Inhaltsverzeichnis
- Erläuterungen zum Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.
- Dr. Delbrücks Rede vor dem Reichstag am 22. Juli 1913.
- Das nicht mehr gültige BuStAG von 1870.
- Warum das BuStAG geändert werden mußte.
- Das Bewußtsein, ein Deutscher zu sein.
- Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit.
- Zusammenfassung.
Erläuterungen zum Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.
Bei Beginn der Reichstagsverhandlungen über das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz und über die Gesetzentwürfe zur Abänderung des Reichsmilitärgesetzes sowie des Gesetzes betreffend Änderungen der Wehrpflicht vom 11. Februar 1888 gab der Staatssekretär des Reichsamts des Innern Dr. Delbrück über die Ursachen der Gesetzentwürfe und ihre wichtigsten Abweichungen vom bisherigen Rechte am 23. Februar 1912 folgenden Überblick [Originalrede]:
Dr. Delbrücks Rede vor dem Reichstag am 22. Juli 1913.
„Das Staatsangehörigkeitsgesetz, dessen Entwurf ich heute einzubringen die Ehre habe, soll das Gesetz vom 1. Juni 1870 ersetzen. Es ist dabei nicht die Absicht der verbündeten Regierungen, die Bestimmungen über den Erwerb und den Verlust der Staats- und Reichsangehörigkeit von Grund auf zu ändern; es handelt sich nur darum, eine Anzahl von Bestimmungen aufzuheben, zu ändern, zu ergänzen, die nicht mehr der Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb und außerhalb der Grenzen des deutschen Vaterlandes entsprechen.
Das Gesetz von 1. Juni 1870 stammt aus der Zeit vor Errichtung des Deutschen Reiches; es gehört zu den grundlegenden Gesetzen des Norddeutschen Bundes [Zum Verständnis, die Deutsche Verfassungsgeschichte anschauen], die mit dessen Verfassung auf das Deutsche Reich übergegangen sind. Das Gesetz hatte damals eine doppelte Aufgabe zu lösen. Es galt einmal, das völkerrechtliche Band, das damals allein die Angehörigen der im Norddeutschen Bunde zusammengeschlossenen Staaten vereinte, entsprechend den abgeschlossenen Bundesverträgen in ein staatsrechtliches Band zu verwandeln, und es handelte sich ferner darum, allen Angehörigen des Norddeutschen Bundes ein gemeinsames Indigenat dem Auslande gegenüber zu verschaffen. Das Gesetz hat die Aufgabe entsprechend der Entstehung und entsprechend der staatsrechtlichen Konstruktion des Deutschen Reichs, entsprechend den damaligen staats- und völkerrechtlichen Anschauungen gelöst, und man wird, wenn man ehrlich sein will, auch behaupten müssen, daß es bis heute im großen und ganzen allen Anforderungen genügt hat.
Das Gesetz von 1870 stellt an die Spitze den Grundsatz, daß die Bundesangehörigkeit durch die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate erworben wird und mit deren Verlust erlischt. Meine Herren, das ist konsequent und muß auch heute noch für richtig angesehen werden, wenn man berücksichtigt, daß das Deutsche Reich entstanden ist durch einen Vertrag von seit alters her bestehenden souveränen Staaten. Es entspricht dem föderativen Charakter des Reiches, wenn die Reichsangehörigkeit nicht selbständig als solche begründet und erhalten werden kann, sondern wenn sie lediglich erscheint als die Rechtsfolge der Angehörigkeit zu einem der zum Deutschen Reiche zusammengeschlossenen Bundesstaaten.
Folgerichtig mußte natürlich – und das tut das Gesetz – auch ein einheitliches Recht geschaffen werden in bezug auf die Grundsätze, nach denen die Staatsangehörigkeit innerhalb der einzelnen Bundesstaaten erworben, aufgegeben werden konnte, und es mußten diese Grundsätze auch den Bedürfnissen des Reichs angepaßt werden. Ferner war es notwendig – und auch das hat das Gesetz getan –, neben der durch die Gesetzgebung des jungen Reichs geschaffenen wirtschaftlichen und der damit zusammenhängenden armenrechtlichen Freizügigkeit auch eine staatsbürgerliche Freizügigkeit zu schaffen, indem bestimmt wurde, daß der Angehörige eines Bundesstaates das Recht hat, die Aufnahme in einen anderen Bundesstaat zu verlangen.
Das nicht mehr gültige BuStAG von 1870.
