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Wilhelm,
von Gottes Gnaden, König von Württemberg
Thun kund und zu wissen für Uns und Unsere Nachfolger in der Regierung:
Unseres in Gott ruhenden Herrn Vaters Majestät und Gnaden haben schon im Jahre 1815 auf die Errichtung einer Staats-Grund-Verfassung für das gesamte Königreich Württemberg ernstlichen Bedacht genommen, und zu diesem Ende mit den zu einer Stände-Versammlung einberufenen Fürsten, Grafen, Edelleuten, Geistlichen beider Haupt-Confessionen und den von einigen Städten, auch sämtlichen Oberamts-Bezirken gewählten Abgeordneten Unterhandlungen eröffnen lassen, welche unter Unserer Regierung bis in das Jahr 1817 fortgesetzt wurden.
Wiewohl damals der gewünschte Zweck nicht zu erreichen gewesen, so haben Wir denselben dennoch unverrückt im Auge behalten, und um einestheils der Uns, als einem Gliede des deutschen Bundes, obliegenden Verbindlichkeit zu Erfüllung des XIII. Artikels der Bundes-Akte, anderntheils den Wünschen und Bitten Unserer getreuen Unterthanen um endliche Begründung des öffentlichen Rechtszustandes, übereinstimmend mit Unserer eigenen Überzeugung, zu entsprechen, eine neue Stände-Versammlung auf den 13. Juli gegenwärtigen Jahres in Unsere Residenz-Stadt Ludwigsburg berufen.
Nachdem nun über den Entwurf einer den früheren vertrags- und gesetzmäßigen Rechten und Freiheiten Unseres alten Stammlandes, so wie der damit vereinigten neuen Landestheile, zugleich aber auch den gegenwärtigen Verhältnissen möglichst angemessenen, Grund-Verfassung die von der Stände-Versammlung hiezu besonders gewählten Mitglieder sich mit den von Uns ernannten Commissarien vorläufig beredet haben, und die hierüber erstatteten Berichte einerseits von Uns in Unserem Geheimen Rathe, andererseits von der vollen Stände-Versammlung vollständig und sorgfältig geprüft und erwogen, sodann die gesamten Wünsche Unserer getreuen Stände Uns vorgelegt worden sind:
so ist endlich durch höchste Entschließung und allerunterthänigste Gegen-Erklärung eine vollkommene beiderseitige Vereinigung über folgende Punkte zu Stande gekommen:
I. Kapitel. Von dem Königreiche.
§ 1 Sämtliche Bestandtheile des Königreichs sind und bleiben zu einem unzertrennlichen Ganzen und zur Theilnahme an Einer und derselben Verfassung vereinigt.
§ 2 Würde in der Folgezeit das Königreich einen neuen Landeszuwachs durch Kauf, Tausch, oder auf andere Weise erhalten, so wird derselbe in die Gemeinschaft der Verfassung des Staates aufgenommen.
Als Landeszuwachs ist alles anzusehen, was der König nicht bloß für Seine Person, sondern durch Anwendung der Staatskräfte, oder mit der ausdrücklichen Bestimmung, daß es einen Bestandtheil des Königreichs ausmachen soll, erwirbt.
Sollte ein unabwendbarer Nothfall die Abtretung eines Landestheiles unvermeidlich machen, so ist wenigstens dafür zu sorgen, daß den Eingesessenen des getrennten Landestheiles eine hinlängliche Zeitfrist gestattet wird, um sich anderwärts im Königreiche mit ihrem Eigenthume niederlassen zu können, ohne in Veräußerung ihrer Liegenschaften übereilt oder durch eine auf das mitzunehmende Vermögen gelegte Abgabe oder sonst auf andere Weise belästigt zu werden.
§ 3 Das Königreich Württemberg ist ein Theil des deutschen Bundes; daher haben alle organischen Beschlüsse der Bundesversammlung, welche die verfassungsmässigen Verhältnisse Deutschlands, oder die allgemeinen Verhältnisse deutscher Staatsbürger betreffen, nachdem sie von dem Könige verkündet sind, auch für Württemberg verbindende Kraft. Jedoch tritt in Ansehung der Mittel zu Erfüllung der hiedurch begründeten Verbindlichkeiten die verfassungsmäßige Mitwirkung der Stände ein.
Durch Artikel IX. des Friedensvertrags zwischen Preußen und Württemberg vom 13. August 1866 erkannte Württemberg die Auflösung des Deutschen Bundes an, wodurch der § 3 gegenstandslos wurde.
Durch Vertrag vom 25. November 1870 ist Württemberg mit Wirkung vom 1. Januar 1871 in den, zum Deutschen Bund erweiterten Norddeutschen Bund eingetreten (dann Deutsches Reich), wodurch Teile des § 3, insbesondere die Worte „nachdem sie von dem Könige verkündet sind,“ und der Satz 2, faktisch aufgehoben wurden.
II. Kapitel. Von dem Könige, der Thronfolge und der Reichsverwesung.
§ 4 Der König ist das Haupt des Staates, vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt, und übt sie unter den durch die Verfassung festgesetzten Bestimmungen aus.
Seine Person ist heilig und unverletzlich.
Die Staatsgewalt war seit dem 1. Januar 1871 insbesondere durch die vereinbarte Bundesverfassung gemäß den Verträgen vom 15., 23. und 25. November 1870 beschränkt.
§ 5 Der König bekennt sich zu einer der christlichen Kirchen.
§ 6 Der Sitz der Regierung kann in keinem Falle außerhalb des Königreichs verlegt werden.
§ 7 Das Recht der Thronfolge gebührt dem Mannsstamme des Königlichen Hauses; die Ordnung derselben wird durch die Lineal-Erbfolge nach dem Erstgeburtsrechte bestimmt. Erlischt der Mannsstamm, so geht die Thronfolge auf die weibliche Linie, ohne Unterschied des Geschlechtes, über, und zwar so, daß die Nähe der Verwandtschaft mit dem zuletzt regierenden Könige, und bei gleichem Verwandtschafts-Grade das natürliche Alter den Vorzug gibt. Jedoch tritt bei der Descendenz des sodann regierenden Königlichen Hauses das Vorrecht des Mannsstammes wieder ein.
§ 8 Die Fähigkeit zur Thronfolge setzt rechtmäßige Geburt aus einer ebenbürtigen, mit Bewilligung des Königes geschlossenen Ehe voraus.
Eine ebenbürtige Ehe ist gemäß dem württembergischen Hausgesetz „eine Ehe mit der Tochter eines fürstlichen (auch neufürstlichen) oder mindestens altgräflichen reichsständischen Hauses“.
§ 9 Die Volljährigkeit des Königes tritt mit zurückgelegtem achtzehnten Jahre ein.
§ 10 Der Huldigungs-Eid wird dem Thronfolger erst dann abgelegt, wann Er in einer den Ständen des Königreichs auszustellenden feierlichen Urkunde die unverbrüchliche Festhaltung der Landes-Verfassung bei Seinem Königlichen Worte zugesichert hat.
§ 11 Ist der König minderjährig, oder aus einer andern Ursache an der eigenen Ausübung der Regierung verhindert; so tritt eine Reichs-Verwesung ein.
§ 12 In beiden Fällen wird die Reichs-Verwesung von dein der Erbfolge nach nächsten Agnaten geführt. Sollte kein dazu fähiger Agnat vorhanden seyn, so fällt die Regentschaft an die Mutter, und nach dieser an die Großmutter des Königes von väterlicher Seite.
§ 13 Sollte sich bei einem zunächst nach dem regierenden Könige zur Erbfolge bestimmten Farnilien-Gliede eine solche Geistes- oder körperliche Beschaffenheit zeigen, welche demselben die eigene Verwaltung des Reichs unmöglich machen würde; so ist noch unter der Regierung des Königes durch ein förmliches Staats-Gesetz über den künftigen Eintritt der gesetzmäßigen Reichs-Verwesung zu entscheiden.
Würde der König während seiner Regierung oder bei dem Anfall der Thronfolge durch ein solches Hinderniß von der eigenen Verwaltung des Reiches abgehalten seyn, ohne daß schon früher die oben bestimmte Vorsehung getroffen wäre; so soll längstens binnen Jahresfrist in einer von dem Geheimen Rathe zu veranlassenden Versammlung sämtlicher im Königreich anwesenden volljährigen, nicht mehr unter väterlicher Gewalt stehenden Prinzen des Königlichen Hauses, mit Ausschluß des zunächst zur Regentschaft berufenen Agnaten, auf vorgängiges Gutachten des Geheimen Rathes, durch einen nach absoluter Stimmen-Mehrheit zu fassenden Beschluß, mit Zustimmung der Stände über den Eintritt der gesetzmäßigen Regentschaft entschieden werden.
Hier wird die „Agnatenversammlung“ verfassungsmäßig genannt.
Durch Verfassungsgesetz vom 15. Juli 1911 (Reg.Bl. S. 177) wurden die Worte „Geheimen Rathe“ und „Geheimen Rathes“ ersetzt durch: „Staatsministerium“ und „Staatsministeriums“.
§ 14 Der Reichsverweser hat eben so, wie der König, den Ständen die Beobachtung der Landes-Verfassung feierlich zuzusichern.
§ 15 Der Reichs-Verweser übt die Staats-Gewalt in dem Umfange, wie sie dem Könige zusteht, im Namen des Königes verfassungsmäßig aus; daher steht auch der Geheime Rath zum Reichs-Verweser in demselben Verhältnisse, wie zu dem regierenden Könige.
Es kann aber der Reichs-Verweser keine Standes-Erhöhungen vornehmen, keine neuen Ritter-Orden und Hofämter errichten, und kein Mitglied des Geheimen Rathes anders, als in Folge eines gerichtlichen Erkenntnisses, entlassen. Jede während einer Reichs-Verwesung verabschiedete Abänderung eines Verfassungs-Punktes gilt nur auf die Dauer der Regentschaft. Auch können die dem Reiche heimgefallenen Lehen während der Regentschaft nicht wieder verliehen werden.
Durch Gesetz betreffend die Aufhebung des Lehensverbandes vom 8. Oktober 1874 (Reg.Bl. S. 23) wurde der § 15 letzter Satz dahingehend interpretiert, daß die Bestimmung nur noch für die kronlehenbaren Erbämter, welche weiter verliehen werden können, und auf das, mit diesen Ämtern verbundenen Vermögen Anwendung findet.
Durch Verfassungsgesetz vom 15. Juli 1911 (Reg.Bl. S. 177) wurden die Worte „Geheimen Rathes“ ersetzt durch: „Staatsministeriums“.
§ 16 In Ermanglung einer von dem Könige getroffenen, und dem Geheimen Rathe bekannt gemachten Anordnung gebührt die Erziehung des minderjährigen Königes der Mutter und wenn diese nicht mehr lebt, der Großmutter von väterlicher Seite; jedoch kann die Ernennung der Erzieher und Lehrer und die Festsetzung des Erziehungs-Planes nur unter Rücksprache mit dem Vormundschafts-Rathe geschehen, welcher sich aus den Mitgliedern des Geheimen Rathes unter dem Vorsitze des Reichsverwesers bildet, so, daß Letzterer bei den deshalb zu fassenden Beschlüssen eine mitzuzählende, und im Falle einer Stimmen-Gleichheit eine entscheidende Stimme hat. Bei einer Verschiedenheit der Ansichten hat der Vormundschafts-Rath die Entscheidung; auch liegt diesem nach dem Ableben der Mutter und der Großmutter die Sorge für die Erziehung des minderjährigen Königes allein ob.
Durch Verfassungsgesetz vom 15. Juli 1911 (Reg.Bl. S. 177) wurden die Worte „Geheimen Rathe“ und „Geheimen Rathes“ ersetzt durch: „Staatsministerium“ und „Staatsministeriums“.
§ 17 Die Reichs-Verwesung hört auf, sobald der König das Alter der Volljährigkeit erreicht hat, oder sonst das bisherige Hinderniß seiner Selbst-Regierung gehoben ist.
§ 18 Die Verhältnisse der Mitglieder des Königlichen Hauses zum Könige, als Oberhaupt der Familie, und unter sich, werden in einem eigenen Haus-Gesetze bestimmt.
Das in § 17 erwähnte Gesetz ist am 8. Juni 1828 im Reg.Bl. S. 567 veröffentlicht; es wurde durch Gesetz vom 4. März 1879 (Reg.Bl. S. 50) geändert.
Auch durch Reichsgesetze wurden die Verhältnisse der regierenden Häuser in besonderen Bestimmungen festgestellt, so im
– § 72 des Reichsgesetzes betreffend die Beurkundung des Personenstandes vom 6. Februar 1875 (RGBl. 1875 S. 27)
– § 5 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (RGBl. S. 77)
– § 5 des Einführungsgesetzes zur Reichs-Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 (RGBl. S. 244)
– §§196, 340, 441 und 444 der Zivilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 (RGBl. S, 83)
– § 5 des Einführungsgesetzes zur Strafprozesordnung vom 1. Februar 1877 (RGBl. S. 346)
– §§ 4 und 71 der Reichs-Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 (RGBl. S. 2539
sowie die württembergischen Ausführungsgesetze zu den genannten Gesetzen.
III. Kapitel. Von den allgemeinen Rechts-Verhältnissen der Staats-Bürger.
Das Reichsgesetz betreffend die Grundrechte des deutschen Volkes vom 27. Dezember 1848 mit Einführungsgesetz vom gleichen Tage waren gemäß Verkündung in Württemberg im Regierungsblatt am 17. Januar 1849 (Ministerial-Verfügung vom 14. Januar 1849) in Kraft getreten; durch Verordnung vom 5. Oktober 1851 (RegBl. S. 247) und Gesetz vom 2. April 1852 (Reg.Bl. S. 81) wurde dieses Reichsgesetz formal für Württemberg außer Kraft gesetzt. Das Reichsgesetz hatte die nachfolgenden §§ größtenteils verändert oder gegenstandslos werden lassen.
§ 19 Das Staatsbürgerrecht wird theils durch Geburt, wenn bei ehelich Geborenen der Vater, oder bei Unehelichen die Mutter das Staatsbürgerrecht hat, theils durch Aufnahme erworben. Letztere setzt voraus, daß der Aufzunehmende von einer bestimmten Gemeinde die vorläufige Zusicherung des Bürger- oder Beisitz-Rechtes erhalten habe. Außerdem erfolgt durch die Anstellung in dem Staatsdienste die Aufnahme in das Staatsbürgerrecht jedoch nur auf die Dauer der Dienstzeit.
Das württembergische Staatsbürgerrecht wird gemäß Artikel 3 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 (RGBl. 1871 S. 63) seit dem Reichsgesetz über den Erwerb und Verlust de Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (RGBl. 1870 S. 26) sowie nachfolgend durch das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 (RGBl. 1913 S.583) erworben; der § 19 ist insoweit größtenteils gegenstandslos.
§ 20 Der Huldigungs-Eid ist von jedem gebornen Württemberger nach zurückgelegtem sechzehnten Jahre, und von jedem neu Aufgenommenen bei der Aufnahme abzulegen.
§ 21 Alle Württemberger haben gleiche staatsbürgerliche Rechte, und eben so sind sie zu gleichen staatsbürgerlichen Pflichten und gleicher Theilnahme an den Staats-Lasten verbunden, so weit nicht die Verfassung eine ausdrückliche Ausnahme enthält; auch haben sie gleichen verfassungsmäßigen Gehorsam zu leisten.
Gemäß Artikel 3 der Reichsverfassung vom 16. April 1871 (RGBl. 1871 S. 63) ist § 21 erweitert worden.
§ 22 Kein Staatsbürger kann wegen seiner Geburt von irgend einem Staatsamte ausgeschlossen werden.
§ 23 Die Verpflichtung zur Vertheidigung des Vaterlandes und die Verbindlichkeit zum Waffendienste ist allgemein; es finden in letzterer Hinsicht keine andere, als die durch die Bundes-Akte und die bestehenden Gesetze begründeten Ausnahmen Statt.
Über das Recht, Waffen zu tragen, wird ein Gesetz die nähere Bestimmung geben.
§ 23 Absatz 1 ist gegenstandslos durch Artikel 57 ff. der Reichsverfassung vom 16. April 1871 (RGBl. 1871 S. 63).
§ 24 Der Staat sichert jedem Bürger Freiheit der Person, Gewissens- und Denk-Freiheit, Freiheit des Figenthums, und Auswanderungs-Freiheit.
§ 25 Die Leib-Eigenschaft bleibt für immer aufgehoben.
§ 26 Niemand darf seinem ordentlichen Richter entzogen, und anders, als in den durch das Gesetz bestimmten Fällen, und in den gesetzlichen Formen verhaftet und bestraft, noch länger als Einmal vier und zwanzig Stunden über die Ursache seiner Verhaftung in Ungewißheit gelassen werden.
Siehe auch Reichs-Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (RGBl. 1877 S. 41) und Reichs-Strafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 (RGBl. 1871 S. 127).
§ 27 Jeder ohne Unterschied der Religion genießt im Königreiche ungestörte Gewissens-Freiheit.
Den vollen Genuß der staatsbürgerlichen Rechte gewähren die drei christlichen Glaubens-Bekenntnisse. Andere christliche und nicht christliche Glaubens-Genossen können zur Theilnahme an den bürgerlichen Rechten nur in dem Verhältnisse zugelassen werden, als sie durch die Grundsätze ihrer Religion an der Erfüllung der bürgerlichen Pflichten nicht gehindert werden.
Durch Artikel 1 des Gesetzes, betreffend die Unabhängigkeit der staatsbürgerlichen Rechte von religiösen Bekenntnisse vom 31. Dezember 1861 (RegBl. 1862 S. 3) erhielt § 27 Absatz 2 folgende Fassung:
„Die staatsbürgerlichen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse.“
Der § 27 wird durch Reichsgesetze erweitert.
§ 28 Die Freiheit der Presse und des Buchhandels findet in ihrem vollen Umfange statt, jedoch unter Beobachtung der gegen den Mißbrauch bestehenden oder künftig zu erlassenden Gesetze.
Durch die „Karlsbader Beschlüsse“ vom 20. September 1820 ist der § 28 erheblich eingeschränkt; die Beschlüsse wurden durch Bundesbeschlüsse vom 3. März und 2. April 1848 aufgehoben.
Der § 28 ist gegenstandslos durch das Reichs-Preßgesetz vom 7. Mai 1874 (RGBl. S. 65).
§ 29 Jeder hat das Recht, seinen Stand und sein Gewerbe nach eigener Neigung zu wählen, und sich dazu im In- und Auslande auszubilden, mithin auch auswärtige Bildungs-Anstalten in Gemäßheit der gesetzlichen Vorschriften zu besuchen.
§ 30 Niemand kann gezwungen werden, sein Eigenthum und andere Rechte für allgemeine Staats- oder Corporations-Zwecke abzutreten, als nachdem der Geheime Rath über die Nothwendigkeit entschieden hat, und gegen vorgängige volle Entschädigung. Entsteht aber ein Streit über die Summe der Entschädigung, und der Eigenthümer will sich bei der Entscheidung der Verwaltungs-Behörde nicht beruhigen; so ist die Sache im ordentlichen Rechtswege zu erledigen, einstweilen aber die von jener Stelle festgesetzte Summe ohne Verzug auszubezahlen.
