzen und Dresden
(Dresden)
XIII. (Kgl. württemb.) Armeekorps (Stuttgart)
XIV. Armeekorps im Ghzgt. Baden und Reg.-Bez. Oberelsaß (Karlsruhe)
XV. Armeekorps im Reg.-Bez. Unterelsaß (Straßburg)
XVI. Armeekorps in Lothringen (Metz)
XVII. Armeekorps in Westpreußen und Reg.-Bez. Köslin (Danzig)
XVIII. Armeekorps im Reg.-Bez. Wiesbaden und im Ghzgt. Hessen (Frankfurt/Main)
XIX. (2. Kgl. sächs.) Armeekorps Kr.-Hptmschaften Chemnitz, Leipzig und Zwickau
(Leipzig)
XX. Armeekorps in Ost- und Westpreußen (Allenstein)
XXI. Armeekorps in den Reg.-Bez. Koblenz u. Trier und in Elsaß-Lothringen
(Saarbrücken)
XXII. 1. Kgl. bayer. Armeekorps in OBayern, NBayern u. Schwaben (München)
XXIII. 2. Kgl. bayer. Armeekorps in der Pfalz u. in Franken (IIb Würzburg)
XXIV. 3. Kgl. bayer. Armeekorps in OBayern u. NBayern, der OPfalz, Franken u.
Schwaben (IIIb Nürnberg)
Schlußfolgerung
Anhand der aufgezeigten Parallelen zwischen den Gebietserweiterungen Preußens, sowie der Nummerierung der Armeekorps, scheint die eingangs geäußerte Vermutung sich zu bestätigen:
Die uns vielleicht etwas unregelmäßig vorkommende Nummerierung resultiert aus der Entstehung der preußischen Armeekorps ab 1813, als Preußen aus lediglich 4 Provinzen bestand. Anschließend folgten Gebietserweiterungen und die damit einhergehende Einrichtung neuer Armeekorps in Preußen. Entsprechend der Gebietserweiterungen kamen sowohl im Norddeutschen Bund, als auch im anschließenden Deutschen Reich fortwährend neue Armeekorps hinzu, bis wir bei den heute bekannten 24 Armeekorps (25 mit dem preußischen Garde-Korps in Berlin) angekommen sind.
Quellen.
1
2
3
4
5 Rang- und Quartier-Liste der Königlich Preußischen Armee für das Jahr 1824 von Kriegesrath Müller v. D. Geh. Krieges-Kanzlei, Wilh. Dieterici, Berlin
6 Rang- und Quartier-Liste der Königlich Preußischen Armee und Marine für das Jahr 1866, E. S. Mittler und Sohn, Berlin
7 Quelle: Neue Quartierliste des gesamten Deutschen Heeres 1870, Verlag von D. Schlesier
8 Quelle: Neue Quartierliste des gesamten Deutschen Heeres 1870, Verlag von D. Schlesier
9 Gothaischer Genealogischer Hofkalender 1874, Seite 350 ff.
10 Quelle: https://treemagic.org/rademacher/www.verwaltungsgeschichte.de//militaer.html
11 Gothaischer Genealogischer Hofkalender 1917, Seite 489 ff.