Auf dieser Grundlage und in diesem Rahmen zählt das Gesetz von 1870 dann fünf Ursachen des Erwerbes der Staatsangehörigkeit auf. Sie soll erworben werden können durch Abstammung, durch Legitimation, durch Verheiratung und – wie es damals hieß – durch Aufnahme oder durch Naturalisation, je nachdem es sich darum handelte, die Staatsangehörigkeit einem Inländer oder einem Ausländer zu verleihen. Es wird dann bestimmt, daß Ausländer keinen Anspruch auf die Verleihung der Staatsangehörigkeit haben. Es werden die Grundsätze festgelegt, unter denen Ausländern die Aufnahme in die Staatsangehörigkeit versagt werden muß, und es wird endlich bestimmt, daß die Anstellung in einem öffentlichen Amt in einem Bundesstaat gleichbedeutend ist mit der Aufnahme in diesen Bundesstaat.
Meine Herren, dem stehen gegenüber fünf Gründe, die den Verlust der Staatsangehörigkeit zur Folge haben: zunächst die Entlassung auf Antrag und der Ausspruch einer Behörde; es handelt sich hier um diejenigen Fälle, in denen durch Ausspruch der heimischen Behörde ein Deutscher der Staatsangehörigkeit für verlustig erklärt werden kann, der seiner Militärpflicht im Kriegsfalle sich entzieht oder auf Aufforderung der heimischen Behörde nicht aus dem Dienste eines ausländischen Staates austritt, in den er ohne Genehmigung der Heimatsbehörde eingetreten ist. Die Staatsangehörigkeit geht ferner verloren durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande, durch Legitimation und durch Verheiratung.
Die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit soll nicht versagt werden allen, die nachweisen, daß sie die Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundesstaat erworben haben. Anderenfalls bildet die Voraussetzung, daß die Anforderungen des Militärdienstes vorschriftsmäßig erfüllt sind. Die Entlassung soll unwirksam werden, wenn der Inhaber der Entlassungsurkunde nicht innerhalb einer bestimmten Frist entweder die Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundesstaate erworben oder seinen Aufenthalt in das Ausland verlegt hat.
Warum das BuStAG geändert werden mußte.
Meine Herren, von allen diesen Bestimmungen, die ich hier kurz nach der grundsätzlichen Seite hin skizziert habe, hat im Laufe der Zeit eigentlich nur eine, und diese in immer steigendem Maße, Anfechtungen erfahren. Das ist die Bestimmung des § 21 des geltenden Gesetzes, wonach ein Norddeutscher, der das Bundesgebiet verlassen und sich zehn Jahre hindurch im Auslande aufgehalten hat, seine Staatsangehörigkeit verliert. Man wirft dieser Bestimmung vor, daß sie den Verlust der Staatsangehörigkeit, die Aufgabe der Staatsangehörigkeit, ungebührlich erleichtere. Man vermißt in dem Gesetz Bestimmungen, welche ehemaligen Deutschen den Wiedererwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erleichtern; und man ist der Meinung, daß durch jene Vorschrift dem Deutschen Reiche ein gut Teil seiner besten Volkskraft ohne zwingenden Grund verloren geht.
Aus alledem ergibt sich, daß die zahlreichen Veränderungen, die das neue Gesetz gegen das alte aufweist, zu ihrem kleinsten Teile von grundsätzlicher Bedeutung sind. Sie sind zum Teil juristisch-technischer Natur, sie haben zum Teil den Zweck, Unebenheiten zu beseitigen, die sich im geltenden Recht gezeigt haben, und bringen grundlegende Veränderungen eigentlich nur bezüglich; der Bestimmungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit.
Es ist wohl selbstverständlich, daß das neue Gesetz nicht an dem obersten Grundsatze des geltenden Rechts rüttelt, daß die Reichsangehörigkeit durch die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat erworben wird, und daß sie mit dieser erlischt. In dieser Beziehung Änderungen des geltenden Rechts eintreten zu lassen, liegt eine Veranlassung nicht vor. Man hat es wohl gefordert; aber ich habe den Eindruck, daß dieser Forderung mehr ideale Gesichtspunkte als ein praktisches politisches Bedürfnis zugrunde liegen, daß sie mehr im Überschwang patriotischer Begeisterung als in der Überzeugung von einer Unzweckmäßigkeit des geltenden Rechts entstanden sind. Es würde Schwierigkeiten machen, wenn man eine selbständige Reichsangehörigkeit konstruieren wollte, weil man sich damit in Widerspruch setzen würde mit den föderativen Grundlagen, auf denen das Deutsche Reich aufgebaut ist und nach der Überzeugung der verbündeten Regierungen aufgebaut bleiben soll.