Durch Gesetz vom 20. Dezember 1888 (RegBl. S. 445) erhielt § 30 folgende Fassung:
„Niemand kann gezwungen werden, sein Eigenthum und andere Rechte für allgemeine Staats- oder Korporationszwecke abzutreten, ehe über die Nothwendigkeit in den gesetzlich bestimmten Verfahren von der zuständigen Behörde entschieden und volle Entschädigung geleistet worden ist. Entsteht über ein Streit über die Summe der Entschädigung, und will sich der Eigenthümer bei der Entscheidung der Verwaltungsbehörde nicht beruhigen, so ist die Sache im ordentlichen Rechtswege zu erledigen, einstweilen aber die von jener Stelle festgesetzte Summe ohne Verzug auszubezahlen.
Den politischen Gemeinden sind bezüglich der Zulässigkeit der Zwangsenteignung die Kirchengemeinden gleichgestellt.“
Das Reichsrecht erkennt dem Deutschen Reiche ebenfalls ein Enteignungsrecht zu.
§ 31 Ausschließliche Handels- und Gewerbs-Privilegien können nur zu Folge eines Gesetzes, oder mit besonderer, für den einzelnen Fall gültiger Beistimmung der Stände ertheilt werden.
Dem Ermessen der Regierung bleibt überlassen, nützliche Erfindungen durch Patente zu deren ausschließlichen Benützung bis auf die Dauer von zehn Jahren zu belohnen.
Dieser Paragraph ist faktisch außer Kraft getreten, durch
– Gesetz vom 8. Juni 1849 (Württ. Reg.Bl. S. 159)
– Reichspatentgesetz vom 25. Mai 1877 (RGBl. S. 501)
– Reichsgesetze zum Urheberrecht.
§ 32 Jedem Staatsbürger steht frei, aus dem Königreiche, ohne Bezahlung einer Nachsteuer, auszuwandern, so bald er dem ihm vorgesetzten Beamten von seinem Vorsatze die Anzeige gemacht, seine Schulden und andere Obliegenheiten berichtigt, und hinreichende Versicherung ausgestellt hat, daß er innerhalb Jahresfrist gegen König und Vaterland nicht dienen, und eben so lange in Hinsicht auf die vor seinem Wegzuge erwachsenen Ansprüche vor den Gerichten des Königreichs Recht geben wolle.
Der § 32 ist durch Reichsrecht (hier das Reichsgesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (BGBl. S. 355)) überlagert und daher gegenstandslos.
§ 33 Durch den Wegzug verliert der Auswandernde sein Staatsbürgerrecht für sich und seine mit ihm wegziehenden Kinder.
Das Vermögen derjenigen Kinder, welche nicht mit den Eltern auswandern, wird im Lande zurückbehalten.
Der § 33 ist durch Reichsrecht (hier das Reichsgesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (BGBl. S. 355)) überlagert und daher gegenstandslos.
§ 34 Wer ohne einen ihm zugestandenen Vorbehalt des Staatsbürgerrechtes in auswärtige Staatsdienste tritt, wird desselben verlustig.
Der § 34 ist durch Reichsrecht (hier das Reichsgesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (BGBl. S. 355)) überlagert und daher gegenstandslos.
§ 35 Wer in einem fremden Staate seine bleibende Wohnung nimmt, kann sein Württembergisches Staatsbürgerrecht nur mit Königlicher Bewilligung und unter der Bedingung beibehalten, daß er den ihm obliegenden staatsbürgerlichen Pflichten in jeder Hinsicht Genüge leiste.
Der § 35 ist durch Reichsrecht (hier das Reichsgesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (BGBl. S. 355)) überlagert und daher gegenstandslos.
§ 36 Jeder hat das Recht, über gesetz- und ordnungswidriges Verfahren einer Staats-Behörde oder Verzögerung der Entscheidung, bei der unmittelbar vorgesetzten Stelle schriftliche Beschwerde zu erheben, und nöthigenfalls stufenweise bis zur höchsten Behörde zu verfolgen.
Siehe auch Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Dezember 1876 (Reg.Bl. S. 485).
Dieser Paragraph findet auf Beschwerden bei Reichsbehörden in Württemberg keine Anwendung.
§ 37 Wird die angebrachte Beschwerde von der vorgesetzten Behörde ungegründet gefunden, so ist letztere verpflichtet, den Beschwerdeführer über die Gründe ihres Urtheils zu belehren.
§ 38 Glaubt der Beschwerdeführer sich auch bei der Entscheidung der obersten Staats-Behörde nicht beruhigen zu können; so darf er die Beschwerde den Ständen mit der schriftlichen Bitte um Verwendung vortragen. Haben sich diese überzeugt, daß jene Stufen-Folge beobachtet worden, und die Beschwerde eine Berücksichtigung verdiene, so ist ihnen auf ihr Verlangen von dem Königlichen Geheimen Rathe die nöthige Auskunft über den Gegenstand zu ertheilen.
Durch Artikel 8 des Verfassungsgesetzes betreffend die Bildung eines Staatsministeriums vom 1. Juli 1876 wurde die Zuständigkeit des „Geheimes Rathes“ auf das „Staatsministerium“ übertragen und die Worte „Geheimen Rathes“ ersetzt durch „Staatsministerium“.
§ 39 Der ritterschaftliche Adel des Königreichs bildet zum Behuf der Wahl seiner Abgeordneten in die Stände-Versammlung und der Erhaltung seiner Familien in jedem der vier Kreise eine Körperschaft.
Zur württembergischen Ritterschaft gehörten:
– die früher reichsunmittelbaren adeligen Familien
– der altlandsässige begüterte Adel
– jeder Erbadelige, der ein adeliges Gut erwirbt.
Die in § 39 vorgesehenen ritterschaftlichen Körperschaften wurden nicht errichtet.
§ 40 Die Aufnahme in eine dieser Körperschaften hängt von ihrer Zustimmung und der Genehmigung des Königes ab. In Beziehung auf die Aufnahme adelicher Besitzer immatrikulirter Rittergüter soll jedoch durch die Statute dieser Körperschaften das Nähere festgesetzt werden.
Da die ritterschaftlichen Körperschaften nicht errichtet wurden, war der König allein ermächtigt, Familien in die Ritterschaft aufzunehmen.
§ 41 Gedachte Statute erhalten auf eben die Art wie andere Landes-Gesetze verbindliche Kraft.
§ 42 Den Mitgliedern der Ritterschaft stehen alle allgemeinen staatsbürgerlichen Rechte zu.
Die näheren Bestimmungen über die Ausübung der im XIV. Artikel der Bundes-Akte der Ritterschaft zugesicherten Rechte werden den Ständen mitgetheilt.
§ 42 Absatz 2 praktisch gegenstandslos durch die Auflösung des Deutschen Bundes 1866. Bereits vorher (insbesondere 1848 und 1849) ergingen Gesetze, die einen Teil der Vorrechte der Ritterschaft wie des Adels allgemein einschränkten oder ganz aufhoben (Gesetz betreffend die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit von Polizeiverwaltung vom 4. Juli 1849 (Reg.Bl. S. 269), Gesetz betreffend die Aufhebung der befreite Gerichtsstände vom 17. August 1849 (Reg.Bl. S. 463), Gesetz betreffend die Ausdehnung des Amts- und Gemeindeverbandes auf sämtliche Teile des Staatsgebiets vom 18. Juni 1849 (Reg.Bl. S. 207)).
Weiter sind durch Reichsrecht einige, dem Adel verbliebenen Rechte aufgehoben.
IV. Kapitel. Von den Staats-Behörden.
§ 43 Die Staatsdiener werden, soferne nicht Verfassung oder besondere Rechte eine Ausnahme begründen, durch den König ernannt, und zwar – die Collegial-Vorstände ausgenommen – auf Vorschläge der vorgesetzten Collegien, wobei jedesmal alle Bewerber aufzuzählen sind.
Württembergisches Beamtengesetz vom 28. Juni 1876 (Reg.Bl. S. 211).
§ 44 Niemand kann ein Staatsamt erhalten, ohne zuvor gesetzmäßig geprüft und für tüchtig erkannt zu seyn. Landes-Eingeborne sind bei gleicher Tüchtigkeit vorzugsweise vor Fremden zu berücksichtigen.
§ 44 Satz 2 wird durch Reichsrecht (hier die Reichsverfassung vom 16. April 1871 (RGBl. S. 63)) überlagert und ist gegenstandslos.
§ 45 In den Dienst-Eid, welchen sämtliche Staatsdiener dem Könige abzulegen haben, ist die Verpflichtung aufzunehmen, die Verfassung gewissenhaft zu wahren.
§ 46 Kein Staatsdiener, der ein Richteramt bekleidet, kann aus irgend einer Ursache ohne richterliches Erkenntniß seiner Stelle entsetzt, entlassen, oder auf eine geringere versetzt werden.
§ 46 ist gemäß Artikel 116 des Württembergischen Beamtengesetzes vom 28. Juni 1876 (Reg.Bl. S. 211) weggefallen, aber formal nicht aufgehoben.
§ 47 Ein Gleiches hat bei den übrigen Staatsdienern statt, wenn die Entfernung aus der bisherigen Stelle wegen Verbrechen oder gemeiner Vergehen geschehen soll. Es kann aber gegen dieselben wegen Unbrauchbarkeit und Dienst-Verfehlungen auch auf Collegial-Anträge der ihnen vorgesetzten Behörden und des Geheimen Raths die Entlassung oder Versetzung auf ein geringeres Amt durch den König verfügt werden; jedoch hat in einem solchen Falle der Geheime Rath zuvor die oberste Justizstelle gutächtlich zu vernehmen, ob in rechtlicher Hinsicht bei dem Antrage der Collegialstelle nichts zu erinnern sey.
Nach diesem Grundsatze sind auch die Vorsteher und übrigen Beamten der Gemeinden und anderer Körperschaften zu behandeln.
§ 47 wurde durch Artikel 116 des Württembergischen Beamtengesetzes vom 28. Juni 1876 (Reg.Bl. S. 211) für die, unter das genannte Gesetz fallenden Beamten aufgehoben (an deren Stelle treten die Bestimmungen der Artikel 81 bis 104 über das Disziplinarverfahren und die Errichtung eines Disziplinarhofes. Ferner galt § 47 nicht mehr für katholische Kirchendiener (gemäß Artikel 5 des Gesetzes betreffend die Regelung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur katholischen Kirche vom 30. Januar 1862 (Reg.Bl. S. 59)), für Volksschullehrer (gemäß der Artikel 1 und 38 des Gesetzes betreffend die Rechtsverhältnisse der Volks-Schullehrer vom 30. Dezember 1877 (Reg.Bl. S. 273)), für die Beamten der Gemeinden, Stiftungen und sonstigen unter der Aufsicht des Ministeriums des Innern stehenden öffentlichen Körperschaften (gemäß Gesetz vom 21. Mai 1891 (Reg.Bl. S. 103)), für evangelische Kirchendiener (gemäß Gesetz vom 18. Juli 1895 (Reg.Bl. S. 233).
§ 47 wurde aufgehoben durch Verfassungsgesetz vom 15. Juli 1911 (Reg.Bl. S. 177).
§ 48 Die nämlichen Bestimmungen, wie bei Entlassungen und Versetzungen auf eine geringere Stelle, treten bei Suspensionen ein, welche mit Verlust des Amts-Gehaltes verbunden sind.
§ 48 wurde durch Artikel 116 des Württembergischen Beamtengesetzes vom 28. Juni 1876 (Reg.Bl. S. 211) für die, unter das genannte Gesetz fallenden Beamten aufgehoben. Ferner galt § 48 nicht mehr für katholische Kirchendiener (gemäß Artikel 5 des Gesetzes betreffend die Regelung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur katholischen Kirche vom 30. Januar 1862 (Reg.Bl. S. 59)), für Volksschullehrer (gemäß der Artikel 1 und 38 des Gesetzes betreffend die Rechtsverhältnisse der Volks-Schullehrer vom 30. Dezember 1877 (Reg.Bl. S. 273)), für die Beamten der Gemeinden, Stiftungen und sonstigen unter der Aufsicht des Ministeriums des Innern stehenden öffentlichen Körperschaften (gemäß Gesetz vom 21. Mai 1891 (Reg.Bl. S. 103)), für evangelische Kirchendiener (gemäß Gesetz vom 18. Juli 1895 (Reg.Bl. S. 233).
§ 48 wurde aufgehoben durch Verfassungsgesetz vom 15. Juli 1911 (Reg.Bl. S. 177).
§ 49 Versetzungen der Staatsdiener ohne Verlust an Gehalt und Rang können nur aus erheblichen Gründen und nach vorgängigem Gutachten des Departements-Chefs verfügt werden.
Staatsdiener, welche ohne ihr Ansuchen versetzt werden, erhalten für die Umzugskosten die gesetzliche Entschädigung.
§ 49 wurde aufgehoben durch das Württembergische Beamtengesetz vom 28. Juni 1876 (Reg.Bl. S. 211).
§ 50 Für die Staatsdiener, welche durch Krankheit oder Alter zu Führung ihres Amtes unfähig geworden sind, so wie für die Hinterbliebenen der Staatsdiener, ist durch ein Gesetz gesorgt.
§ 51 Alle von dem Könige ausgehenden Verfügungen, welche die Staats-Verwaltung betreffen, müssen von dem Departements-Minister oder Chef contrasignirt seyn, welcher dadurch für ihren Inhalt verantwortlich wird.
§ 51 gilt nicht für Verfügungen des Königs, wenn dieser von seinen Ehrenrechten Gebrauch macht (z.B. Standeserhöhungen, Ordensauszeichnungen).
§ 52 Außerdem ist jeder Departements-Minister oder Chef für dasjenige verantwortlich, was er für sich verfügt, oder was ihm vermöge des ihm zugewiesenen Geschäftskreises zu thun oder zu verfügen obliegt.
§ 53 Auf gleiche Weise (§. 52) sind auch die übrigen Staatsdiener und Behörden in ihrem Geschäftskreise verantwortlich; sie haben bei eigener Verantwortlichkeit nur die ihnen von den geeigneten Stellen in der ordnungsmäßigen Form zukommenden Anweisungen zu beobachten.
Sind sie im Zweifel, ob die Stelle, welche ihnen einen Auftrag ertheilte, dazu competent sey; so haben sie darüber bei ihrer vorgesetzten Behörde anzufragen, so wie ihnen auch obliegt, wenn sie bei dem Inhalt einer höhern Verfügung Anstände finden, solche auf geziemende Weise und unter Vermeidung jeder nachtheiligen Verzögerung, der verfügenden Stelle vorzutragen, im Fall eines beharrenden Bescheides aber die Verfügung zu befolgen.
B. Von dem Geheimen Rath insbesondere.
§ 54 Der Geheime Rath bildet die oberste, unmittelbar unter dem Könige stehende, und seiner Hauptbestimmung nach bloß berathende Staatsbehörde.
Durch das Gesetz betreffend die Bildung des Staatsministeriums vom 1. Juli 1876 (Reg.Bl. S. 275) wurde dem Geheimen Rat die Funktion als „oberste Staatsbehörde“ entzogen und auf das Staatsministerium übertragen. Der Geheime Rat blieb jedoch als beratende Staatsbehörde bestehen.
§ 54 wurde aufgehoben durch Verfassungsgesetz vom 15. Juli 1911 (Reg.Bl. S. 177).
§ 55 Mitglieder des Geheimen Raths sind die Minister oder die Chefs der verschiedenen Departements und diejenigen Räthe, welche der König dazu ernennen wird.
§ 55 wurde aufgehoben durch Verfassungsgesetz vom 15. Juli 1911 (Reg.Bl. S. 177).
§ 56 Die Verwaltungs-Departements, an deren Spitze die verschiedenen Minister stehen, sind folgende:
das Ministerium der Justiz;
das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten;
das Ministerium des Innern; das des Kirchen- und Schulwesens;
das Ministerium des Kriegswesens, und
das Ministerium der Finanzen.
Gemäß Artikel 1 des Gesetzes betreffend die Bildung des Staatsministeriums vom 1. Juli 1876 (Reg.Bl. S. 275) sind die genannten Minister Mitglieder des Staatsministeriums. Die Zahl der Mitglieder kann nur durch (einfaches) Gesetz geändert werden.
Seit dem 6. März 1848 ist das Ministerium des Innern und das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens getrennt.
§ 57 Der König ernennt und entläßt die Mitglieder des Geheimen Rathes nach eigener freier Entschließung.
Wird ein Mitglied des Geheimen Rathes entlassen, ohne daß Dienst-Entfernung gegen dasselbe gerichtlich erkannt wäre; so behält ein Minister viertausend Gulden als Pension, und ein anderes Mitglied des Geheimen Rathes die Hälfte seiner Besoldung, so ferne dem einen oder dem andern nicht durch Vertrag eine andere Summe, welche jedoch zwei Drittel des Gehalts nicht übersteigen wird, zugesichert worden ist.
§ 57 Absatz 2 wurde durch den Artikel 3 des Gesetzes betreffend die Abänderung einiger gesetzlicher Bestimmungen über die Bemessung der Quieszenzgehalte und Pensionen der Zivil- und Militärdiener vom 29. März 1865 (Reg.Bl. S. 21), dann durch Artikel 48 des Württembergischen Beamtengesetzes vom 28. Juni 1876 (Reg.Bl. S. 211) ersetzt, formalrechtlich aber nicht aufgehoben.
§ 57 Absatz 2 wurde aufgehoben durch Verfassungsgesetz vom 15. Juli 1911 (Reg.Bl. S. 177).
§ 58 Alle dem Könige vorzulegenden Vorschläge der Minister in wichtigen Angelegenheiten, namentlich in solchen, welche auf die Staats-Verfassung, die Organisation der Behörden und die Abänderung der Territorial-Eintheilung, oder auf die Staats-Verwaltung im Allgemeinen und die Normen derselben sich beziehen, wie auch in Gegenständen der Gesetzgebung und allgemeiner Verordnungen, so weit es sich von deren Erlassung, Abänderung, Aufhebung oder authentischen Erklärung handelt, müssen, so ferne nicht bei Gegenständen des Departements der auswärtigen Angelegenheiten oder des Kriegswesens die Natur der Sache eine Ausnahme begründet, in dem Geheimen Rathe zur Berathung vorgetragen, und mit dessen Gutachten begleitet an den König gebracht werden.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war nach Art. 27 Abs. 6 des Gesetzes vom 1. Juli 1849 hier an die Stelle des Geheimen Rates das „Gesammt-Ministerium“ getreten.
§ 58 wurde durch den Artikel 6 Absatz 1 des Gesetzes betreffend die Bildung des Staatsministeriums vom 1. Juli 1876 (Reg.Bl. S. 275) faktisch aufgehoben, da alle genannten Angelegenheiten dem Staatsministerium zur Beratung übertragen wurden.
§ 58 wurde aufgehoben durch Verfassungsgesetz vom 15. Juli 1911 (Reg.Bl. S. 177).
§ 59 Übrigens gehören zu dem Geschäftskreise des Geheimen Rathes als berathender Behörde
1.) alle ständischen Angelegenheiten;
2.) Anträge auf Entlassung oder Zurücksetzung eines Staatsdieners nach §. 47;
3.) Competenz-Streitigkeiten zwischen den Justiz- und Verwaltungs-Behörden
4.) die Verhältnisse der Kirche zum Staate, oder auch Streitigkeiten einzelner Kirchen unter einander, wenn die Centralstellen dieser Kirchen sich nicht vereinigen können;
5.) alles, was dem Geheimen Rathe von dem Könige zur Berathung besonders aufgetragen wird.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war nach Art. 27 Abs. 6 des Gesetzes vom 1. Juli 1849 im § 59 Ziffer 1 an die Stelle des Geheimen Rates das „Gesammt-Ministerium“ getreten.
§ 59 Ziffern 1 und 4 aufgehoben durch Artikel 9 des Gesetzes betreffend die Bildung des Staatsministeriums vom 1. Juli 1876 (Reg.Bl. S. 275).
§ 59 Ziffer 2 galt nach den in den Anmerkungen zu § 47 genannten Gesetzen nur noch für die, unter § 47 fallenden Beamten.
§ 59 Ziffer 3 gegenstandslos durch Gesetz betreffend die Entscheidung von Kompetenzkonflikten vom 25. August 1879 (Reg.Bl. S. 272) und Gesetz zur Ausführung der Reichs-Strafprozeßordnung vom 4. März 1879 (Reg.Bl. S. 50).
§ 59 wurde aufgehoben durch Verfassungsgesetz vom 15. Juli 1911 (Reg.Bl. S. 177).
§ 60 Als entscheidende und verfügende Behörde wirkt der Geheime Rath
1) bei Recursen von Verfügungen der Departemens-Minister, wobei jedesmal die Vorstände des Ober-Tribunals zuzuziehen sind ;
2) bei Recursen von Straf-Erkenntnissen der Administrativstellen, wobei 6 Rechtsgelehrte zugegen sehn müssen, deren Zahl erforderlichen Falls durch Mitglieder des Ober-Tribunals vom Präsidenten abwärts zu ergänzen ist ;
3) im Falle des § 30
§ 60 Ziffern 1 und 2 aufgehoben durch Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Dezember 1876 (Reg.Bl. S. 485).
§ 60 Ziffer 3 aufgehoben durch Verfassungsgesetz vom 20. Dezember 1888 (Reg.Bl. S. 445).
§ 61 Kein Mitglied des Geheimen Rathes kann außer dem Falle, wenn der Gegenstand dasselbe persönlich angeht, von der Theilnahme an den collegialischen Berathschlagungen ausgeschlossen werden.
§ 61 wurde aufgehoben durch Verfassungsgesetz vom 15. Juli 1911 (Reg.Bl. S. 177).
V. Kapitel. Von den Gemeinden und Amts-Körperschaften.
§ 62 Die Gemeinden sind die Grundlage des Staats-Vereins. Jeder Staatsbürger muß daher, so ferne nicht gesetzlich eine Ausnahme besteht, einer Gemeinde als Bürger oder Beisitzer angehören.
§ 62 Satz 2 gegenstandslos durch Gemeindeangehörigkeitsgesetz vom 16. Juni 1885 (Reg.Bl. S. 305).
Das Reichsrecht (hier insbesondere Artikel 3 der Reichsverfassung vom 16. April 1871 (RGBl. S. 63) hat auch Auswirkungen auf das Gemeindeangehörigkeitsrecht).
§ 63 Die Aufnahme der Gemeindebürger und Beisitzer hängt von der Gemeinde ab, unter Vorbehalt der gesetzmäßigen Entscheidung der Staats-Behörden in streitigen Fällen. Indessen setzt die Ertheilung des Bürger- und Beisitzrechtes die vorgängige Erwerbung des Staatsbürgerrechtes voraus.
Das Beisitzrecht nach § 63 ist durch das Gemeindeangehörigkeitsgesetz vom 16. Juni 1885 (Reg.Bl. S. 305) abgeschafft.
§ 63 ist teilweise durch Reichsrecht (u.a. das Reichsgesetz über die Freizügigkeit vom 1. November 1867 (BGBl. S. 55) überlagert.
§ 64 Sämtliche zu einem Oberamte gehörige Gemeinden bilden die Amtskörperschaft. Veränderung der Oberamts-Bezirke ist Gegenstand der Gesetzgebung.
In Württemberg gibt es 64 Oberämter.
§ 65 Die Rechte der Gemeinden werden durch die Gemeinde-Räthe unter gesetzmäßiger Mitwirkung der Bürger-Ausschüsse, die Rechte der Amtskörperschaften durch die Amts-Versammlungen verwaltet, nach Vorschrift der Gesetze und unter der Aufsicht der Staats-Behörden.
siehe Verwaltungsedikt (Gemeindeordnung) vom 1. März 1822 (Reg.Bl. S. 131).
§ 66 Keine Staats-Behörde ist befugt, über das Eigenthum der Gemeinden und Amtskörperschaften mit Umgehung oder Hintansetzung der Vorsteher zu verfügen.
§ 67 Weder die Amtskörperschaften noch einzelne Gemeinden sollen mit Leistungen und Ausgaben beschwert werden, wozu sie nicht vermöge der allgemeinen Gesetze, oder kraft der Lagerbücher oder anderer besondern Rechts-Titel, verbunden sind.
§ 68 Was nicht auf örtliche Bedürfnisse der Gemeinden oder Amtskörperschaften, sondern zu Erfüllung allgemeiner Landes-Verbindlichkeiten zu verwenden ist, kann nur auf das gesamte Land vertheilt werden.
§ 69 Sämtliche Vorsteher der Gemeinden und Amtskörperschaften sind eben so, wie die Staatsdiener, auf Festhaltung der Verfassung, und insbesondere auch auf Wahrung der dadurch begründeten Rechte der Gemeinden und Körperschaften, zu verpflichten.
VI. Kapitel. Von dem Verhältnisse der Kirchen zum Staate.
§ 70 Jeder der drei im Königreiche bestehenden christlichen Confessionen wird freie öffentliche Religions-Übung und der volle Genuß ihrer Kirchen-, Schul- und Armenfonds zugesichert.
das sind die lutherische, die katholische und die reformierte Konfession.
§ 71 Die Anordnungen in Betreff der innern kirchlichen Angelegenheiten bleiben der verfassungsmäßigen Autonomie einer jeden Kirche überlassen.
§ 72 Dem Könige gebührt das obersthoheitliche Schutz- und Aufsichtsrecht über die Kirchen.
Vermöge desselben können die Verordnungen der Kirchengewalt ohne vorgängige Einsicht und Genehmigung des Staats-Oberhauptes weder verkündet noch vollzogen werden.
§ 72 Absatz 2 wurde für die Katholische Kirche aufgehoben durch Gesetz betreffend die Regelung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur katholischen Kirche vom 30. Januar 1862 (Reg.Bl. S. 59).
§ 72 Absatz 2 blieb für die evangelische Kirche in Kraft.
§ 73 Die Kirchendiener sind in Ansehung ihrer bürgerlichen Handlungen und Verhältnisse der weltlichen Obrigkeit unterworfen.
§ 74 Kirchen- und Schul-Diener, welche durch Altersschwäche oder eine ohne Hoffnung der Wiedergenesung andauernde Kränklichkeit zu Versehung ihres Amtes unfähig werden, haben Anspruch auf einen angemessenen lebenslänglichen Ruhe-Gehalt.
§ 75 Das Kirchen-Regiment der evangelisch-lutherischen Kirche wird durch das Königliche Consistorium und den Synodus nach den bestehenden, oder künftig zu erlassenden verfassungsmäßigen Gesetzen verwaltet.
Nach Meinungsverschiedenheiten im Jahr 1867 ging der König und die Ständeversammlung davon aus, daß unter „verfassungsmäßigen Gesetzen“ nach § 75 Kirchengesetze, keine Staatsgesetze, zu verstehen sind.
§ 76 Sollte in künftigen Zeiten sich der Fall ereignen daß der König einer anderen, als der evangelischen Confession zugethan wäre; so treten alsdann in Hinsicht auf dessen Episcopal-Rechte die dahin gehörigen Bestimmungen der früheren Religions-Reversalien ein.
Die Religions-Reversalien sind:
– Instruktion für seine Agenten vom 28. November 1729
– Assekuration puncto religionis an die Landschaft vom 16. Dezember 1732
– Revers an den Herzog Eberhard Ludwig vom 28. Februar 1733
– Bestätigung der Landes- und Religionsfreiheiten vom 17. Dezember 1733
– Verordnung, betreffend die unabhängige Verfügung des Geheimen Rathes in Religions- und Kirchen-Angelegenheiten vom 27. März 1734
– Bestätigung der Landes- und Religionsverfassung vom 23. März 1743
– Erbvergleich vom 27. Februar und 2. März 1770
– Bestätigung der Landes- und Kirchenverfassung vom 27. Oktober 1793
– Bestätigung der Landes- und Kirchenverfassung vom 27. Mai 1795
§ 77 Die abgesonderte Verwaltung des evangelischen Kirchenguts des vormaligen Herzogthums Württemberg wird wieder hergestellt. Zu dem Ende wird ungesäumt eine gemeinschaftliche Commission niedergesetzt, welche zuvörderst mit der Ausscheidung des Eigenthums dieser Kirche in dem alten Land und mit Bestimmung der Theilnahme der Kirche gleicher Confession in den neuen Landestheilen sich zu beschäftigen, und sodann über die künftige Verwaltungsart desselben Vorschläge zu machen hat.
Der § 77 wurde nie vollzogen; es galt weiterhin das Generalreskript vom 2. Januar 1806.
§ 78 Die Leitung der innern Angelegenheiten der katholischen Kirche steht dem Landes-Bischoffe nebst dem Domkapitel zu. Derselbe wird in dieser Hinsicht mit dem Kapitel alle diejenigen Rechte ausüben, welche nach den Grundsätzen des katholischen Kirchenrechts mit jener Würde wesentlich verbunden sind.
Siehe auch Gesetz betreffend die Regelung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur katholischen Kirche vom 30. Januar 1862 (Reg.Bl. S. 59).
§ 79 Die in der Staatsgewalt begriffenen Rechte über die katholische Kirche werden von dem Könige durch eine aus katholischen Mitgliedern bestehende Behörde ausgeübt, welche auch bei Besetzung geistlicher Ämter, die von dem Könige abhängigen, jedesmal um ihre Vorschläge vernommen wird.
§ 80 Die katholischen Kirchendiener genießen eben dieselben persönlichen Vorrechte, welche den Dienern der protestantischen Kirchen eingeräumt sind.
§ 81 Auch wird darauf Rücksicht genommen werden, daß katholische Geistliche, welche sich durch irgend ein Vergehen die Entsetzung vom Amte zugezogen haben, ohne zugleich ihrer geistlichen Würde verlustig geworden zu seyn, ihren hinreichenden Unterhalt finden.
§ 82 Die katholische Kirche erhält zu Bestreitung derjenigen kirchlichen Bedürfnisse, wozu keine örtlichen Fonds vorhanden sind, oder die vorhandenen nicht zureichen, und besonders für die Kosten der höheren Lehranstalten, einen eigenen, diesen Zwecken ausschließlich gewidmeten Kirchenfond. Zum Behufe der Ausscheidung desselben vom Staatsgut, und der näheren Bestimmung der künftigen Verwaltungsweise, wird auf gleiche Art, wie oben (§. 77) bei dem altwürttembergischen Kirchengute festgesetzt ist, eine Commission niedergesetzt werden.
Der Kirchenfond kam nicht zustande, die allgemeinen Kosten der katholischen Kirche wurden aus der Staatskasse bestritten; dem Bistum eine Dotation in Form von Gebäuden, Gütern und Geldrente (1887: 80793 Mark) zugewiesen.
§ 83 Was die in dem Königreiche befindlichen reformirten Kirchen-Gemeinden betrifft, so wird sowohl auf Verbesserung ihrer kirchlichen Einrichtung und besonders ihrer Unterrichts-Anstalten, als auch auf Ausmittlung hinreichender Einkünfte zum Unterhalt ihrer Kirchen- und Schuldiener und zu Bestreitung der übrigen kirchlichen Bedürfnisse gesorgt werden.
§ 83 seit der Vereinigung der reformierten Kirchengemeinden mit der lutherischen Landeskirche durch Königliche Verordnung vom 7. September 1823 praktisch gegenstandslos. Nur die reformierten Kirchengemeinden in Stuttgart und Cannstadt lösten sich aus der lutherischen Landeskirche wieder.
§ 84 Für Erhaltung und Vervollkommnung der höheren und niederen Unterrichts-Anstalten jeder Art und namentlich der Landes-Universität wird auch künftig auf das zweckmäßigste gesorgt.
VII. Kapitel. Von Ausübung der Staatsgewalt.
§ 85 Der König vertritt den Staat in allen seinen Verhältnissen gegen auswärtige Staaten. Es kann jedoch ohne Einwilligung der Stände durch Verträge mit Auswärtigen kein Theil des Staats-Gebietes und Staats-Eigenthums veräußert, keine neue Last auf das Königreich und dessen Angehörige übernommen, und kein Landesgesetz abgeändert oder aufgehoben, keine Verpflichtung, welche den Rechten der Staatsbürger Eintrag thun würde, eingegangen, namentlich auch kein Handels-Vertrag, welcher eine neue gesetzliche Einrichtung zur Folge hätte, und kein Subsidien-Vertrag zu Verwendung der Königlichen Truppen, in einem Deutschland nicht betreffenden Kriege, geschlossen werden.
§ 85 teilweise (z.B. für auswärtige Angelegenheiten und Verträge mit Auswärtigen) durch Reichsrecht (hier die Reichsverfassung vom 16. April 1871 (RGBl. S. 63) überlagert.
§ 86 Der König wird von den Traktaten und Bündnissen, welche von ihm mit auswärtigen Mächten angeknüpft werden, die Stände in Kenntniß setzen, sobald es die Umstände erlauben.
§ 86 größtenteils durch Reichsrecht (hier die Reichsverfassung vom 16. April 1871 (RGBl. S. 63) überlagert und damit gegenstandslos.
§ 87 Alle Subsidien und Kriegs-Contributionen, so wie andere ähnliche Entschädigungs-Gelder und sonstige Erwerbungen, welche dem Könige zu Folge eines Staats-Vertrags, Bündnisses oder Krieges zu Theil werden, sind Staats-Eigenthum.
§ 88 Ohne Beistimmung der Stände kann kein Gesetz gegeben, aufgehoben, abgeändert oder authentisch erläutert werden.
Reichsrecht geht dem Landesrecht vor; Reichsgesetze können Landesgesetze abändern.
§ 89 Der König hat aber das Recht, ohne die Mitwirkung der Stände die zu Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen Verordnungen und Anstalten zu treffen, und in dringenden Fällen zur Sicherheit des Staates das Nöthige vorzukehren.
§ 90 Eben diese Bestimmungen (§§ 88, 89) finden auch bei den Gesetzen, Verordnungen und Anstalten im Landes-Polizeiwesen Statt.
§ 91 Alle Gesetze und Verordnungen, welche mit einer ausdrücklichen Bestimmung der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde im Widerspruche stehen, sind hiedurch aufgehoben. Die übrigen sind der verfassungsmäßigen Revision unterworfen.
§ 92 Die Gerichtsbarkeit wird im Namen des Königs und unter dessen Oberaufsicht durch collegialisch gebildete Gerichte in gesetzlicher Instanzen-Ordnung verwaltet.
§ 92 teilweise durch Reichsrecht (hier insbesondere die Reichsjustizgesetze der Jahre 1870 bis 1879, wie das Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (RGBl. S. 41)) überlagert. Die Gerichtsbarkeit wurde in Württemberg jedoch weiter im Namen des Königs verwaltet.
§ 93 Die Gerichte, sowohl die bürgerlichen als die peinlichen, sind innerhalb der Grenzen ihres Berufes unabhängig.
§ 93 durch Reichsrecht (hier insbesondere die Reichsjustizgesetze der Jahre 1870 bis 1879, wie das Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (RGBl. S. 41)) überlagert und damit gegenstandslos.
§ 94 Der Königliche Fiskus wird in allen Privatrechtsstreitigkeiten bei den ordentlichen Gerichten Recht geben und nehmen.
Siehe auch Gesetz betreffend die Aufhebung von Vorrechten des Fiskus und anderer gesetzlich begünstigter Personen vom 28. Februar 1873 (Reg.Bl. S. 30).
§ 95 Keinem Bürger, der sich durch einen Akt der Staatsgewalt in seinem auf einem besonderen Titel beruhenden Privatrechte verletzt glaubt, kann der Weg zum Richter verschlossen werden.
§ 96 Die Erkenntnisse der Criminalgerichte bedürfen, um in Rechtskraft überzugehen, keiner Bestätigung des Regenten.
§ 96 durch Reichsrecht (hier insbesondere die Reichsjustizgesetze der Jahre 1870 bis 1879, wie das Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (RGBl. S. 41)) überlagert und damit gegenstandslos.
§ 97 Dagegen steht dem Könige zu, Straf-Erkenntnisse vermöge des Begnadigungs-Rechtes auf erforderten und erstatteten Bericht des erkennenden Gerichts aufzuheben oder zu mildern. Es sind daher die Criminal-Gerichte nicht nur verbunden, in schweren Fällen die Akten samt ihrem Erkenntnisse vor der Eröffnung desselben durch das Königl. Justiz-Ministerium dem Könige zum Behuf einer etwaigen Begnadigung vorzulegen; sondern es kann auch nach Eröffnung des Erkenntnisses der Verurtheilte sich an die Gnade des Königs wenden.
Auf gleiche Weise kann auch, wenn nach dem Gutachten des Königl. Justiz-Ministeriums hinlängliche Gründe dazu vorhanden sind, vermöge des dem Könige zustehenden Abolitions-Rechts, noch ehe das Verbrechen oder Vergehen untersucht, oder über die Bestrafung erkannt worden ist, alles Verfahren gegen den Beschuldigten eingestellt und niedergeschlagen werden.
Der König wird jedoch bei Ausübung sowohl des einen, als des andern Rechtes darauf Rücksicht nehmen, daß dem Ansehen und der Wirksamkeit der Straf-Gesetze dadurch nicht zu nahe getreten werde.
§ 97 erfuhr bereits durch die Württ. Strafprozeßordnung von 1843, dann durch Gesetz vom 14. August 1849, Gesetz vom 17. Juni 1853 und durch die Württ. Strafprozeßordnung von 1868 eine Veränderung dahin, daß die Verpflichtung der Strafgerichte zur Vorlegung ihrer Erkenntnisse an den König weggefallen ist.