Nur in einem Punkte haben diese Bestimmungen eine Ergänzung erfahren. Das Gesetz ist zu einer Zeit erlassen, wo wir keine Kolonien und keine Schutzgebiete besaßen. Den veränderten Verhältnissen entsprechend enthält auch der Gesetzentwurf, der Ihnen jetzt vorliegt, Vorschriften, welche unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb der Schutzgebiete den Erwerb einer unmittelbaren Reichsangehörigkeit zulassen. Darüber hinauszugehen, lag keine Veranlassung vor.
Auch im übrigen ist an den Bestimmungen, die den Erwerb der Staatsangehörigkeit regeln, im wesentlichen nichts geändert.
Eine Neuerung finden Sie bezüglich der Aufnahme von Ausländern. Hier liegt in dem geltenden Recht ein zweifelloser Mangel, indem es die Aufnahme von Ausländern lediglich in das Ermessen desjenigen Bundesstaates legt, in dem der betreffende Ausländer seinen Aufenthalt genommen und die Aufnahme beantragt hat. Die Bestimmung beachtet nicht, daß die Aufnahme in einen Bundesstaat auch gleichzeitig das Recht gibt, die Aufnahme in jedem anderen Bundesstaat nachzusuchen. Es erscheint danach recht und billig und absolut vereinbar mit den von mir eben skizzierten grundsätzlichen Anschauungen des geltenden Rechts, wenn für den Fall, daß ein Bundesstaat einen Ausländer aufnimmt, man auch den übrigen Bundesstaaten die Möglichkeit gibt, zu prüfen, welche Konsequenz diese Aufnahme für sie selbst haben wird. Die diesbezügliche Bestimmung finden Sie in dem letzten Absatz des § 7 des vorliegenden Entwurfs.
Neu ist in den Bestimmungen über den Erwerb der Staatsangehörigkeit ferner die Vorschrift, daß Witwen und geschiedene Ehefrauen von Ausländern, die Deutsche waren, die Aufnahme in den Bundesstaat, dem sie früher angehört haben, verlangen können, sofern sie sich im Inlande niedergelassen haben.
Neu ist ferner die in derselben Richtung wirkende Bestimmung, daß auch ehemalige Deutsche in einem Bundesstaate, dem sie früher angehört haben, die Aufnahme erlangen können, ohne eine Niederlassung im Inlande zu nehmen. Es handelt sich in diesen beiden Fällen um Vorschriften, die darauf berechnet sind, den Klagen abzuhelfen, die darüber erhoben werden, daß die Wiedererlangung der Staatsangehörigkeit für ehemalige Deutsche durch das geltende Recht ungebührlich erschwert werde.
Wesentliche Abänderungen haben, wie ich vorhin schon sagte, dagegen die Bestimmungen erfahren, die den Verlust der Staatsangehörigkeit regeln, und hier handelt es sich in erster Linie um eine Beseitigung des § 21 des geltenden Gesetzes. Dieser Paragraph stammt aus einer anderen Zeit, er ist geboren aus anderen Bedürfnissen, als wir sie heute haben. Ende der sechziger Jahre schon war die sehr erhebliche Auswanderung, die allenthalben zu beklagen war, für die Bundesstaaten ein schwer empfundenes, aber auch schwer abzuwendendes Übel. Es waren nicht die schlechtesten Köpfe und keineswegs immer unfleißige Hände, die in großer Anzahl dem Vaterlande durch Auswanderung entzogen wurden; aber sie verließen im großen und ganzen ihr Vaterland mit der Absicht, nicht wiederzukehren, sei es, daß sie glaubten, jenseits des Meeres günstigere Arbeitsbedingungen finden zu können als in dem wirtschaftlich und politisch ungeeinten und unentwickelten alten Vaterlande, sei es, daß sie davon durchdrungen waren, daß die weite Entfernung, die sie zwischen sich und die alte Heimat legten, bei den damaligen Verkehrsverhältnissen auch zu einer Loslösung von dieser führen müßte. Und selbst wenn die Regierungen damals den Willen gehabt hätten, diese über das Meer abwandernden Deutschen in Beziehungen zum alten Vaterlande zu halten, würden sie nicht wohl in der Lage gewesen sein, diesen Wunsch wirksam zu betätigen. Sie waren nicht imstande, denen, die sich noch als Deutsche und als Angehörige ihres Heimatstaats in Deutschland fühlten, im Auslande den Schutz zu gewähren, der für sie die Zugehörigkeit zum alten Vaterlande zu einem wertvollen Gut machte.
Meine Herren, unter diesen Umständen war es konsequent, wenn man sagte: wir wollen den Verlust der Staatsangehörigkeit, die im günstigsten Falle ein ideales, aber im übrigen wertloses Gut bleibt, nicht erschweren und an möglichst einfache, klar erkennbare Tatsachen knüpfen.