§ 97 größtenteils durch Reichsrecht (hier insbesondere die Reichsjustizgesetze der Jahre 1870 bis 1879, wie das Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 (RGBl. S. 41)) überlagert und damit gegenstandslos. Das Begnadigungsrecht des Königs bei Urteilen der Landesgerichte blieb erhalten.
§ 98 Die Strafe der Vermögens-Confiscation ist allgemein aufgehoben.
§ 99 Was die Militär-Verfassung betrifft, so wird die Zahl der zu Ergänzung des Königlichen Militärs jährlich erforderlichen Mannschaft mit den Ständen verabschiedet.
§ 99 durch Reichsrecht (hier die Reichsverfassung vom 16. April 1871 (RGBl. S. 63), Abschnitt XI.) überlagert und damit gegenstandslos.
§ 100 Die Auswahl-Ordnung, die nähere Bezeichnung der übrigen Landes-Vertheidigungs-Anstalten und der Verbindlichkeit der Staatsbürger, sich außerhalb des regulären Militärs zu dem Waffendienste tüchtig zu machen, die bürgerlichen Verhältnisse der unter dem Militär befindlichen Staats-Angehörigen, die militärischen Straf-Gesetze, wie auch die Bestimmung der Fälle, in welchen das Königl. Militär ausnahmsweise bei den Bürgern einquartirt werden kann, sind Gegenstände der Gesetzgebung und Gesetz-Revision.
§ 100 durch Reichsrecht (hier die Reichsverfassung vom 16. April 1871 (RGBl. S. 63), Abschnitt XI. und Militärkonvention) überlagert und damit gegenstandslos.
§ 101 Für die Unterstützung der Militär-Personen, welche im Dienste des Vaterlandes ihre Kräfte aufgeopfert haben, so wie ihrer Hinterbliebenen, ist durch ein Gesetz gesorgt.
§ 101 durch Reichsrecht (hier die Reichsverfassung vom 16. April 1871 (RGBl. S. 63), Abschnitt XI. und Reichsgesetz betreffend die Pensionierung und Versorgung der Militärpesonen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine sowie die Bewilligung für die Hinterbliebenen solcher Personen vom 27. Juni 1871 (RGBl. S. 275)) überlagert und damit gegenstandslos.
VIII. Kapitel. Von dem Finanzwesen.
§ 102 Sämtliche zu dem vormaligen Herzoglich Württembergischen Familien-Fidei-Commisse gehörigen, so wie die von dem Könige neu erworbenen Grundstücke, Gefälle und nutzbaren Rechte, bilden, mit Ausschluß des sogenannten Hof-Domainen-Kammer-Guts, das Königl. Kammergut.
Das Königliche Kammergut wurde 1887 auf 720 bis 750 Millionen Mark bei einer Schuld von 423 Millionen Mark geschätzt. Das Kammergut war Staatseigentum.
§ 103 Auf demselben haftet die Verbindlichkeit, neben den persönlichen Bedürfnissen des Königes als Staats-Oberhauptes und der Mitglieder des Königlichen Hauses, auch den mit der Staats-Verwaltung verbundenen Aufwand, so weit es möglich ist, zu bestreiten; es kommt ihm daher die Eigenschaft eines von dem Königreich unzertrennlichen Staatsgutes zu.
§ 104 Für den Aufwand, welchen die Bedürfnisse des Königes und der Hofstaat erfordern, wird auf die Regierungszeit eines jeden Königes eine theils in Geld, theils in Naturalien bestehende Civil-Liste verabschiedet, deren Betrag in bestimmten Raten an die von dem Könige zu benennende Verwaltungs-Stelle abgegeben wird.
§ 105 Die Appanagen, Wittume, Heirathgüter und andere dergleichen Leistungen, welche die Mitglieder des Königlichen Hauses in Anspruch zu nehmen haben, werden an diese von der Staatskasse unmittelbar entrichtet.
§ 106 Die Kosten der Hofhaltung des Reichsverwesers werden aus den Mitteln der Civil-Liste bestritten; die Appanage desselben wird bis zum Betrag der einem Kronprinzen gebührenden erhöht.
§ 107 Das Kammergut ist in seinem wesentlichen Bestande zu erhalten, und kann daher ohne Einwilligung der Stände weder durch Veräußerung vermindert, noch mit Schulden oder sonst mit einer bleibenden Last beschwert werden.
Als eine Verminderung des Kammerguts ist es jedoch nicht anzusehen, wenn zu einer entschieden vortheilhaften Erwerbung ein Geld-Anlehen aufgenommen, oder zum Vortheil des Ganzen eine Veräußerung oder Austauschung einzelner minder bedeutender Bestandtheile desselben vorgenommen wird. Es muß aber den Ständen in jedem Jahre eine genaue Berechnung über den Erlös aus solchen Veräußerungen und über dessen Wieder-Verwendung zum Grundstocke vorgelegt werden.
Auch ist unter Veräußerung der Fall nicht begriffen, wenn vom Könige ein heimfallendes Lehen zur Belohnung ausgezeichneter Verdienste um den Staat wieder verliehen wird.
§ 107 Absatz 3 wurde aufgehoben durch Gesetz betreffend die Aufhebung des Lehenverbandes vom 8. Oktober1874 (Reg.Bl. S. 233).
§ 108 Das oben (§. 102) erwähnte Hof-Domänen-Kammergut ist ein Privat-Eigenthum der Königlichen Familie, dessen Verwaltung und Benutzung dem Könige zusteht; der Grundstock darf nicht vermindert werden; es gelten jedoch, was die Aufnahme von Geld-Anlehen zu einer vortheilhaften Erwerbung und die Veräußerung oder Austauschung einzelner minder bedeutenden Bestandtheile zum Vortheil des Ganzen betrifft, die in dem vorigen §. bei dem Kammergut angegebenen Verwaltungsgrundsätze. Zu den allgemeinen Landes-Lasten liefert das Hof-Domänen-Kammergut seinen Beitrag, und zwar, so weit es bisher steuerfrei war, gleich andern früher steuerfreien Gütern.
Durch Gesetz betreffend die Ausdehnung des Amts- und Gemeindeverbandes auf sämtliche Teile des Staatsgebiets vom 18. Juni 1849 (Reg.Bl. S. 207) wurde die Steuerfreiheit des Hof-Domänen-Kammerguts, wie der anderen steuerfreien Güter aufgehoben.
§ 109 Soweit der Ertrag des Kammerguts nicht zureicht, wird der Staatsbedarf durch Steuern bestritten. Ohne Verwilligung der Stände kann weder in Kriegs- noch in Friedenszeiten eine direkte oder indirekte Steuer ausgeschrieben und erhoben werden.
§ 110 Dem Ansinnen einer Steuer-Verwilligung muß jedesmal eine genaue Nachweisung über die Nothwendigkeit oder Nützlichkeit der zu machenden Ausgaben, über die Verwendung der früheren Staats-Einnahmen und über die Unzulänglichkeit der Kammer-Einkünfte vorangehen.
§ 111 Zu dem Ende hat der Finanzminister den Haupt-Etat den Ständen zur Prüfung vorzulegen. Die einzelnen Minister haben die Ausgaben für ihre Ministerien zu erläutern.
§ 112 Der von den Ständen anerkannte und angenommene Haupt-Etat ist in der Regel auf drei Jahre gültig.
§ 113 Die Verwilligung der Steuern darf nicht an Bedingungen geknüpft werden, welche die Verwendung dieser Steuern nicht unmittelbar betreffen.
§ 114 Die auf einen gewissen Zeitraum verwilligten Jahres-Steuern werden nach Ablauf dieses Zeitraumes, in gleichem Maße, auch im ersten Drittel des folgenden Jahres auf Rechnung der neuen Verwilligung eingezogen.
§ 115 Die verwilligten Steuern werden auf die Amts-Körperschaften ausgeschrieben, und von diesen sowohl auf die einzelnen Gemeinden, als auch auf die in keinem Gemeinde-Verbande stehenden Güterbesitzer vertheilt. Letztere liefern ihre Steuer-Antheile unmittelbar an die Amts-Pflegen.
Durch Gesetz betreffend die Ausdehnung des Amts- und Gemeindeverbandes auf sämtliche Teile des Staatsgebiets vom 18. Juni 1849 (Reg.Bl. S. 207) wurden die Worte „, als auch auf die keinem Gemeinde-Verbande stehenden Güterbesitzer“ sowie Satz 2 gegenstandslos.
§ 116 Von den Amts-Pflegern, so wie von den Ober-Einbringern der indirekten Steuern, werden die Steuer-Gelder theils an die Staats-Casse, theils an die Schulden-Zahlungs-Casse, nach der deshalb bei der Verwilligung zu treffenden Verabschiedung, eingeliefert. Die erwähnten Steuer-Einnehmer sind dafür verantwortlich, daß sie die eingehenden Steuer-Gelder unter keinem Vorwand an eine andere, als an die durch die Verabschiedung bestimmte Casse, oder auf eine von derselben im gesetzlichen Wege ausgestellte Anweisung verabfolgen.
§ 117 Die höhere Leitung des Einzugs der direkten und indirekten Steuern ist einer Central-Behörde übertragen. Diese hat die Akkorde über indirekte Steuern zu schließen, die Repartition der direkten zu entwerfen, für deren Beitreibung zu sorgen, über Steuer-Nachlässe nach verabschiedeten Grundsätzen Anträge zu machen, und diese, so wie die Steuer-Repartition, dem Finanz-Ministerium vorzulegen.
Als Zentralbehörde war durch V. Edikt vom 18. November 1817 das Steuerkollegium eingesetzt.
§ 118 Das Finanz-Ministerium hat den Ständen die ihm vorgelegte Steuer-Repartition, so wie monatlich den Cassen-Bericht über die eingegangenen Steuern und etwaigen Ausstände, mitzutheilen.
§ 119 Die Staats-Schuld, worunter auch diejenige begriffen ist, welche derzeit noch auf den neuen Landestheilen haftet, ist unter die Gewährleistung der Stände gestellt.
§ 120 Die Schulden-Zahlungs-Casse wird nach den Normen eines zu verabschiedenden Statuts von ständischen, durch die Regierung bestätigten Beamten, unter Leitung und Verantwortlichkeit der Stände, verwaltet.
Siehe auch Revidiertes Staatsschuldenstatut vom 22. Februar 1837 (Reg.Bl. S. 105)
§ 121 Es werden dem ständischen Ausschusse monatliche Cassenberichte gedoppelt ausgefertigt übergeben, und jener hat jedesmal Ein Exemplar dem Finanz-Ministerium mitzutheilen.
§ 122 Der Regierung steht vermöge des Ober-Aufsichts-Rechtes frei, von dem Zustande dieser Casse zu jeder Zeit Einsicht nehmen zu lassen.
§ 123 Die Jahres-Rechnung über dieselbe wird von einer Königlichen und ständischen Commission abgehört, das Resultat aber öffentlich durch den Druck bekannt gemacht.
IX. Kapitel. Von den Landständen.
Durch Art. 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1849 wurde dieses Kapitel größtenteils ersetzt; durch kgl. Verordnung vom 6. November 1850 wurde dieses Gesetz (in verfassungswidriger Weise) wieder aufgehoben und die Bestimmungen traten wieder in Kraft; das Gesetz vom 1. Juli 1849 hatte somit eine Wirkung in der Zeit zwischen dem 2. Juli 1849 und dem 10. November 1850 (Tage der Verkündung im Regierungsblatt).
§ 124 Die Stände sind berufen, die Rechte des Landes in dem durch die Verfassung bestimmten Verhältnisse zum Regenten geltend zu machen. Vermöge dieses Berufes haben sie bei Ausübung der Gesetzgebungs-Gewalt durch ihre Einwilligung mitzuwirken, in Beziehung auf Mängel oder Mißbräuche, die sich bei der Staats-Verwaltung ergeben, ihre Wünsche, Vorstellungen und Beschwerden dem Könige vorzutragen, auch wegen verfassungswidriger Handlungen Klage anzustellen, die nach gewissenhafter Prüfung für nothwendig erkannten Steuern zu verwilligen, und überhaupt das unzertrennliche Wohl des Königes und des Vaterlandes mit treurer Anhänglichkeit an die Grundsätze der Verfassung zu befördern.
§ 125 Angelegenheiten, welche, der (§. 124) angegebenen Bestimmung zu Folge, vor die gesamten Stände gehören, werden in keinem Falle, weder von dem Könige und der Regierung, noch von den Land-Ständen und dem ständischen Ausschusse, an einzelne Stände gebracht, oder die Erklärungen einzelner ständischer Mitglieder, Städte oder Oberamtsbezirke darüber eingefordert werden.
§ 126 Der Geheime Rath ist die Behörde, durch welche sowohl der König seine Eröffnungen an die Stände erlassen wird, als auch letztere ihre Erklärungen, Bitten und Wünsche an den König zu bringen haben,
Der Geheime Rath hat dieselben jedesmal dem Könige vorzulegen, wenn er nicht Anstände dabei findet, welche ihn veranlassen, vor der Vorlegung an den König mit den Landständen Rücksprache zu nehmen.
Die Anträge der Stände sind von ihm mit seinen auf die Verfassung gegründeten Berichten und Gutachten zu begleiten.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war das „Gesammt-Ministerium“ anstelle des Geheimen Rates zuständig.
In § 126 Absätze 1 und 2 wurden durch das Gesetz betreffend die Bildung des Staatsministeriums vom 1. Juli 1876 (Reg.Bl. S. 275) die Worte: „Der Geheime Rat“ ersetzt durch „Das Staatsministerium“.
§ 127 Der König wird alle drei Jahre die Versammlung der Stände (Landtag) einberufen; und außerordentlicherweise, so oft es zur Erledigung wichtiger oder dringender Landes-Angelegenheiten erforderlich ist.
Auch werden bei jeder Regierungs-Veränderung die Stände innerhalb der ersten vier Wochen versammelt werden.
Seit Einführung der zweijährigen Etatperiode (vor 1887) war der Hauptgrund für die Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Landtagen weggefallen; doch war als ein außerordentlicher Landtag immer noch ein solcher anzusehen, in welchem kein Etat beraten wurde.
§ 128 Die Stände theilen sich in zwei Kammern.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 gab es nur eine einzige Landesversammlung.
Siehe aber § 161.
§ 129 Die erste Kammer (Kammer der Standesherrn) besteht
1.) aus den Prinzen des Königlichen Hauses;
2.) aus den Häuptern der fürstlichen und gräflichen Familien, und den Vertretern der standesherrlichen Gemeinschaften, auf deren Besitzungen vormals eine Reichs- oder Kreistags-Stimme geruht hat;
3.) aus den von dem Könige erblich oder auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 129 folgende Fassung:
„§ 129 Die Erste Kammer besteht
1. aus den Prinzen des Königlichen Hauses;
2. aus den Häuptern der fürstlichen und gräflichen Familien, auf deren Besitzungen vormals eine Reichs- oder Kreistagsstimme geruht hat, sowie aus den Häuptern der gräflichen Familie von Rechberg und von Neipperg, solange sie sich im Besitz ihres mit Fideikommiß belegten, nach dem Recht der Erstgeburt sich vererbenden Grundvermögens im Königreich befinden;
3. aus höchstens sechs von dem König auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern;
4. aus acht Mitgliedern des ritterschaftlichen Adels (vgl. § 132);
5. aus dem Präsidenten des Evangelischen Konsistoriums, dem Präsidenten der Evangelischen Landessynode – im Falle der Erledigung der Stelle dem durch die Landessynodalordnung bestimmten Stellvertreter desselben – und zwei evangelischen Generalsuperintendenten, ferner einem Vertreter des Bischöflichen Ordinariats (des Landesbischofs nebst dem Domkapitel), und einem von den katholischen Dekanen aus ihrer Mitte gewählten Mitgliede (vgl. § 132 Abs. 1 und 2);
6. aus je einem Vertreter der Landesuniversität in Tübingen und der Technischen Hochschule in Stuttgart (vgl. § 132 Abs. 3);
7. aus zwei Vertretern des Handels und der Industrie, zwei Vertretern der Landwirtschaft und einem Vertreter des Handwerks (vgl. § 132b).“
Prinzen des Königlichen Hauses waren diejenigen, welche von dem gemeinschaftlichen Stammvater des Königlichen Hauses (König Friedrich) aus einer rechtmäßigen ebenbürtigen Ehe abstammen.
Während es im Jahr 1819 noch 37 Standesherren (Häupter der fürstlichen und gräflichen, ehemals reichsunmittelbaren Familien) gab, war die Zahl im Jahr 1887 auf 20 und 1895 auf 17 gefallen. Im Jahr 1887 bestand noch eine standesherrliche Gemeinschaft (Pückler-Limburg). Die Zahl der Gesamtmitglieder der Kammer der Standesherren fiel somit von ca. 40 im Jahr 1819 auf 30 im Jahre 1895.
§ 130 Zu erblichen Mitgliedern wird der König nur solche Gutsbesitzer aus dem standesherrlichen oder ritterschaftlichen Adel ernennen, welche von einem mit Fidei-Commiß belegten, nach dem Rechte der Erstgeburt sich vererbenden Grundvermögen im Königreiche, nach Abzug der Zinsen aus den darauß haftenden Schulden, eine jährliche Rente von sechstausend Gulden beziehen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 130 folgende Fassung:
„§ 130 Insoweit als Landschaftsstandsrechte der in § 129 Ziff. 2 bezeichneten Art auf andere Weise als durch freiwilligen Entschluß dauernd wegfallen, erhöht sich entsprechend die Höchstzahl der nach § 129 Ziff. 3 von dem König auf Lebenszeit zu ernennenden Mitglieder.“
Aufgrund des ursprünglichen § 130 wurden die gräflichen Familien von Neipperg und von Rechberg-Rothenlöwen ernannt.
§ 131 Die lebenslänglichen Mitglieder werden vom Könige, ohne Rücksicht auf Geburt und Vermögen, aus den würdigsten Staatsbürgern ernannt.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurde § 131 aufgehoben.
Im Jahr 1887 waren 7 Mitglieder der Kammer der Standesherren auf Grund des § 131 ernannt.
§ 132 Die Zahl sämtlicher von dem Könige erblich oder auf lebenslang ernannten Mitglieder kann den dritten Theil der übrigen Mitglieder der ersten Kammer nicht übersteigen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 130 folgende Fassung:
„§ 132 Die acht ritterschaftlichen Mitglieder der Ersten Kammer werden zusammen von den immatrikulierten Besitzern oder Teilhabern der Rittergüter des Königreichs aus sämtlichen Mitgliedern ritterschaftlicher Familien gewählt.
Die Wahl findet in Stuttgart unter der Leitung einer von dem Ministerium des Innern bestellten Wahlkommission statt, die aus einem Vorstand und zwei aus der Zahl der wahlberechtigten Mitglieder des ritterschaftlichen Adels zu ernennenden Beisitzern besteht.“
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurden nach dem § 130 folgende Paragraphen eingefügt:
„§ 132a Die zwei evangelischen Generalsuperintendenten werden unter der Leitung eines von dem Ministerium des Kirchen- und Schulwesens bestellten Wahlkommissars von sämtlichen evangelischen Generalsuperintendenten, der Vertreter des Bischöflichen Ordinariats wird von diesem aus seiner Mitte gewählt.
Die Wahl des katholischen Dekans findet in einem Zusammentritt der Dekane katholischer Konfession, soweit sie nicht dem Bischöflichen Ordinariat angehören, unter der Leitung eines von dem Ministerium des Kirchen- und Schulwesens bestellten Wahlkommissars statt.
Die Vertreter der Landesuniversität und der Technischen Hochschule werden je von dem akademischen Senat aus seiner Mitte gewählt.
§ 132b Die Vertreter des Handels und der Industrie, der Landwirtschaft sowie des Handwerks werden je für die Dauer einer Wahlperiode durch den König ernannt. Diese Ernennung erfolgt je auf den Vorschlag der gesetzlich organisierten Berufskörperschaften, und zwar werden die Vertreter des Handels und der Industrie durch die Handelskammern aus der Zahl der zu Mitgliedern dieser Kammern wählbaren Personen, die Vertreter der Landwirtschaft, solange die Einrichtung einer oder mehrerer Landwirtschaftskammern noch nicht zur gesetzlichen Durchführung gelangt sein wird, durch die Mitglieder der Ausschüsse der landwirtschaftlichen Gauverbände aus den Kreisen derjenigen Personen, welche als Eigentümer, Nutznießer, Pächter oder Verwalter landwirtschaftlich benützter Grundstücke für die Zwecke der Landwirtschaft tätig sind, vorgeschlagen.
Die Vorschläge enthalten je die doppelte Zahl der zu ernennenden Personen. Im Fall des Nichteintritts einer oder mehrerer der vorgeschlagenen und ernannten Personen in die Ständeversammlung oder ihres Ausscheidens aus derselben kann von der Anordnung der Ergänzung der Vorschlagsliste für die Neuernennung Umgang genommen werden.“
§ 133 Die zweite Kammer (Kammer der Abgeordneten) ist zusammengesetzt
1.) aus dreizehn Mitgliedern des ritterschaftlichen Adels, welche von diesem aus seiner Mitte gewählt werden
2.) aus den sechs protestantischen General-Superintendenten;
3.) aus dem Landesbischof, einem von dem Domkapitel aus dessen Mitte gewählten Mitgliede und dem der Amtszeit nach ältesten Dekan katholischer Confession;
4.) aus dem Kanzler der Landes-Universität;
5.) aus einem gewählten Abgeordneten von jeder der Städte Stuttgart, Tübingen, Ludwigsburg, Ellwangen, Ulm, Heilbronn und Reuttlingen;
6.) aus einem gewählten Abgeordneten von jedem Oberamts-Bezirke.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 133 folgende Fassung:
„§ 133 Die Zweite Kammer (Kammer der Abgeordneten) besteht
1. aus je einem Abgeordneten eines jeden Oberamtsbezirks,
2. aus sechs Abgeordneten der Stadt Stuttgart und je einem Abgeordneten der Städte Tübingen, Ludwigsburg, Ellwangen, Ulm, Heilbronn und Reutlingen,
3. aus siebzehn Abgeordneten zweier Landeswahlkreise, von denen der erste den Neckarkreis und den Jagstkreis umfaßt und neun Abgeordnete wählt, der zweite den Schwarzwaldkreis und den Donaukreis umfaßt und acht Abgeordnete wählt.
Eine Veränderung in der Einteilung der Kreise des Landes ist Gegenstand der ordentlichen Gesetzgebung.“
Vor 1906 bestand die Kammer der Abgeordneten somit aus 93 Abgeordneten, nach der Verfassungsrevision und den Wahlen von 1907 aus 92.
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurde nach dem § 133 folgender Paragraph eingefügt:
„§ 133a Die Abgeordneten der Zweiten Kammer (§ 133) werden durch diejenigen Staatsbürger unmittelbar gewählt, welche nach § 142 zur Ausübung des Wahlrechts berechtigt sind und in dem Wahlbezirk ihren Wohnsitz oder ihren nicht bloß vorübergehenden Aufenthalt haben.“
§ 134 Der Eintritt in die erste Kammer geschieht bei den Prinzen des Königlichen Hauses und den übrigen erblichen Mitgliedern nach zurückgelegtem Alter der Minderjährigkeit, deren Dauer bei den ersteren von der hausgesetzlichen, bei den letzteren von der gemeinrechtlichen Bestimmung abhängt.
In die zweite Kammer kann keiner gewählt werden, welcher noch nicht das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt hat.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 7 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 134 Abs. 2 folgende Fassung:
„Zu Mitgliedern der Ersten und Zweiten Kammer können nur solche Personen gewählt oder ernannt werden, die am Tage der Wahl oder Ernennung das fünfundzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt haben.“
Der Kronprinz wurde mit Vollendung des 18. Lebensjahres, die anderen königlichen Prinzen zusammen mit den erbberechtigten Mitgliedern der Kammer der Standesherren mit vollendetem 21. Lebensjahr (allgemeine Volljährigkeit) volljährig.
§ 135 Die allgemeinen Erfordernisse eines Mitglieds der Stände-Versammlung sind folgende:
1.) dasselbe muß einem der drei christlichen Glaubens-Bekenntnisse angehören, und das württembergische Staatsbürgerrecht haben;
2.) dasselbe darf weder in eine Criminal-Untersuchung verflochten, noch durch gerichtliches Erkenntniß zur Dienst-Entsetzung, zur Vestungsstrafe mit Zwang zu öffentlichen Arbeiten oder angemessener Beschäftigung, oder zum Zuchthaus verurtheilt worden, oder wegen eines angeschuldigten Verbrechens blos von der Instanz entbunden seyn;
3.) es darf kein Concurs gegen dasselbe gerichtlich eröffnet seyn; und selbst nach geendigtem Concurs-Verfahren dauert seine Unfähigkeit fort, wenn es wegen Vermögens-Zerrüttung gestraft worden ist. Jedoch werden die erblichen Mitglieder der ersten Kammer durch die Erkennung einer Debit-Commission von der Stimmführung nicht ausgeschlossen, wenn ihnen eine Competenz von wenigstens Zweitausend Gulden ausgesetzt ist. Endlich
4.) darf ein Mitglied der Stände-Versammlung weder unter väterlicher Gewalt, noch unter Vormundschaft, noch unter Privat-Dienstherrschaft stehen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 7 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Gesetz vom 30. Dezember 1861 (Reg.Bl. 1862 S. 3) wurden
– in Ziffer 1 die Worte „einem der drei christlichen Glaubens-Bekenntnisse angehören, und“ gestrichen.
– in Ziffer 4 die Worte „, noch unter Privat-Dienstherrschaft“ gestrichen.
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 135 folgende Fassung:
„§ 135 Zum Eintritt in die Ständeversammlung sind außerdem männliches Geschlecht, der Besitz der württembergischen Staatsangehörigkeit und ein Wohnsitz im Königreich erforderlich. Der Eintritt der in § 129 Ziff. 1 und 2 bezeichneten Mitglieder hat einen Wohnsitz im Deutschen Reich zur Voraussetzung. Im Falle der Wahl oder Ernennung muß der Eintretende die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz am Tage der Wahl oder Ernennung besessen haben.
Einen Wohnsitz im Sinne des Abs. 1 hat eine Person an dem Orte, an dem sie eine Wohnung unter Umständen inne hat, welche auf die Absicht der dauernden Beibehaltung einer solchen schließen lassen. Von dem Eintritt in die Ständeversammlung sind diejenigen Personen ausgeschlossen, welchen nach § 142 Abs. 2 Ziff. 1 bis 4 die Ausübung des Wahlrechts versagt ist.“
Im ursprünglichen § 135 war das männliche Geschlecht nicht ausdrücklich verlangt, offenbar weil dies 1819 selbstverständlich war.
§ 136 Die dreizehn ritterschaftlichen Mitglieder der zweiten Kammer werden von den immatriculirten Besitzern oder Theilhabern der Rittergüter nach den vier Kreisen des Königreichs, in den Kreisstädten, unter der Leitung des betreffenden Regierungs-Präsidenten mit Zuziehung zweier Mitglieder der Ritterschaft, aus sämtlichen Mitgliedern ritterschaftlicher Familien gewählt.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurde § 136 aufgehoben.
§ 137 Die Abgeordneten von den Städten, die eigenes Landstandschaftsrecht haben, und von den Oberamts-Bezirken, werden durch die besteuerten Bürger jeder einzelnen Gemeinde gewählt.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) erhielt § 137 folgende Fassung:
„§ 137 Die Abgeordneten der Städte und Oberamts-Bezirke (§ 133 Ziff. 5 und 6) werden durch diejenigen württembergischen Staatsbürger direkt gewählt, welche in dem Wahlbezirk ihren Wohnsitz oder ihren nicht bloß vorübergehenden Aufenthalt haben und nicht nach § 142 ausdrücklich ausgeschlossen sind.“
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurde § 137 aufgehoben.
§ 138 Die Zahl der Wählenden verhält sich zur Zahl der sämtlichen Bürger einer Gemeinde wie eins zu sieben, so daß z. B. auf 140 Bürger (ungefähr 700 Einwohner) zwanzig Wahlmänner kommen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) wurde § 138 aufgehoben.
§ 139 Zwei Drittheile der Wahlmänner bestehen aus denjenigen Bürgern, welche im nächstvorhergegangenen Finanzjahre die höchste ordentliche directe Steuer, sey es aus eigenem oder aus nutznießiichem Vermögen, an den Staat zu entrichten hatten. Diese werden jedesmal vor Anstellung einer Wahl von dem Ortsvorsteher nebst dem Steuer-Einbringer, dem Obmann des Bürger-Ausschusses und dem Rathsschreiber, oder, wenn dessen Amt mit der Stelle eines Orts-Vorstehers vereinigt ist, dem ersten Gemeinde Rath, aus dem Steuer-Register, als Wahlmänner ausgezeichnet.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) wurde § 139 aufgehoben.
§ 140 Das letzte Drittheil der Wahlmänner wird von den übrigen Steuer-Contribuenten, unter der Leitung des Ortsvorstehers mit Zuziehung der (§. 139) erwähnten Personen gewählt. Die Stimmen müssen einzeln (im Durchgang) abgegeben werden.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) wurde § 140 aufgehoben.
§ 141 Die Liste der Wahlmänner, sowohl derjenigen, welche wegen der Größe ihres Steuer-Antheils von selbst zur Wahl berechtigt sind, als der gewählten, wird der Gemeinde bekannt gemacht.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) wurde § 141 aufgehoben.
§ 142 Zur Ausübung des Wahlrechtes jeder Art werden eben die persönlichen Eigenschaften erfordert, welche nach §. 135 der Abzuordnende selbst haben muß, nur mit der Ausnahme, daß das Alter der Volljährigkeit hinreicht.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 4 bis 6 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl.. S. 175) erhielt § 142 folgende Fassung:
„§ 142 Von der Ausübung des activen Wahlrechts jeder Art sind ausgeschlossen:
1. Personen, welche unter Vormundschaft stehen oder das fünfundzwanzigste Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben;
2. Personen, gegen welche ein Gantverfahren gerichtlich eröffnet ist, während der Dauer desselben;
3. Personen, gegen welche wegen eines Verbrechens, das den Verlust der bürgerlichen Ehren- und Dienstrechte zur Folge hat, Untersuchung verhängt ist, oder denen durch rechtskräftige Verurtheilung der Vollgenuß der staatsbürgerlichen Rechte entzogen ist, sofern sie in diese Rechte nicht wieder eingesetzt worden sind;
4. Personen, welche – den Fall eines vorübergehenden Unglücks ausgenommen -eine Armen-Unterstützung aus öffentlichen Mitteln beziehen oder im letzten der Wahl vorangegangenen Finanzjahr bezogen und diese zur Zeit der Wahl nicht wieder erstattet haben.“
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurde § 142 wie folgt geändert:
„§ 142 Zur Ausübung des Wahlrechts für die Ständeversammlung sind männliches Geschlecht, der Besitz der württembergischen Staatsangehörigkeit und die Zurücklegung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres erforderlich.
Von der Berechtigung zum Wählen sind ausgeschlossen:
1. Personen, welche unter Vormundschaft stehen, entmündigt sind oder wegen geistiger Gebrechen unter Pflegschaft stehen;
2. Personen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet ist, während der Dauer des Verfahrens;
3. Personen, welche – den Fall eines vorübergehenden Unglücks ausgenommen – eine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln beziehen oder im letzten der Wahl vorangegangenen Jahr bezogen haben und diese zur Zeit des endgültigen Abschlusses der Wählerliste nicht wieder erstattet haben;
4. Personen, denen infolge rechtskräftiger Verurteilung der Vollgenuß der staatsbürgerlichen Rechte entzogen ist, für die Zeit der Entziehung, sofern sie nicht in diese Rechte wieder eingesetzt sind.“
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl.. S. 175) wurde nach dem § 142 folgender Paragraph eingefügt:
„§ 142a Die Wahlen erfolgen durch geheime Stimmgebung.“
§ 143 Eine gültige Wahl kommt nur durch die Abstimmung von wenigstens zwei Drittheilen der Wahlberechtigten zu Stande.
Die Ausübung des Wahlrechts kann nicht durch einen Bevollmächtigten geschehen; den Fall ausgenommen, wenn der Wahlberechtigte durch Dienstverhältnisse verhindert ist, sich am Wahlorte einzufinden.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 14 und 16 Abs. 3 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) erhielt § 143 folgende Fassung:
„§ 143 Eine gültige Wahl kommt am ersten Wahltermine nur durch die Abstimmung von mehr als der Hälfte der Wahlberechtigten zu Stande.
Im Falle des Nichterscheinens der erforderlichen Zahl sind mittelst öffentlicher Bekanntmachung Ergänzungswahltermine so lange anzuberaumen, bis jene Zahl erreicht ist. Zu diesen Ergänzungswahlterminen sind die nicht erschienenen Wahlberechtigten speciell zu laden.
Die Ausübung des Wahlrechts kann nicht durch einen Bevollmächtigten geschehen: den Fall ausgenommen, wenn bei den Wahlen der Ritterschaft der Wahlberechtigte durch Dienstverhältnisse verhindert ist, sich am Wahlort einzufinden.“
Durch Gesetz vom 16. Juni 1882 (Reg.Bl. S. 212) wurden die Absätze 1 und 2 des § 143 aufgehoben.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 143 folgende Fassung:
„§ 143 Die Ausübung des Wahlrechts kann nicht durch einen Bevollmächtigten geschehen.“
§ 144 Die Wahlen geschehen nach relativer Stimmenmehrheit; jedoch darf diese niemals weniger als den dritten Theil der abgegebenen Stimmen betragen. Nur in dem Falle des §. 140. findet die letztere Beschränkung nicht Statt.
Im Falle der Stimmen-Gleichheit zwischen zwei Gewählten geht der Ältere dem Jüngeren vor.
Niemand kann sich selbst die Stimme geben.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 16 Abs. 3+4 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) erhielt § 144 folgende Fassung:
„§ 144 Die Wahlen geschehen nach absoluter Stimmenmehrheit.“
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 144 folgende Fassung
„§ 144 Bei den Wahlen zur Ersten Kammer (§ 132 und § 132a) und bei den Wahlen der Abgeordneten der Oberamtsbezirke und Städte zur Zweiten Kammer (§ 133 Ziff. 1 und 2) gilt, vorbehaltlich der in Abs. 3 getroffenen Bestimmungen, im ersten Wahlgang nur derjenige als gewählt, auf welchen sich mehr als die Hälfte der gültig abgegebenen Stimmen vereinigt hat.
Hat sich eine solche Mehrheit nicht ergeben, so ist ein zweiter Wahlgang anzuordnen, bei welchem die verhältnismäßige Stimmenmehrheit und im Falle der Stimmengleichheit das Los entscheidet.
Die sechs Abgeordneten der Stadt Stuttgart und die siebzehn Abgeordneten der beiden Landeswahlkreise werden je in einem Wahlgang nach dem Grundsatz der Listen- und Verhältniswahl gewählt.“
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurde nach dem § 144 folgender Paragraph eingefügt:
„§ 144a Nach den Vorschriften des § 144 Abs. 1 und 2 werden auch die Vorschlagswahlen für die Ernennung der Vertreter des Handels und der Industrie, der Landwirtschaft und des Handwerks zu der Ersten Kammer (§ 132b) vorgenommen.“
§ 145 Wer in mehreren Kreisen als Rittergutsbesitzer, oder in mehreren Orten als Gemeindebürger besteuert wird, kann in mehreren Kreisen oder Gemeinden das Wahlrecht ausüben.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) wurden in § 145 die Worte „oder in mehreren Orten als Gemeindebürger“ und „oder Gemeinden“ gestrichen.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurde § 145 aufgehoben.
§ 146 Wählbar ist jeder, welchem die oben (§§ 134 und 135) vorgeschriebenen Eigenschaften nicht fehlen. Jedoch können Staatsdiener nicht innerhalb des Bezirks ihrer Amts-Verwaltung, und Kirchendiener nicht innerhalb des Oberamts-Bezirkes, in welchem sie wohnen, gewählt werden, und eine anderwärts auf sie gefallene Wahl nur mit Genehmigung der ihnen vorgesetzten höchsten Behörde annehmen.
Auch können weder die Häupter der standesherrlichen Familien, noch die Rittergutsbesitzer (§ 136) gewählt werden.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 7 und 19 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 23.Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) wurden in § 146 Abs. 1 Satz 2 die Worte ,, ‚und eine anderwärts auf sie gefallene Wahl nur mit Genehmigung der ihnen vorgesetzten höchsten Behörde annehmen“ gestrichen und die folgenden Absätze 3 und 4 eingefügt:
„Beamte bedürfen zur Annahme der Wahl keines Urlaubs.
Wenn ein gewähltes Kammermitglied ein besoldetes Reichs- oder Staatsamt annimmt oder im Reichs- oder Staatsdienst in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder Gehalt verbunden ist, so verliert er Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch neue Wahl wieder erlangen.“
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 146 folgende Fassung:
„§ 146 Zum Abgeordneten der Zweiten Kammer kann jeder gewählt werden, welchem die oben (§ 134 und § 135) vorgeschriebenen Eigenschaften nicht fehlen. Jedoch können bei den Wahlen für die Abgeordneten der Oberamtsbezirke und Städte Staatsdiener nicht innerhalb des Bezirks ihrer Amtsverwaltung und Kirchendiener nicht innerhalb des Oberamtsbezirks, in welchem sie wohnen, gewählt werden. Auch können die der Ersten Kammer durch Geburt oder Amt angehörenden Mitglieder in die Ständeversammlung nicht gewählt werden.
Beamte bedürfen zur Annahme einer Wahl keines Urlaubs.