Das hatte zwar den Nachteil, daß die Zahl der heimatlosen Deutschen außerordentlich anschwoll; denn es war nicht ausgeschlossen, daß eine große Anzahl derjenigen Deutschen, die durch Zeitablauf die Staatsangehörigkeit verloren, eine neue Staatsangehörigkeit nicht wieder erwarben.
Auf der anderen Seite hatte die Bestimmung für die damaligen Verhältnisse den Vorzug, daß sie die Zahl der Personen, die mehreren Staaten angehören, die Zahl der sogenannten sujets mixtes, nach Möglichkeit beschränkte, – vom Standpunkt der damaligen Staatsraison ein vollständig berechtigtes Bestreben. Die Angehörigen verschiedener Staaten sind für die beteiligten Staaten in der Regel nicht von Nutzen, sondern sie sind für sie eine Last. Es ist eben die Zugehörigkeit zu zwei Staaten unter normalen Verhältnissen ein Unding; der Mensch kann eben nicht zween Herren dienen, und es ist unzweckmäßig, ohne zwingenden Grund – ich werde auf die Ausnahmen kommen, die unter allen Umständen empfehlenswert sind – die Zahl der sujets mixtes ins Ungemessene anschwellen zu lassen.
Meine Herren, das sind die Erwägungen gewesen, die seinerzeit bestimmend gewesen sind für die Vorschriften des § 21 des Gesetzes von 1870.
Das Bewußtsein, ein Deutscher zu sein.
Nun hat sich ja seit der Zeit außerordentlich viel geändert. Das „civis Germanus sum“ hat aufgehört, ein leeres Wort zu sein. Es ist das stolze Bekenntnis der Zugehörigkeit zu einem großen und mächtigen Staat geworden. Das Bewußtsein, ein Deutscher zu sein, erschöpft sich nicht mehr in einem Bündel sentimentaler Erinnerungen; der heutige Auslandsdeutsche steht bei den jetzigen Verkehrsverhältnissen, bei der Leichtigkeit des brieflichen Verkehrs, bei der Entwicklung unserer Presse in dauerndem und lebhaftem Verkehr mit dem wirtschaftlichen und geistigen Leben seines Heimatlandes und mit denen, die ihm dort in irgendeiner Weise nahegestanden haben. Das Bewußtsein, ein Deutscher zu sein, gibt gleichzeitig das Gefühl der Sicherheit, das alle haben, die sich unter dem Schutze einer starken Flagge wissen.
Und, meine Herren, auch das Deutsche Reich hat ein anderes Interesse als damals, diejenigen an sich zu fesseln, die über das Meer hinausgegangen sind; denn auch die Gründe der Auswanderung sind zu einem erheblichen Teil andere geworden als damals. Wer heute geht, geht nicht, um sich wirtschaftlich und politisch von seinem Vaterlande zu trennen; sondern ein großer Teil von denen, die hinausgehen, tun dies, um wirtschaftlich und politisch im Dienste ihres Vaterlandes zu arbeiten. Wir sind auch heute, dank unserer entwickelten Konsulatseinrichtungen, dank unserer starken Flotte in der Lage, diese Deutschen, die sich draußen als Deutsche fühlen, und die draußen sich eventuell auf den Schutz des Deutschen Reichs verlassen, im gegebenen Falle zu schützen. Daraus folgt zweifellos mit Recht die vielfach erhobene Forderung einer Beseitigung der Bestimmung des § 21 des Gesetzes von 1870. Es fragt sich nur, wie man den Forderungen, die in dieser Beziehung zwar erhoben, aber sehr wenig genau formuliert sind, gerecht werden kann.
Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit.
Nun, meine Herren, man hat gesagt, man müsse von dem Grundsatze ausgehen, daß die Eigenschaft als Deutscher, die wir durch die Geburt gewonnen haben, wo immer auch unsere Wiege gestanden hat, niemals verloren gehen kann. Man hat diese Forderung zusammengefaßt in der Formel „semel Germanus, semper Germanus“. Das klingt sehr schön, hat aber in die Praxis umgesetzt seine Nachteile und andererseits auch nicht die Vorteile, die man sich davon verspricht.