Wenn ein gewähltes Ständemitglied ein besoldetes Reichs- oder Staatsamt annimmt, oder im Reichs- oder Staatsdienst in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Gehalt oder Rang verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Ständeversammlung und kann seine Stelle in derselben nur durch neue Wahl wieder erlangen.“
§ 147 Die Wahlmänner eines Kreises, eines Oberamts oder einer Stadt sind in Ansehung der Person des Abgeordneten nicht auf ihren Wahlbezirk beschränkt; sie können auch einem anderswo im Königreiche wohnenden Staatsbürger ihre Stimme geben. Wer aber an mehreren Orten gewählt worden ist, kann nur Eine der auf ihn gefallenen Wahlen annehmen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph teilweise aufgehoben; siehe Art. 23 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 147 folgende Fassung:
„§ 147 Wer mehrmals in die Ständeversammlung gewählt worden ist, kann nur eine der auf ihn gefallenen Wahlen annehmen.
Niemand kann gleichzeitig Mitglied beider Kammern sein.“
§ 148 Tritt der Fall ein, daß Vater und Sohn zugleich Mitglieder der Stände-Versammlung werden, so wird, wenn der Vater nicht aus eigener Entschließung zurücktritt, der Sohn durch denselben ausgeschlossen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 16 und 18 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurde § 148 aufgehoben.
§ 149 Was das Wahlverfahren betrifft, so müssen von den Städten und Oberamtsbezirken längstens binnen acht Tagen von der Zeit an, da das Einberufungs-Rescript zu ihrer amtlichen Kenntniß gekommen ist, die Listen sämtlicher Wahlmänner an das Oberamt eingeschickt werden; worauf sodann von letzterer Behörde längstens binnen zehn Tagen, von dem Empfange jenes Rescripts an gerechnet, ein Wahltermin zu bestimmen ist, dessen Bekanntmachung acht Tage vor dem Eintritte geschehen muß.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) wurde § 149 aufgehoben.
§ 150 Die Wahl geschieht in der Amtsstadt durch die persönlich anwesenden Wahlmänner vermittelst der Übergabe eines von ihnen geschriebenen oder wenigstens unterschriebenen oder, wenn der Wahlmann nicht schreiben kann, mit dessen beglaubigtem Handzeichen, statt der Unterschrift, versehenen Stimmzettels.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 14 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) wurde § 149 aufgehoben.
§ 151 Die Leitung der Wahl steht dem Oberamtmann zu, bei den zu eigener Landstandschaft berechtigten Städten, unter Zuziehung eines aus wenigstens vier Personen bestehenden Ausschusses von dem Stadtrathe und dem Bürger-Ausschusse; bei den Oberamts-Bezirken besteht dieser Ausschuß aus vier Mitgliedern der Amtsversammlung, nebst einem Mitgliede des Bürger-Ausschusses von der Stadt und einem von dem Lande; das Protokoll hat der betreffende Aktuar zu führen.
Die Mitglieder dieses Ausschusses sind nicht wählbar in ihrem Bezirke, und eben so wenig bei den Wahlen der Ritterschaft die zur Leitung der Wahlhandlung zuzuziehenden ritterschaftlichen Mitglieder (§. 136).
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 11 und 16 Abs. 3 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) erhielt § 151 folgende Fassung:
„§ 151 Die Vorschriften über das Verfahren bei der Wahl der Abgeordneten der Städte und Oberamtsbezirke werden durch ein Gesetz näher bestimmt.
Die Mitglieder der Wahlkommissionen, sowie die Urkundspersonen können nicht durch die Wahlhandlung, bei deren Leitung sie als solche beteiligt sind, zu Abgeordneten gewählt werden.
Ebenso sind bei den Wahlen der Ritterschaft die zur Leitung der Wahlhandlung zuzuziehenden ritterschaftlichen Mitglieder (§ 136) nicht wählbar.“
Siehe hierzu das Gesetz vom 26. März 1868 betreffend die Wahlen der Städte und Oberamtsbezirke für den Landtag (Reg.Bl. S. 178).
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 151 folgende Fassung:
„§ 151 Die Vorschriften über die Vorschlagswahl zur Berufung der Vertreter des Handels und der Industrie, der Landwirtschaft sowie des Handwerks in die Erste Kammer und über die Wahl der Abgeordneten der Zweiten Kammer werden durch Gesetz näher bestimmt.
Die Mitglieder der Wahlkommissionen können nicht durch die Wahlhandlung, bei deren Leitung sie beteiligt sind, gewählt werden. Ebenso sind bei den Wahlen der Ritterschaft die zur Leitung der Wahlhandlung zuzuziehenden ritterschaftlichen Mitglieder (§ 132 Abs. 2) nicht wählbar.“
§ 152 Die Wahlhandlung darf nicht über drei Tage dauern, welche sich in ununterbrochener Reihe folgen müssen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 12 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) wurde § 152 aufgehoben.
§ 153 Kann oder will der Gewählte die Wahl nicht annehmen, so kann der nächste in der Stimmenzahl für ihn eintreten, vorausgesetzt, daß dieser nicht weniger als den dritten Theil der abgelegten Stimmen erhalten hat; außerdem muß eine neue Wahl vorgenommen werden.
Das Letztere muß auch dann geschehen, wenn nach bereits angenommener Wahl die Stelle des Abgeordneten wieder erledigt wird.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 16 Abs. 3 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) erhielt der § 153 folgende Fassung:
„§ 153 Hat der Gewählte die Wahl nicht angenommen, oder keiner der Candidaten mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten, so ist eine neue Wahl anzuordnen.
In dem letzteren Fall ist nur unter den zwei Candidaten zu wählen, welche bei der ersten Wahl die meisten Stimmen erhalten haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.“
Das Gesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt der § 153 folgende Fassung:
„§ 153 Hat der Gewählte (§§ 132, 132a, 133) die Wahl nicht angenommen, so ist eine neue Wahl anzuordnen. Auf die nach dem Grundsatz der Verhältniswahl vollzogenen Wahlen findet diese Bestimmung keine Anwendung.“
§ 154 Nach dem Schlusse der Wahlhandlung muß für den Gewählten zu dessen Legitimation eine Wahlurkunde mit der Unterschrift sämtlicher zur Leitung und Beurkundung der Wahl zugegen gewesenen Personen ausgefertigt werden.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 17 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 26. März 1868 (Reg.Bl. S. 175) erhielt § 154 folgende Fassung:
„§ 154 Nach dem Schlusse der Wahlhandlung wird für den Gewählten zu dessen Legitimation eine Wahlurkunde mit der Unterschrift der zu Feststellung des Wahlergebnisses gesetzlich berufenen Personen ausgefertigt.“
§ 155 Der Gewählte ist als Abgeordneter, nicht des einzelnen Wahlbezirkes, sondern des ganzen Landes anzusehen.
Es kann ihm daher auch keine Instruktion, an welche er bei seinen künftigen Abstimmungen in der Stände-Versammlung gebunden wäre, ertheilt werden.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 23 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
§ 156 Die Mitglieder beider Kammern haben ihr Stimmrecht in Person auszuüben; nur den erblichen Mitgliedern der ersten Kammer ist gestattet, ihre Stimme einem andern in der Versammlung anwesenden Mitgliede dieser Kammer oder einem Sohne oder dem sonstigen präsumtiven Nachfolger in der Standesherrschaft zu übertragen.
Dieses besondere Recht der Stimm-Übertragung kann auf gleiche Weise auch für einen wegen Minderjährigkeit oder anderer persönlichen Unfähigkeit unter Vormundschaft stehenden Standesherrn von dessen Vormund ausgeübt werden.
In jedem Fall aber kann ein Mitglied der ersten Kammer oder ein Stellvertreter desselben niemals mehr als Eine übertragene Stimme führen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 23 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 156 folgende Fassung:
„§ 156 Die Mitglieder beider Kammern haben ihr Stimmrecht in Person auszuüben. Niemand kann eine doppelte Stimme führen.
Es steht jedoch das Recht der Stellvertretung den in § 129 Ziff. 2 genannten Mitgliedern der Ersten Kammer insoweit zu, daß sie, wenn sie durch Krankheit oder andere, nicht unter die Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 Ziff. 2 bis 4 fallende Verhältnisse gehindert sind, selbst in der Ersten Kammer zu erscheinen, und diese die Gründe als zutreffend anerkennt, einen Agnaten mit der Stellvertretung beauftragen können.
Steht eines der in § 129 Ziff. 2 genannten Mitglieder unter Vormundschaft, so kann der Vormund einen Agnaten mit der Stellvertretung beauftragen oder, wenn er selbst Agnat ist, die Stellvertretung übernehmen.
Der Stellvertreter muß die zum Eintritt in die Ständeversammlung erforderlichen Eigenschaften besitzen (§ 134 Abs. 1, § 135 und § 142 Abs. 2 Ziff bis 4).“
§ 157 Alle sechs Jahre muß eine neue Wahl der Abgeordneten, welche nicht Amtshalber Sitz und Stimme in der zweiten Kammer haben, vorgenommen werden; die bisherigen sind wieder wählbar.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 157 folgende Fassung:
„§ 157 Je nach Ablauf von sechs Jahren, gerechnet vom Tag der letzten allgemeinen Hauptwahl der Abgeordneten der Oberamtsbezirke und Städte zur Zweiten Kammer (§ 133 Ziff. 1 und 2), muß eine neue Wahl sämtliche durch Wahl berufenen Mitglieder der Ständeversammlung angeordnet werden. Die bisherigen Mitglieder sind wieder wählbar.“
§ 158 Während dieses sechsjährigen Zeitraumes erfolgt der Austritt eines Mitgliedes der Kammer, außer dem Falle des freiwilligen Entschlusses oder der gerichtlich erkannten Ausschließung (§ 199) nur dann, wenn
1.) ein Mitglied das Grund-Vermögen, den Stand oder das Amt, worauf dessen Befähigung beruht, zu besitzen aufhört;
2.) wenn das Mitglied in der Zwischenzeit eine der oben (§. 136) festgesetzten Eigenschaften verliert.
In solchen Fällen wird, wenn das austretende Mitglied ein gewählter Abgeordneter war, eine neue Wahl von einem neuen Wahl-Collegium vorgenommen.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 158 folgende Fassung:
„§ 158 Während dieses sechsjährigen Zeitraumes erfolgt der Austritt eines Mitglieds der Ständeversammlung, außer den Fällen des freiwilligen Entschlusses (vgl. auch § 147 Abs. 2), des § 146 Abs. 4 oder der gerichtlich erkannten Ausschließung (§ 203), nur dann, wenn das Mitglied
1. das Grundvermögen, den Stand oder das Amt, worauf seine Befähigung beruht, zu besitzen aufhört;
2. in der Zwischenzeit eine der oben (§ 135 und § 142 Abs. 2 Ziff. 1 bis 4) festgesetzten Eigenschaften verliert.
Im Falle des Austritts wird, wenn der Austretende nicht ein nach dem Grundsatz der Verhältniswahl gewähltes Mitglied der Ständeversammlung war, eine neue Wahl für den noch übrigen Teil der Wahlperiode vorgenommen.“
§ 159 Die Mitglieder beider Kammern haben sich vor Eröffnung des Landtages zu legitimiren, und zu dem Ende einige Tage vor dem in dem Einberufungs-Rescripte vorgeschriebenen Termin an dem bestimmten Orte der Versammlung sich einzufinden. Die Legitimation geschieht, für den ersten künftigen Landtag, auf die bisher übliche Weise, in der Folge aber bei dem ständischen Ausschusse (§. 187) durch Vorlegung des Einberufungsschreibens, welches in dem (§. 156) erwähnten Falle der Stimmübertragung mit der hierauf gerichteten Vollmacht begleitet seyn muß, und vermittelst der Wahlurkunde.
Die zur Versammlung aufs neue gewählten Mitglieder des Ausschusses selbst werden zur Prüfung ihrer eigenen Legitimation durch die zuerst legitimirten Abgeordneten ersetzt.
Es hängt von dem Könige ab, zu dem Legitimationsgeschäfte Commissarien abzuordnen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 20 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 159 Abs. 1 folgende Fassung:
„Die Mitglieder beider Kammern haben sich vor Eröffnung des Landtags bei dem Ständischen Ausschuß (§ 187) durch Vorlegung des Einberufungsschreibens, welches in den Fällen der Stellvertretung (§ 156) von einem ordnungsmäßigen Nachweis begleitet sein muß, durch Vorlegung der Wahlurkunde oder durch Bezugnahme auf das Wahlprotokoll zu legitimieren.“
§ 160 Die erste Kammer wird durch die Anwesenheit der Hälfte, die zweite Kammer durch das Erscheinen von zwei Drittheilen ihrer Glieder als vollständig besetzt angesehen.
Der ständische Ausschuß hat am Tage vor dem in dem Einberufungsschreiben bestimmten Termin dem Geheimen Rathe von dem Erfolge des Legitirnationsgeschäftes Anzeige zu machen.
Der König wird hierauf, wenn jene Zahl durch solche Abgeordnete erfüllt ist, bei deren Legitimation sich kein Anstand gefunden hat, den Landtag in den für diesen Fall vereinigten Kammern eröffnen, wobei der vom Könige ernannte Präsident der ersten Kammer, oder, wenn noch keiner ernannt, derjenige, welcher es bei der vorigen Versammlung war, die Stelle des Vorstandes vertritt.
Die Legitimation der etwa später eintreffenden Mitglieder, so wie die Erledigung der noch übrigen Legitimationsanstände, geschieht bei der betreffenden Kammer. Das Resultat muß dem Geheimen Rathe vorgelegt werden; auch ist der andern Kammer davon Nachricht zu ertheilen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph teilweise aufgehoben; siehe Art. 21 und 27 Abs. 2+3 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch das Verfassungsgesetz betreffend die Bildung eines Staatsministeriums vom 1. Juli 1876 (Reg.Bl. S. 175) wurden die Worte „dem Geheimen Rathe“ durch „dem Staatsministerium“ ersetzt.
§ 161 Sollte bei Einberufung eines Landtages eine der beiden Kammern nicht in der nach §. 160 erforderlichen Anzahl zusammen kommen, so wird sie als einwilligend in die Beschlüsse der andern angesehen. Jedoch steht es in diesem Falle den erschienenen Mitgliedern der unvollzähligen Kammer frei, den Sitzungen der andern mit Stimmrecht beizuwohnen.
§ 162 In der ersten Kammer nehmen die Prinzen des Königlichen Hauses den ersten Platz ein; auf sie folgen die Standesherren, beide unter sich nach ihrem sonst bestehenden Range; sodann die übrigen erblichen und die auf Lebenszeit vom König ernannten Mitglieder, nach der Zeit ihrer Ernennung.
In der zweiten Kammer sitzen die verschiedenen Classen, woraus sie zusammengesetzt ist, in der §. 187 angegebenen Ordnung; unter den Gliedern jeder einzelnen Classe entscheidet, je nach Beschaffenheit derselben, das Amts- oder das Lebensalter, und unter den Geistlichen katholischer Confession der Vorzug der Amtswürde.
Die Abstimmungen geschehen nach der Sitz-Ordnung, jedoch so, daß in der zweiten Kammer bei dem Stimmen-Aufrufe immer zwischen den vier ersten und den zwei übrigen Classen gewechselt wird, bis jene erschöpft sind.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 27 Abs. 5 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 162 folgende Fassung:
„§ 162 Die Sitzordnung und die Reihenfolge bei namentlichen Abstimmungen werden in beiden Kammern durch die Geschäftsordnung bestimmt.“
§ 163 Jedes Mitglied der ersten und der zweiten Kammer hat bei seinem erstmaligen Eintritte in dieselbe den Stände-Eid abzulegen. Dieser lautet so:
„Ich schwöre, die Verfassung heilig zu halten, und in der Stände-Versammlung das unzertrennliche Wohl des Königs und des Vaterlandes, ohne alle Nebenrücksicht, nach meiner eigenen Überzeugung, treu und gewissenhaft zu berathen. So wahr mit Gott helfe!“
Der Stände-Eid wird von einem bei Eröffnung eines Landtages neu eintretenden Mitglied in die Hände des Königs selbst, oder des zur Eröffnung bevollmächtigten Ministers, außerdem in die Hände des Präsidenten einer jeden Kammer abgelegt.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 22 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
§ 164 Der Vorstand der Stände-Versammlung besteht aus einem Präsidenten und einem Vice-Präsidenten in jeder der beiden Kammern. Das Amt desselben dauert bis zum Ablaufe des sechsjährigen Zeitraums. (§. 157)
Den Präsidenten der ersten Kammer ernennt der König ohne Vorschlag; für die Stelle des Vice-Präsidenten werden von der ersten Kammer drei standesherrliche Mitglieder durch absolute Stimmen-Mehrheit gewählt, aus welchen der König eines ernennt.
Ebenso wählt die zweite Kammer aus ihrer Mitte, ohne Unterschied der Classen, drei Mitglieder zur Stelle ihres Präsidenten, und wenn hierauf die Königliche Ernennung erfolgt ist, auf gleiche Art zu dem Amte des Vice-Präsidenten, welchen der König ebenfalls aus den hiezu vorgeschlagenen drei Mitgliedern ernennt.
Kommt nach Ablauf des sechsjährigen Zeitraumes die zweite Kammer zum erstenmal zusammen, oder sollte sonst der Fall eintreten, daß bei derselben beide Präsidial-Stellen zugleich erledigt wären, so vertritt bis zur Ernennung des Präsidenten das älteste rechtsgelehrte Mitglied die Stelle des Vorstandes.
Jede der Kammern wählt auf die Dauer eines Landtages einen oder mehrere Sekretäre aus ihrer Mitte.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 24 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 23. Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) wurde § 164 wie folgt gefaßt:
„§ 164 Der Vorstand der Ständeversammlung besteht aus einem Präsidenten und einem Vicepräsidenten in jeder der beiden Kammern. Das Amt desselben erstreckt sich je auf die Dauer einer ordentlichen Landtagsperiode (§§ 157 und 190).
Den Präsident der Ersten Kammer ernennt der König ohne Vorschlag. Der Vicepräsident wird von der Ersten Kammer aus der Zahl ihrer standesherrlichen Mitglieder durch absolute Stimmenmehrheit gewählt.
Die Kammer der Abgeordneten wählt durch absolute Stimmenmehrheit aus ihrer Mitte ihren Präsidenten und Vicepräsidenten.
Hat sich bei einer der obigen Wahlen eine absolute Mehrheit nicht ergeben, so sind diejenigen drei Mitglieder, welche die meisten Stimmen erhalten haben, auf eine engere Wahl zu bringen.
Wird auch bei dieser Wahl keine absolute Mehrheit erreicht, so sind diejenigen beiden Mitglieder, welche die meisten Stimmen in der engeren Wahl erhalten haben, auf eine zweite engere Wahl zu bringen. Tritt in dieser letzten Wahl Stimmengleichheit ein, so entscheidet das Loos. Bei Ausmittelung derjenigen Mitglieder, welche nach den vorstehenden Vorschriften auf die engere Wahl zu bringen sind, entscheidet bei Stimmengleichheit ebenfalls das Loos.
Solange für die betreffende Kammer weder ein Präsident noch ein Vicepräsident bestellt ist, sowie im Falle der Verhinderung derselben, versieht in jeder Kammer die Stelle des Präsidenten das im Lebensalter älteste anwesende Kammermitglied. Das Amt des Alterspräsidenten geht im Falle der Ablehnung seitens des Berufenen auf das im Lebensalter ihm am nächsten stehende Kammermitglied über.
Jede der Kammern wählt auf die Dauer eines Landtags mit relativer Stimmenmehrheit die erforderliche Zahl von Schriftführern aus ihrer Mitte.
Von sämtlichen Wahlen ist dem Könige Anzeige zu machen.“
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurde dem Abs. 3 des § 164 folgender Satz zugefügt:
„Sie kann sich für die im Abs. 1 bezeichnete Zeitdauer einen zweiten Vizepräsidenten wählen.“
Durch Gesetz vom 8. Juli 1912 (Reg.Bl. S. 223) wurde § 164 Abs. 2 wie folgt geändert:
„Dem Präsidenten der Ersten Kammer ernennt der König ohne Vorschlag. Den Vizepräsidenten wählt die Erste Kammer aus ihrer Mitte durch absolute Stimmenmehrheit, auch kann sie in gleicher Weise für die in Abs. 1 bezeichnete Zeitdauer einen zweiten Vizepräsidenten wählen. Gehört der Präsident nicht den standesherrlichen Mitgliedern (§ 129 Ziff. 2) an, so muß der erste Vizepräsident der Zahl der Standesherren entnommen werden. Tritt infolge eines Wechsels in der Person des Präsidenten der Fall ein, daß weder dieser noch der erste Vizepräsident ein Standesherr ist, so erlischt das Amt des letzteren sofort und ist eine Neuwahl vorzunehmen.“
Durch Verfassungsgesetz vom 23. Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) wurde nach dem § 164 folgender § eingefügt:
„§ 164a Jede Kammer regelt innerhalb der verfassungsmäßigen Schranken ihre Geschäftsordnung.“
§ 165 Der Präsident einer jeden Kammer sorgt für die Aufrechthaltung der Ordnung, bestimmt die Sitzungstage, eröffnet und schließt die Sitzungen, ordnet den Gang der Verhandlungen, und leitet die Berathungen und Abstimmungen.
Durch Verfassungsgesetz vom 23. Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) wurde § 165 aufgehoben.
§ 166 Die Mitglieder der Kammern sind verbunden, jeder Sitzung anzuwohnen; im Fall eines gegründeten Hindernisses haben sie solches dem Präsidenten anzuzeigen.
Während der Dauer der Versammlung dürfen sie sich nicht ohne Erlaubniß des Präsidenten entfernen, und bei einer über acht Tage dauernden Abwesenheit nicht ohne Bewilligung der Kammer; jedoch kann der Präsident in besonders dringenden Fällen auch einen solchen längern Urlaub ertheilen, hat aber davon der Kammer in der folgenden Sitzung Kenntniß zu geben.
Durch Verfassungsgesetz vom 23. Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) wurde § 166 aufgehoben.
§ 167 Die Sitzungen der zweiten Kammer sind öffentlich; auch hat sie ihre Verhandlungen durch den Druck bekannt zu machen. Von der ersten Kammer muß wenigstens das letztere geschehen.
Die Zuhörer, die ein Zeichen des Beifalls oder der Mißbilligung geben, werden unverzüglich entfernt.
Durch Verfassungsgesetz vom 23. Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) erhielt der § 167 Abs. 1 folgende Fassung:
„Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich; auch haben dieselben ihre Verhandlungen durch den Druck bekannt zu machen.“
§ 168 Die Sitzungen werden geheim, theils auf das Begehren der Minister und Königlichen Commissarien bei Vorträgen, die sie, ihrer Erklärung nach, im Namen des Königes zu machen haben, und welche nur im Fall einer solchen Erklärung für amtliche Äußerungen zu halten sind; theils auf den Antrag von wenigstens drei Mitgliedern, wenn diesen, nach vorläufigem Abtritt der Zuhörer, die Mehrheit der Kammer beistimmt.
Durch Verfassungsgesetz vom 23. Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) erhielt § 168 letzter Halbsatz folgende Fassung:
„theils auf den Antrag von wenigstens drei Mitgliedern in der ersten Kammer und von wenigstens zehn Mitgliedern in der zweiten Kammer, wenn diesen nach vorläufigem Abtreten der Zuhörer, die Mehrheit der Kammer beistimmt.“
§ 169 Die Minister sind befugt, den Verhandlungen der beiden Kammern anzuwohnen und an den Berathschlagungen Theil zu nehmen. Sie können sieh auch von andern Staatsdienern begleiten lassen, welche etwa den vorliegenden Gegenstand besonders bearbeitet haben, oder sonst vorzügliche Kenntniß davon besitzen. An den Sitzungen der ständischen Commissionen steht ihnen im Fall einer ausdrücklichen Einladung gleichfalls Theilnahme zu.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 169 folgende Fassung:
„§ 169 Die Minister, sowie die Königlichen Kommissare in Ansehung der Gegenstände, zu deren Beratung sie ernannt sind, sind befugt, den Verhandlungen der beiden Kammern und der ständischen Kommissionen – soweit nicht von der betreffenden Kommission die Abhaltung einer vertraulichen Sitzung beschlossen wird – anzuwohnen und an den Beratungen teilzunehmen. Sie können sich auch von anderen, mit dem vorliegenden Gegenstand besonders vertrauten Staatsdienern begleiten lassen. Von dem Zusammentritt der Kommissionen und von dem Gegenstand ihrer Verhandlungen ist dem Staatsministerium rechtzeitig Kenntnis zu geben.“
§ 170 Deputationen kann die Stände-Versammlung weder annehmen, noch ohne Erlaubniß des Königes abordnen.
§ 171 Nur den Ministern oder Königl. Commissarien, den Bericht-Erstattern der ständischen Commissionen und den Mitgliedern, welche einen Gegenstand zur Berathung in Antrag zu bringen (eine Motion zu machen) haben, steht die Befugniß zu, schriftliche Reden in der Versammlung abzulesen. Außerdem finden bloß mündliche Vorträge statt.
Durch Verfassungsgesetz vom 23. Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) wurde § 171 aufgehoben.
§ 172 Gesetzes-Entwürfe können nur von dem Könige an die Stände, nicht von den Ständen an den König gebracht werden. Den Ständen ist aber unbenommen, im Wege der Petition auf neue Gesetze sowohl, als auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden anzutragen.
Der König allein sanctionirt und verkündet die Gesetze unter Anführung der Vernehmung des Geheimen Raths und der erfolgten Zustimmung der Stände.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der § 172 Abs. 1 aufgehoben; siehe Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 23. Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) traten an die Stelle des § 172 Abs. 1 folgende Absätze 1 bis 5:
„Das Recht, Gesetze vorzuschlagen, steht dem Könige wie jeder der beiden Kammern zu.
Gesetzesentwürfe über Auflegung von Steuern, über die Aufnahme von Anlehen, über die Feststellung des Staatshaushalts oder über außerordentliche, im Etat nicht vorgesehene Ausgaben können nur vom Könige ausgehen. Auch können Ausgabeposten nicht über den Betrag der von der Regierung vorgeschlagenen Summe erhöht werden.
Von Kammermitgliedern ausgehende Gesetzesvorschläge müssen in der ersten Kammer von mindestens fünf, in der zweiten Kammer von mindestens fünfzehn Mitgliedern unterzeichnet sein.
Auf die von der einen Kammer auf einen Gesetzesvorschlag gefaßten Beschlüsse finden die Bestimmungen der §§ 179 Abs. 1 und 182 Anwendung.
Den Ständen bleibt unbenommen, auch im Wege der Petition auf neue Gesetze sowohl als auf Abänderung oder Aufhebung der bestehenden auszutragen.“
Durch Verfassungsgesetz vom 1. Juli 1876 (Reg.Bl. S. 175) wurden die Worte „Geheimen Raths“ durch das Wort „Staatsministeriums“ ersetzt.
§ 173 In der Regel soll kein Gegenstand der Berathung in derselben Sitzung, worin der Antrag dazu gemacht wird, zur Verhandlung und Abstimmung gebracht werden. Wenn jedoch drei Viertheile der Mitglieder einstimmen, kann ein Gegenstand für so dringend oder so unwichtig erklärt werden, daß von jener Regel abgegangen werden darf.
Königliche Anträge sind, ehe sie zur Berathung in der Versammlung kommen kömmen, an Kommissionen zu verweisen, welche über deren Inhalt Vortrag zu erstatten haben.
Durch Verfassungsgesetz vom 23. Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) erhielt § 173 folgende Fassung:
„§ 173 Königliche Anträge sind, wenn dies von Seiten der Regierung vor der Beschlußnahme über ihre Geschäftsbehandlung verlangt wird, an eine Commission zu verweisen.“
Das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) ersetzte § 173 durch folgende Fassung:
„§ 173 Königliche Anträge sind, wenn dies von der Staatsregierung verlangt wird, vor der Einzelberatung an eine Kommission zu verweisen.“
§ 174 Bei der Abstimmung ist der Antrag, mit den während der Berathschlagung in Vorwurf gekommenen Modificationen, in einzelne, einfache Fragen so aufzulösen, daß jedes Mitglied durch bloße Bejahung oder Verneinung seine Stimme abgeben kann.
Durch Verfassungsgesetz vom 23.Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) wurde § 174 aufgehoben.
§ 175 Zu Fassung eines gültigen Beschlusses wird in jeder Kammer, die zur vollständigen Besetzung derselben (§ 160) nothwendige Anzahl von Mitgliedern erfordert.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 27 Abs. 2+3 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
§ 176 Die Beschlüsse werden nach der Stimmenmehrheit, welche nach Beschaffenheit des Gegenstandes eine absolute oder relative seyn kann, abgefaßt, so daß im Falle der Stimmen-Gleichheit der Präsident den Ausschlag gibt. Wenn jedoch von Abänderung irgend eines Punktes der Verfassung die Rede ist, so ist die Beistimmung von zwei Drittheilen der anwesenden Mitglieder in beiden Kammern nothwendig.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 27 Abs. 2+3 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Darüber, ob ein „Punkt der Verfassung“ berührt ist, entscheidet nach der Gewohnheit die einfache Mehrheit in beiden Kammern. Sind in einem Gesetz eine Verfassungsänderung und sonstige gesetzliche Bestimmungen enthalten, so bedarf es nur in der Schlußabstimmung einer Mehrheit von zwei Dritteln in jeder Kammer.
Durch Gesetz vom 6. Juni 1855 (RegBl. S. 157) wurde der § 176 (insbesondere hinsichtlich des § 190) mit einer authentischen Erläuterung ausgelegt; das Gesetz lautete wie folgt:
„Um die Zweifel darüber, welche Mehrheit bei den im Zusammentritte beider Ständekammern erfolgenden Wahlen erforderlich sei, durch authentische Erläuterung zu beseitigen, verordnen und verfügen Wir, nach Anhörung Unseres Geheimen Rathes und mit Zustimmung Unserer getreuen Stände, wie folgt:
Einziger Artikel Bei den von der Ständeversammlung im Zusammentritte beider Kammern vorzunehmenden Wahlen entscheidet relative Stimmenmehrheit.“
§ 177 Die zum Wirkungskreise der Stände gehörigen Angelegenheiten werden in jeder Kammer besonders verhandelt. Doch können, uns eine Ausgleichung verschiedener Ansichten zu versuchen, beide Kammern sich mit einander zu vertraulichen Besprechungen, ohne Protokoll-Führung und Beschlußnahme, vereinigen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
§ 178 Es hängt von dem Könige ab, die Gesetzes-Entwürfe oder andere Vorschläge an die erste oder an die zweite Kammer zu bringen, ausgenommen, wenn sie Verwilligung von Abgaben betreffen; in welchem Falle solche immer zuerst an die zweite Kammer gelangen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
§ 179 Die von der einen Kammer gefaßten Beschlüsse werden der anderen zu gleichmäßiger Berathung mitgetheilt. Nur zu Ausübung des Rechts der Petitionen und Beschwerden, so wie zu einer Anklage wegen verletzter Verfassung, (§ 199) ist jede Kammer auch einzeln berechtigt.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
§ 180 Die Kammer, an welche die Mittheilung geschieht, kann den Antrag der mittheilenden verwerfen oder annehmen, und zwar entweder unbedingt, oder mit beigefügten Modificationen. Die Verwerfung muß aber jederzeit mit Anführung der Gründe geschehen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
§ 181 Von der vorstehenden Regel (§. 180) macht die Abgaben-Verwilligung eine Ausnahme in folgenden Punkten:
1.) Eine Abgaben-Verwilligung wird in der zweiten Kammer, nach der von ihr in Gemäßheit des § 110 vorgenommenen Untersuchung, in Berathung gezogen, und nach vorgängiger vertraulicher Besprechung mit der ersten Kammer, (§ 177) Beschluß darüber in der zweiten gefaßt;
2.) dieser Beschluß wird sodann der ersten Kammer mitgetheilt, welche denselben nur im Ganzen, ohne Änderung, annehmen oder verwerfen kann;
3.) erfolgt das Letztere, so werden die bejahenden und die verneinenden Stimmen beider Kammern zusammen gezählt, und nach der Mehrheit sämtlicher Stimmen wird alsdann der Stände-Beschluß abgefaßt. Würde in diesem Falle Stimmen-Gleichheit eintreten, so hat der Präsident der zweiten Kammer die Entscheidung.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 181 folgende Fassung:
„§ 181 Für die Beratung und Beschlußfassung über den Hauptetat (§ 111) gelten folgende Bestimmungen:
1. Der Hauptetat wird in der Zweiten Kammer unter Beachtung des § 110 in Beratung gezogen und es wird von ihr zunächst über die einzelnen Titel desselben Beschluß gefaßt.
2. Die Beschlüsse der Zweiten Kammer werden sodann der Ersten Kammer zur Beratung und Beschlußfassung mitgeteilt. Hat sich dabei die Erste Kammer für Abänderung eines von der Zweiten Kammer gefaßten Beschlusses erklärt, so hat die Zweite Kammer den Gegenstand einer nochmaligen Beratung und Beschlußfassung zu unterziehen. Wenn hierbei die Zweite Kammer einen von demjenigen der Ersten Kammer abweichenden Beschluß faßt, so gilt ihr Beschluß als Beschluß der Ständeversammlung.
Diejenigen Steuern, deren Sätze im Wege der ordentlichen Gesetzgebung fest bestimmt sind, werden, außer in dem Fall der Ablehnung des Etats im ganzen, in diesen Sätzen so lange und insoweit forterhoben, als nicht beide Kammern über die Ablehnung der Steuer oder die Ermäßigung des Steuersatzes einverstanden sind. Eines übereinstimmenden Beschlusses beider Kammern bedarf es, wenn eine Steuer, für welche in einem Steuergesetz ein fester Steuersatz bestimmt ist, in einem höheren Betrag erhoben werden soll.
3. Nach erfolgter Beschlußfassung über die einzelnen Titel des Hauptetats wird über den letzteren im ganzen zuerst in der Zweiten, dann in der Ersten Kammer abgestimmt. Wird hierbei von der Ersten Kammer der von der Zweiten Kammer angenommene Etat abgelehnt, so werden die bejahenden und die verneinenden Stimmen beider Kammern zusammengezählt und wird alsdann nach der Mehrheit sämtlicher Stimmen der Ständebeschluß gefaßt. Würde in diesem Falle Stimmengleichheit eintreten, so hat der Präsident der Zweiten Kammer die Entscheidung.
Bei der Beschlußfassung über Aufnahme von Anlehen und über Veräußerungen von Bestandteilen des Kammerguts, auch wenn sie in Verbindung mit der Beschlußfassung über den Hauptetat erfolgen, sind beide Kammern gleichberechtigt.“
§ 182 In allen anderen Fällen gilt der Grundsatz, daß nur solche Beschlüsse, worüber beide Kammern, nach gegenseitiger Mittheilung, einverstanden sind, an den König gebracht und von dem Könige bestätigt werden können.
§ 183 Der von der einen Kammer verworfene Antrag der andern kann auf demselben Landtage nicht wiederholt werden. Wird aber ein solcher Antrag bei der nächsten Stände-Versammlung erneuert und abermals verworfen, so treten die zwei Kammern zu einer vertraulichen Besprechung über den Gegenstand zusammen. Sollte auch hiedurch die Verschiedenheit der Ansichten nicht ausgeglichen werden, so haben die Kammern, wenn die Frage einen ihnen von dem Könige zugekommenen Gegenstand betrifft, ihre Nicht-Übereinstimmung dem Könige bis anzuzeigen, woferne sie nicht mit einander übereinkommen, die Entscheidung dem Könige zu überlassen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
§ 184 Kein Mitglied der beiden Kammern kann während der Dauer der Stände-Versammlung ohne Einwilligung der betreffenden Kammer zu Verhaft gebracht werden, den Fall der Ergreifung auf frischer That wegen eines Verbrechens ausgenommen. In letzterem Fall ist aber die Kammer von der geschehenen Verhaftung, mit Angabe des Grundes, unverzüglich in Kenntniß zu setzen.
Durch Verfassungsgesetz vom 23. Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) erhielt § 184 folgende Fassung:
„§ 184 Kein Mitglied der Ständeversammlung kann während der Dauer der Sitzungsperiode ohne Genehmigung der betreffenden Kammer wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei der Ausübung der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird.
Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden erforderlich.
Auf Verlangen der Kammer wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied derselben und jede Untersuchungs- oder Civilhaft für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben.“
Das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurde § 184 durch folgende Bestimmungen ersetzt:
„§ 184 Kein Mitglied der Ständeversammlung kann, so lange die Stände versammelt sind, ohne Genehmigung der betreffenden Kammer wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird.
Auf Verlangen der Kammer wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied derselben und jede Untersuchungshaft für die Zeit, während welcher die Stände versammelt sind, aufgehoben.
Die Bestimmungen finden auf Mitglieder der Ständeversammlung, die zu Kommissionssitzungen einberufen sind, für die Dauer der Kommissionsberatung entsprechende Anwendung; die in Abs. 1 und 2 bezeichneten Befugnisse stehen in solchen Fällen an Stelle der betreffenden Kammer dem Ständischen Ausschuß (§ 190 Abs. 4 Satz 1) zu.“
§ 185 Niemand kann wegen seiner, in der Stände-Versammlung gehaltenen Vorträge und gegebenen Abstimmungen zur Verantwortung gezogen werden. Jedoch sind Beleidigungen oder Verläumdungen der Regierung, der Stände-Versammlung oder einzelner Personen der Bestrafung nach den bestehenden Gesetzen in dem ordentlichen Wege des Rechts unterworfen.
Verfehlungen gegen die Gesetze des Anstandes oder der innern Polizei, oder gegen die Geschäfts-Vorschriften, hat der Präsident zu bemerken, und, wenn sie bedeutend sind, solche zur Kenntniß der Kammer zu bringen, welche nach Beschaffenheit der Umstände ihre Mißbilligung ausdrücken, Verweis ertheilen, oder auch Widerruf verlangen kann.