Wenn man grundsätzlich sich auf den Standpunkt stellt, daß, wer einmal Deutscher geworden ist, wer als Deutscher geboren ist, auch Deutscher bleiben soll, so wird man mindestens zugeben müssen, daß derjenige, der klar und ausdrücklich bekundet hat, daß er nicht Deutscher bleiben wolle, nicht in der Zugehörigkeit zu einem Staate zurückgehalten werden soll, dem anzugehören er keine Veranlassung zu haben glaubt, dem anzugehören ihm unter Umständen Schwierigkeiten bereitet in seinen Beziehungen zu dem Lande, das er, sei es mit Recht, sei es mit Unrecht, glaubt den eigenen Vaterlande vorziehen zu sollen. Infolgedessen haben wir zwar in dem Entwurf den Verlust der Staatsangehörigkeit durch Zeitablauf beseitigt, wir halten es aber für geboten, daß die Staatsangehörigkeit verloren geht, wenn ihr Inhaber auf seinen Antrag die Angehörigkeit in einem anderen Staate erworben hat. Wir erkennen indes an, daß es Fälle gibt, in denen sehr wohl der einzelne Staatsbürger, der in das Ausland geht, ein Interesse daran hat, neben der alten Staatsangehörigkeit eine neue zu erwerben, und daß er in ihrem Besitz auch die Interessen des alten Vaterlandes wirksam vertreten kann. Dementsprechend ist in dem Entwurf die Bestimmung aufgenommen, daß diejenigen, welche auf ihren Antrag die Zugehörigkeit eines auswärtigen Staates erwerben und dies vorher angezeigt und die Ermächtigung ihrer Heimatsbehörden dazu erhalten haben, die Staatsangehörigkeit nicht verlieren sollen.
Dann ist noch ein zweites Moment, das unseres Erachtens notwendigerweise eine Einschränkung des Grundsatzes „Semel Germanus, semper Germanus“ bedingt: das ist die Erfüllung der Militärpflicht. Meine Herren, die Waffen zum Schutze des Vaterlandes zu tragen, gehört zu den vornehmsten Ehrenpflichten des Deutschen. Die Erfüllung dieser Pflicht bedeutet aber für die meisten auch eine schwere wirtschaftliche Last, und wir sind der Meinung, daß derjenige nicht berechtigt ist, die Vorteile der Zugehörigkeit zum deutschen Vaterlande, den Schutz der deutschen Regierung für sich in Anspruch zu nehmen, der nicht selbst die Bereitwilligkeit bekundet hat, im Notfalle zum Schutze dieses seines Vaterlandes die Waffe zu tragen. Daraus ergeben sich die Bestimmungen des Entwurfs, die dahin gehen, daß diejenigen Deutschen die Staatsangehörigkeit verlieren sollen, die nicht bis zu einem gewissen Termin – es ist das vollendete 31. Lebensjahr – entweder ihrer Dienstpflicht genügt oder doch eine Regelung dieser Dienstpflicht herbeigeführt und damit die Absicht bekundet haben, die Verpflichtungen zu erfüllen, die jedem Deutschen auf Grund der in der Heimat geltenden Gesetze obliegen. Wir sind aber in der Erwägung, daß es dem Auslandsdeutschen nicht immer leicht sein wird, diese Verpflichtungen zu erfüllen, dazu gekommen, im Verwaltungswege eine Reihe von Erleichterungen zu statuieren und durch die vorgeschlagenen Veränderungen des Reichsmilitärgesetzes und des Gesetzes, betreffend Änderungen der Wehrpflicht, Vorsorge zu treffen, daß den Auslandsdeutschen noch weitere Erleichterungen in der Erfüllung ihrer Wehrpflicht gewährt werden können. Wir sind der Meinung, daß diese Bestimmungen über den Verlust der Staatsangehörigkeit notwendig sind, und daß die vorgeschlagene Regelung allen billigen Anforderungen und allen Anforderungen derer Rechnung trägt, die der Ansicht gewesen sind, daß das bisherige Recht der politischen und wirtschaftlichen Weltstellung Deutschlands nicht mehr entspreche.“
Zusammenfassung.
Das war die Rede zum Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz, welches am 22. Juli 1913 verabschiedet wurde. Sowohl die Rede als auch das Gesetz selbst ist vielschichtig. Der föderale Charakter des Reichs wird beachtet, die Wehrpflicht wird erwähnt und es wird deutlich erklärt warum die Zeit reif ist, vom „Bundesangehörigen“ weg zu gehen und die Deutschen nun auch endlich juristisch „Deutsche“ zu nennen.
Die Geschichte des RuStAG ist fest mit der Verfassungsgeschichte verknüpft. Um das Gesetz vollumfassend zu verstehen, muß auch die Geschichte der Reichsverfassung studiert werden. Mit diesen Voraussetzungen kann man sich im nächsten Schritt einmal eine Definition des RuStAG in Universitäts-Niveau anschauen.
Bist du Deutscher gemäß dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz?
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