Durch Verfassungsgesetz vom 23. Juni 1874 (Reg.Bl. S. 177) erhielt § 185 folgende Fassung:
„§ 185 Kein Ständemitglied darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufs gethanen Äußerungen gerichtlich oder disciplinanisch verfolgt oder sonst außerhalb der Ständeversammlung zur Verantwortung gezogen werden.
Dagegen hat, wenn ein Ständemitglied seine Stellung in der Kammer zu einer Beleidigung oder Verläumdung der Regierung, der Stände oder einzelner Personen mißbraucht, die betreffende Kammer dies zu rügen.“
§ 186 Der König eröffnet und entläßt die Stände-Versammlung entweder in eigener Person, oder durch einen dazu bevollmächtigten Minister.
Dem Könige steht auch das Recht zu, die Versammlung zu vertagen oder ganz aufzulösen.
Im Falle der Auflösung wird spätestens binnen sechs Monaten eine neue Versammlung einberufen werden; es ist hiezu eine neue Wahl der Abgeordneten nöthig, bei welcher jedoch die vorigen Mitglieder wieder gewählt werden können.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph aufgehoben; siehe Art. 21 Satz 2 und 26 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
Durch Gesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 186 Abs. 3 folgende Fassung:
„Im Falle der Auflösung wird spätestens binnen sechs Monaten eine neue Versammlung einberufen werden; hierzu ist eine neue Wahl der gewählten sowie eine neue Vorschlagswahl und Ernennung der in § 129 Ziff. 7 bezeichneten Mitglieder der Ständeversammlung erforderlich.“
§ 187 So lange die Stände nicht versammelt sind, besteht, als Stellvertreter derselben, ein Ausschuß für diejenigen Geschäfte, deren Besorgung von einem Landtage zum andern zur ununterbrochenen Wirksamkeit der Repräsentation des Landes nothwendig ist.
§ 188 In dieser Hinsicht liegt dem Ausschuß ob, die ihm, nach der Verfassung, zur Erhaltung derselben zustehenden Mittel in Anwendung zu bringen, und hievon bei wichtigen Angelegenheiten die in dem Königreich wohnenden Stände-Mitglieder in Kenntniß zu setzen, in den geeigneten Fällen bei der höchsten Staats-Behörde Vorstellungen, Verwahrungen und Beschwerden einzureichen, und nach Erforderniß der Umstände, besonders wenn es sich von der Anklage der Minister handelt, um Einberufung einer außerordentlichen Stände-Versammlung zu bitten, welche in letzterem Falle nie verweigert werden wird, wenn der Grund der Anklage und die Dringlichkeit derselben gehörig nachgewiesen ist.
Außerdem hat der Ausschuß am Ende der in die Zwischenzeit fallenden Finanz-Jahre nach Maßgabe dessen, was § 110 festgesetzt ist, die richtige, der Verabschiedung angemessene Verwendung der verwilligten Steuern in dem verflossenen Jahre zu prüfen, und den Etat des künftigen Jahres mit dem Finanz-Ministerium zu berathen. Auch steht dem Ausschusse die Aufsicht über die Verwaltung der Staats-Schulden-Zahlungs-Casse zu.
Insbesondere gehört es zu seinem Wirkungskreise, die für eine Stände-Versammlung sich eignenden Geschäfts-Gegenstände, namentlich die Erörterungen vorgelegter Gesetzes-Entwürfe, zur künftigen Berathung vorzubereiten, und für die Vollziehung der landständischen Beschlüsse Sorge zu tragen.
§ 189 Dagegen kann sich der Ausschuß auf solche Gegenstände, welche verfassungsmäßig eine Verabschiedung mit den Ständen erfordern, namentlich auf Gesetzgebungs-Anträge, Steuer-Verwilligungen, Schulden-Uebernahmen und Militär-Aushebungen, nicht anderst als auf eine vorbereitende Weise einlassen.
§ 190 Der ständische Ausschuß besteht aus zwölf Personen, nämlich den Präsidenten der beiden Kammern, zwei Mitgliedern aus der ersten, und acht aus der zweiten Kammer. Die Wahl derselben geschieht von den zu diesem Zwecke vereinigten Kammern nach relativer Stimmenmehrheit auf die Zeit von einem ordentlichen Landtage zum andern (auf drei Jahre), und ist jedesmal dem Könige anzuzeigen.
Ein in der Zwischenzeit abgehendes Ausschuß-Mitglied wird von der nächsten Versammlung der Stände wieder definitiv ersetzt; bis dahin rückt an dessen Stelle dasjenige Stände-Mitglied ein, welches bei der letzten Ausschußwahl die meisten Stimmen nach den Gewählten erhalten hatte.
In Verhinderung der Präsidenten treten die Vice-Präsidenten für sie ein; sind letztere schon Mitglieder des Ausschusses, so werden deren Stellen auf die so eben festgesetzte Weise ersetzt.
Sechs Mitglieder des Ausschusses, die Präsidenten der beiden Kammern mit eingeschlossen, müssen in Stuttgart anwesend seyn. Die übrigen sechs Mitglieder können außerhalb Stuttgart ihre Wohnungen haben, und werden, so oft es die Umstände erfordern, von den Anwesenden einberufen.
Zwischen dem 2. Juli 1849 und 10. November 1850 war der Paragraph geändert; siehe Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 1. Juli 1849.
§ 191 Bei jeder Stände-Versammlung hat der Ausschuß über dasjenige, was von ihm in der Zwischenzeit verhandelt worden ist, in einem Zusammentritte beider Kammern Rechenschaft abzulegen.
Ein Zusammentritt beider Kammern des Landtages wegen des Ausschußberichts ist seit ca. 1850 nicht mehr vorgekommen.
§ 192 Die Verrichtungen des Ausschusses hören, mit der Eröffnung eines neuen Landtages auf, und werden nach einer bloßen Vertagung desselben, oder nach Beendigung einer außerordentlichen Stände-Versammlung, wieder fortgesetzt.
Bei der Auflösung eines jeden Landtages und bei der Entlassung eines ordentlichen muß ein neuer Ausschuß gewählt werden, wobei die vorigen Mitglieder wieder wählbar sind. Zu dieser Wahl wird den Ständen jedesmal, auch bei einer Auflösung der Versammlung, die erforderliche Sitzung noch gestattet.
Sollten außerordentliche Umstände es ihnen unmöglich machen, diese Sitzung noch zu halten, so haben die bisherigen Mitglieder oder deren Stellvertreter (§ 190), so ferne sie zugleich Stände-Mitglieder sind, die Verrichtungen des Ausschuß-Collegiums wieder zu übernehmen.
§ 193 Das ständische Amts-Personal besteht, außer den Beamten der Schulden-Zahlungs-Kasse, für beide Kammern aus einem Archivar, für jede Kammer aus einem Registrator und den erforderlichen Canzellisten; die Registratoren haben zugleich bei dem Ausschuß das Secretariat zu versehen.
Jede Kammer wählt ihren Registrator und Canzellisten; die Beamten der Schulden-Zahlungs-Kasse, so wie der Archivar, werden von den hiezu vereinigten Kammern gewählt.
Dem König ist die Bestellung der Kassenbeamten, des Archivars und der Registratoren zur Bestätigung vorzulegcn, und von der Wahl der Canzellisten Anzeige zu machen.
Die Dienst-Entlassung dieser Beamten geschieht auf gleiche Art, wie deren Anstellung, durch die einzelnen oder durch die vereinigten Kammern, und richtet sich im Übrigen nach den deshalb bei den Königlichen Beamten geltenden Gesetzen.
Die Annahme und Entlassung der ständischen Kanzlei-Diener hängt von den Präsidenten ab.
Das gesamte Amts- und Dienst-Personal steht bei nicht versammelten Landtag unter der Aufsicht und den Befehlen des Ausschusses, welcher auch in der Zwischenzeit die erforderlichen Amtsverweser zu bestellen, und ungetreue oder sonst sich vergehende Diener in den gesetzlichen Fällen den Gerichten zu übergeben hat.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) erhielt § 193 folgende Fassung:
„§ 193 Das ständische Amtspersonal besteht außer dem Beamten der Staatsschuldenkasse für beide Kammern aus einem Archivar, für jede Kammer aus einem Kanzleidirektor und den weiter erforderlichen Kanzleibeamten. Die Kanzleidirektoren haben zugleich bei dem Ausschuß das Sekretariat zu versehen.
Die auf Lebenszeit anzustellenden Beamten der Staatsschuldenkasse sowie der Archivar werden von den vereinigten Kammern, die auf Lebenszeit anzustellenden Beamten der einzelnen Kammern werden je von der betreffenden, Kammer gewählt. Die anderen Beamten der Staatsschuldenkasse werden von der Staatsschuldenverwaltungsbehörde und die übrigen Beamten jeder Kammern von deren Präsidenten angestellt und entlassen.
Dem König ist die Anstellung der auf Lebenszeit gewählten Beamten zur Bestätigung vorzulegen, ausgenommen die Wahl der Kanzlisten, von welcher nur Anzeige zu machen ist.
Die Dienststellung der ständischen Beamten richtet sich im übrigen nach den bei den Königlichen Beamten gehenden Gesetzen.
Das gesamte ständische Amtspersonal steht bei nicht versammelten Landtag unter den Aufsicht und den Befehlen des Ausschusses, welcher auch die erforderlich werdenden Amtsverweser zu bestellen hat.
§ 194 Eine eigene ständische Kasse, welche die für die sie jedesmal zugleich mit dem Finanz-Etat zu verabschiedende Summe aus der Staats-Kasse in bestimmten Raten erhält, bestreitet den ständischen Aufwand.
Hieher gehören die Taggelder und Reisekosten der Mitglieder der Stände-Versammlung, die Besoldungen den ständischen Ausschuß-Mitglieder, Beamten und Diener, die Belohnungen derjenigen, welche durch besondere Aufträge der Stände oder des ständischen Ausschusses bemüht gewesen sind, die Unterhaltung einer angemessenen Büchersammlung, die Canzlei-Kosten überhaupt, und andere mit der Geschäftsführung verbundene Ausgaben.
Die jährliche Kassenrechnung, welche mit Angabe aller einzelnen Einnahmen und Ausgaben zu führen ist, wird von einer besonderen ständischen Commission probirt, in der Stände-Versammlung zum Vortrag gebracht, und von dieser justificirt. Jedes Mitglied der Versammlung kann die eigene Einsicht dieser Rechnung verlangen.
Die Besoldungen der Mitglieder und der Beamten des Ausschusses, so wie die Taggelder und Reisekosten der Stände-Mitglieder, werden durch Verabschiedung bestimmt werden.
Die nicht in Stuttgart anwesenden Mitglieder des Ausschusses erhalten, wenn sie einberufen werden, gleiche Diäten und Reisegelder, wie die Stände-Mitglieder, und beziehen solche aus der ständischen Casse.
Durch Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1906 (Reg.Bl. S. 161) wurde § 194 wie folgt geändert:
– Absatz 2 erhielt folgende Fassung:
„Hieher gehören die Entschädigungen, Taggelder und Reisekosten der Mitglieder der Ständeversammlung, die Besoldungen der Beamten und die Belohnung derjenigen, welche durch besondere Aufträge der Stände oder des Ständischen Ausschusses bemüht gewesen sind, die Unterhaltung einer angemessenen Büchersammlung, die Kanzleikosten überhaupt und andere mit der Geschäftsführung verbundene Ausgaben.“
– Absatz 4 erhielt folgende Fassung:
„Der Betrag der Entschädigungen, Taggelder und Reisekosten, welche die Mitglieder der Ständeversammlung einschließlich der Mitglieder des Ständischen Ausschusses kraft vorstehender Verfassungsbestimmung anzusprechen haben, wird durch Gesetz bestimmt.“
– Absatz 5 wurde aufgehoben.X. Kapitel. Von dem Staats-Gerichtshofe.
§ 195 Zum gerichtlichen Schutze der Verfassung wird ein Staats-Gerichtshof errichtet. Diese Behörde erkennt über Unternehmungen, welche auf den Umsturz der Verfassung gerichtet sind, und über Verletzung einzelner Punkte der Verfassung.
§ 196 Der Staats-Gerichtshof besteht aus einem Präsidenten, welcher von dem Könige aus den ersten Vorständen der höheren Gerichte ernannt wird, und aus zwölf Richtern, wovon der König die Hälfte aus den Mitgliedern jener Gerichte ernennt, die Stände-Versammlung aber die andere Hälfte nebst drei Stellvertretern mm Zusammentritte beider Kammern außerhalb ihrer Mitte wählt.
Unter den ständischen Mitgliedern müssen wenigstens zwei Rechts-Gelehrte seyn, welche auch, mit Vorbehalt der Einwilligung des Königes, aus Königlichen Staatsdienern gewählt werden können. Außerdem müssen die Mitglieder alle zur Stelle eines Stände-Mitgliedes erforderliche Eigenschaften haben.
Das Canzlei-Personal wird aus dem Ober-Tribunal genommen.
An die Stelle des Ober-Tribunals ist gemäß dem Ausführungsgesetz zum Reichs-Gerichtsverfassungsgesetz vom 24. Januar 1879 (Reg.Bl. S. 3) das Oberlandesgericht getreten.
§ 197 Sämtliche Richter werden für diesen ihren Beruf besonders verpflichtet, und können gleich den übrigen Justiz-Beamten nur durch Urtheilsspruch ihrer Stelle als Mitglieder dieses Gerichtshofes entsetzt werden. Nimmt jedoch ein ständischen Richter ein Staatsamt an, so hört er dadurch auf, Mitglied dieser Stelle zu seyn, kann aber von der Stände-Versammlung wieder gewählt werden. Ebenso tritt ein vom Könige ernanntes Mitglied aus dem Gerichte, wenn es aufhört, sein richterliches Hauptamt zu bekleiden.
§ 198 Das Gericht versammelt sich auf Einberufung durch den Präsidenten, welche von diesem sogleich geschehen muß, wenn er dazu einen von dem Justiz-Minister contrasignirten Befehl des Königes oder eine Aufforderung mit Angabe des Gegenstandes von einer der beiden Kammern durch deren Präsidenten erhält.
Das Gericht löst sich auf, wenn der Proceß geendigt ist. Der Präsident hat für die Vollziehung der Beschlüsse zu sorgen, und in Anstands-Fällen das Gericht wieder zu versammeln.
§ 199 Eine Anklage von dem Staats-Gerichtshofe wegen der oben (§ 195) erwähnten Handlung kann geschehen von der Regierung gegen einzelne Mitglieder der Stände und des Ausschusses und von den Ständen sowohl gegen Minister und Departements-Chefs als gegen einzelne Mitglieder und höhere Beamten der Stände-Versammlung. Andere Staatsdiener als Minister und Departements-Chefs können vor diesem Gerichte nicht angeklagt werden, außer wegen Übertretung der § 53 enthaltenen Vorschrift.
Anklage und Vertheidigung geschieht öffentlich. Die Protocolle werden mit den Abstimmungen und Beschlüssen durch den Druck bekannt gemacht.
Einziger Prozeß vor dem Staatsgerichtshof gegen einen Minister war im Jahre 1850 gegen den Minister der auswärtigen Angelegenheiten, den Freiherrn von Wächter-Spitteler.
§ 200 Wenn es erforderlich ist, Inquirenten zu bestellen, so wählt der Gerichtshof dieselben aus den Räthen der Criminal-Gerichte. Der Untersuchung hat jedesmal ein Königliches und ein ständisches Mitglied des Gerichtshofs wohnen.
§ 201 Es werden jedesmal zwei Referenten bestellt. Ist der erste Referent ein Königlicher Richter, so muß der Correferent ein ständischen seyn, und umgekehrt.
§ 202 Bei jedem Beschlusse muß eine gleiche Anzahl von Königlichen und ständischen, Richtern anwesend seyn. Sollte durch Zufall eine Ungleichheit der Zahl eintreten, welche nicht sogleich durch anderweitige Ernennung oder Eintritt eines Stellvertreters gehoben werden könnte, so tritt der Jüngste im Dienste von der überzählenden Seite aus; doch darf die Zahl der Richter nie unter zehn seyn.
Im Verhinderungsfalle vertritt die Stelle des Präsidenten der erste Königliche Richter.
Dem Präsidenten steht keine Stimme zu; im Falle der Stimmengleichheit entscheidet die für den Angeklagten günstigere Meinung.
§ 203 Die Strafbefugniß des Gerichtshofes erstreckt sich nur auf Verweise und Geldstrafen, auf Suspension und Entfernung von, Amte, auf zeitliche oder immerwährende Ausschließung von der Landstandschaft.
Wenn dieses Gericht die höchste in seiner Competenz liegende Strafe erkannt hat, ohne eine weitere ausdrücklich auszuschließen; so bleibt den ordentlichen Gerichten vorbehalten, gegen den Verurtheilten ein weiteres Verfahren von Amtswegen eintreten zu lassen.
Durch das Reichs-Einführungsgesetz zur Strafprozeß-Ordnung vom 1. Februar 1877 (RGBl. S. 346) wurden faktisch die Worte „ohne eine weitere ausdrücklich auszuschließen;“ gestrichen.
§ 204 Gegen den Ausspruch des Staats-Gerichtshofes findet keine Appellation statt, sondern nur das Rechtsmittel der Revision und der Wieder-Einsetzung in den vorigen Stand.
§ 205 Der König wird nicht nur die Untersuchung niemals hemmen, sondern auch das ihm zustehende Begnadigungsrecht nie dahin ausdehnen, daß ein von diesem Gerichte in die Entfernung vom Amte verurtheilter Staatsdiener in seiner bisherigen Stelle gelassen, oder daß derselbe in einem andern Justiz- oder Staats-Verwaltungs-Amte angestellt würde, es wäre denn, daß in Rücksicht auf Wieder-Anstellung das gerichtliche Erkenntniß einen ausdrücklichen Vorbehalt zu Gunsten des Verurtheilten enthielte.
Wie nun die vorstehenden Bestimmungen von nun an die Staats-Grund-Verfassung Unseres Königreichs enthalten; so geloben Wir hiemit bei Unserer Königlichen Würde, für Uns und Unsere Nachfolger in der Regierung, den gegenwärtigen Vertrag fest und unverbrüchlich nicht nur für Uns Selbst zu halten und zu erfüllen, sondern auch gegen alle Eingriffe und Verletzungen zu schützen und bei Kräften zu erhalten.
Zu dessen Urkunde haben Wir denselben eigenhändig unterzeichnet, und mit Unserem großen Königlichen Insiegel versehen lassen.
So geschehen in Unserer Haupt- und Residenzstadt Stuttgart an dem 25sten Tage des Monats September im Eintausend Achthundert und Neunzehnten Jahre, Unserer Königlichen Regierung im dritten.
(Unterzeichnet) Wilhelm.
(L.S.)
Auf Befehl des Königs:
der Staats-Sekretär
(Unterzeichnet) Vellnagel.
Die erste Fassung wurde am 27. September im Königlich-Württembergischen Staats- und Regierungs-Blatt auf Seite 633 veröffentlicht.